Die Innenministerkonferenz kommt nach Köln
Im Dezember trifft sich die Innenministerkonferenz in Köln. Die diesjährige IMK steht im Kontext einer geopolitisch brisanten Lage. Während der religiös fundamentalistische "Islamische Staat" in Syrien und Irak mit brutalsten und mörderischen Mitteln die Macht erobern will und dadurch tausende Menschen fliehen müssen, spielt Deutschland sowohl eine tragende Rolle in der Abschottung Europas gegen Flüchtende wie auch bei der Repression gegen die kurdische Bewegung, die sich (nicht nur) dem IS in den Weg stellt. Sowohl der staatliche Rassismus gegen Flüchtlinge als auch die Repression gegen die kurdische Bewegung werden maßgeblich von den Innenministerien organisiert und bei der IMK diskutiert.
Ein breites Bündnis aus kurdischen, antirassistischen und linken Gruppen ist daher auch am Start und wird am 6. Dezember in Köln zusammen gegen Abschottung und Repression auf die Straße gehen. Die Botschaft ist dabei klar: Grenzen überwinden, PKK-Verbot aufheben!
Das Bündnis befürchtet, dass die Innenminister bei dem Thema "organisierte Einbruchskriminalität" Absprachen über die Abwehr von Armutsmigration treffen werden. „Europas Außengrenzen sind zu einer Festung gemacht worden, die sich gegen Flüchtende und Migrierende abschottet. Das hat die Bundesrepublik Deutschland entschieden vorangetrieben", so Bündnissprecher Simon Kolbe. Im Inneren würden u.a. Abschiebungen, miserable Unterbringung und – von Gerichten als diskriminierend erklärte – polizeiliche Maßnahmen wie das „Racial Profiling" Migrierende vertreiben. "Gerade jetzt, wo tausende Menschen vor der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien und Irak fliehen müssen, brauchen wir ein radikales Umdenken in der deutschen Innen- und Asylpolitik", sagt Kolbe. Deshalb fordern die OrganisatorInnen u.a. eine sofortige Aufhebung des PKK-Verbots und der Verfolgung linker türkischer und kurdischer Organisationen und ein Ende der Flüchtlinsabwehr durch die Behörden. Bündnissprecher Siyar Kulu: "In Europa werden die kurdischen Organisationen kriminalisiert, die in Rojava am entschlossensten Widerstand gegen IS leisten und Flüchtlinge zugleich massiv diskriminiert".
Umfassendste Verschärfung des Asylrechts seit 1993
Verschärft wird diese allgemeine Situation aktuell noch durch zwei Entwicklungen: Zum einen will die Bundesregierung Anfang Dezember einen Gesetzesentwurf mit dem sperrigen Titel "zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung" veröffentlichen. Diese angekündigte "Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete" wird so gut wie keinem der Betroffenen zugute kommen. Stattdessen entpuppt sich die Gesetzesänderung als die umfassendste Verschärfung des Asylrechts seit 1993. Alle Flüchtlinge im Dublin-Verfahren, die in einem anderen EU-Land registriert sind, sollen in Abschiebungshaft gesperrt werden. Das betrifft gut ein Drittel aller Flüchtlinge.
Und auch für die rund 95.000 Flüchtlinge mit dem Status der „Duldung", wird sich nichts zum Guten wenden. Ihr Leben soll weiterhin so unerträglich wie möglich gemacht werden, um sie zur „Mitwirkung" bei der eigenen Abschiebung zu erpressen. Sie werden mit Arbeitsverbot und „Residenzpflicht" belegt, müssen mitunter Jahrzehnte in Lagern wohnen und erhalten gekürzte Sozialleistungen. Sie sind zu einem Vegetieren außerhalb der Gesellschaft verdammt, ohne Chancen und Perspektiven.
Repression gegen kurdische linke Gruppen auf der Grundlage des PKK-Verbotes geht unvermindert weiter
Nur ein aktuelles Beispiel dafür ist der Fall von Deniz. Ihm wird vorgeworfen, für die PKK in Deutschland politisch aktiv gewesen zu sein. Deshalb sieht ihn der deutsche Staat als Gefahr an und hat ihn im August 2013 für 10 Jahre aus Deutschland ausgewiesen (nach § 54 Aufenthaltsgesetz). Grundlage hierfür ist allein die Listung der PKK als "Terrororganisation" durch die EU. Deniz ist weder vorbestraft noch wegen einer Straftat angeklagt. Er ist jetzt 33 Jahre alt, lebt seit 10 Jahren in Deutschland und hatte 2005 politisches Asyl bekommen. Da die Ausweisung nicht vollstreckt werden kann, muss er in einem Flüchtlingslager bei Rösrath leben, sich täglich bei der Polizei melden und hat im Rheinisch Bergischen Kreis Residenzpflicht: „Da mir derzeit die Möglichkeit Ihrer Entfernung aus dem Bundesgebiet nicht gegeben ist, schöpfe ich alle mir vom Gesetzgeber gegebenen Mittel aus, die von Ihnen ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit so gering wie möglich zu halten." (Bescheid der Ausländerbehörde Bergisch-Gladbach). Deniz wurde das Recht auf freie politische Betätigung genommen. So durfte er wegen der Residenzpflicht nicht an den Mahnwachen zur Verteidigung von Kobani in Köln teilnehmen. Seine Situation hat ihn körperlich und seelisch schwer geschädigt. Direkt vor der IMK findet nun die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Köln über die Repression gegen Deniz statt. Es wird für Dienstag, den 2. Dezember, pünktlich um 10:30 zum solidarischen Prozessbesuch aufgerufen.
Die erneute Verschärfung des Asylrechts und das Verfahren gegen Deniz sind dabei für das Protestbündnis nur zwei Punkte aus einer "fast endlos erweiterbaren Liste von vermeintlichen Einzelfällen", die beweisen, dass "die deutschen Innenminister zwar viel von Freiheit und Demokratie reden, aber damit stets nur die Freiheit einer Wirtschaftsordnung meinen, Menschen verwerten, kategorisieren und bei Widerstand unterdrücken zu können".
Höhepunkt der Proteste gegen die IMK wird eine bundesweite Demonstration sein, die am Samstag, den 6.12.2014 um 13 Uhr am Friesenplatz/Ring in Köln startet. Die Demonstration wird inzwischen bereits von einer Vielzahl verschiedener Gruppen, Parteien und Organisationen aus allen Spektren der radikalen Linken aus dem gesamten Bundesgebiet unterstützt. Aus verschiedenen Städten gibt es organisierte Busanreisen. Insgesamt werden für die Demonstration über 5000 Teilnehmer_innen erwartet. Alle weiteren Informationen zu der Demo und den sonstigen Gegenprotesten sind auf der Seite des Bündnisses zu finden
Auch die bürgerliche Presse bringt sich unter dem Titel "Angst vor Chaos" schon in Stellung und befürchtet aufgrund der angekündigten Proteste einen "Verkehrsgau an Nikolaus"