Mumia Abu-Jamal bekommt Recht auf neuen Revisionsprozeß zugesprochen
Am 27. Dezember 2018 gab es nach knapp zwei Jahren juristischer Anhörungen endlich eine Entscheidung von Revisionskontrollrichter Tucker auf den Antrag von Mumia Abu-Jamal, seinen Revisionsprozeß zu wiederholen. Das ist das erste Mal seit dem manipulierten Verfahren von 1982 , dass der gefangene Journalist berechtigte Zweifel nicht nur bei seiner Verurteilung (vormals Todesstrafe, jetzt "abgemildert" in lebenslang ohne Möglichkeit der Entlassung) sondern auch an seinem Schuldspruch vor einem US Gericht geltend machen konnte. Mumia sitzt seit knapp 37 (!) Jahren in Haft und kann nun eine inhaltliche Prüfung der Umstände vor dem Pennsylvania Supreme Court (PASC) beantragen, die zu seiner ursprünglichen Verurteilung führten. Genau diese Auseinandersetzung wurde über Jahrzehnte quer durch alle gerichtlichen Instanzen der USA unterdrückt, denn alle Verfahrensbeteiligten wissen, dass die 1982 erfolgten inhaltlichen Manipulationen unter den Augen einer länderübergreifenden Öffentlichkeit so nicht mehr möglich sein werden. Allerdings gibt es davo noch ein Hindernis: der als "progressiv" beschriebene Bezirksstaatsanwalt Larry Krasner, erfolgereicher Kandidat mit Unterstützung von Black Lives Matter, Decarcerate PA u.v.a. Strafrechtsreformer*innen hat angekündigt, eine Berufung gegen diese Entscheidung zu prüfen. Hierfür hat er nun 30 Tage Zeit.
Am Abend nach der Gerichtsentscheidung versammelten sich umgehend Unterstützer*innen von Mumia Abu-Jamal vor dem Büro der Bezirksstaatsanwaltschaft. Sie forderten Krasner unmissverständlich auf, jetzt endlich seine Blockadehaltung zu beenden, die er in Sachen Mumia von seinem Vorgänger*innen übernommen hatte, auch wenn er 2018 in anderen Bereichen des Strafrechts wirklich bahnbrechende Reformen eingeleitet hat ("Larry Krasner and the fight to break the cages" October 1, 2018). Fürden kommenden Samstag, den 5. Januar 2019 sind weitere Mumia-Soli-Kundgebungen in Philadelphia und Paris angekündigt.
In einem Interview mit dem alternativen Nachrichtensender Democracy Now ("A Path to Freedom? Journalist Mumia Abu-Jamal Wins Chance to Reargue Appeal in 1981 Police Killing" December 28, 2018) erklärte Mumias Genossin Johanna Fernandez ihr Verständnis für die schwierige Lage, in der sich der Staatsanwalt befinde. Zwar seien ihm zahlreiche positive Veränderungen im Zuge von Black Lives Matter gelungen, aber die Fraternal Order of Police (FOP) setze ihn in Mumias Fall extrem unter Druck, um mit allen Mitteln die Freilassung des afroamerikanischen Journalisten zu verhindern. So hatte sich Krasner ebenso wie sein unmittelbarer Vorgänger daran beteiligt, dem Gericht wichtige Akten von Ex-Staatsanwalt Ron Castille aus den 1980ern vorzuenthalten, mit denen dessen Rolle in Mumias früherem Revissionsporzeß von 1998 überprüft werden hätten können. Denn der damalige Revisionsrichter war die selbe Person, der zuvor die Anklagebehörde geleitet hatte: Ron Castille.
Revisionskontrollrichter Tucker schrieb in seiner Begründung (siehe beigefügte PDF): "Justice has to be just" (Gerechtigkeit muss gerecht sein). Denn wenn 1998 auch nur irgendein Zweifel an der Unabhängigkeit von Revisionsrichter Ron Castille bestanden habe, hätte er sich aus dem Verfahren zurück ziehen müssen. Castille war damals während seiner Kandidatur zum Richteramt nicht nur durch Wahlkampfreden aufgefallen, in denen er die Hinrichtung von verurteilten Polizistenmördern forderte. Er hatte dabei massive Untertützung in Form von Spenden und öffentlichen Empfehlungen der FOP erhalten. Die FOP hat sich mehrere Jahrzehnte für die Hinrichtung von Mumia eingesetzt und ist eine extrem rechte Polizei-Lobby-Organsiation. Castille war als vorheriger Bezirksstaatsanwalt auch Oberster Dienstherr genau der Behörde gewesen, die ab 1986 ernsthaft die Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal verfolgt hatte, auch wenn seine persönliche Rolle darin aufgrund illegaler Aktenvernichtung in den jüngsten Anhörungen nicht in allen Details nachgewiesen werden konnte. Es gab 1998 also massive Zweifel an der Unabhängigkeit von Richter Ron Castille, die selbiger ignorierte, um Mumia aburteilen zu können.
Johanna Fernandez zweifelte in dem erwähnten Democracy Now Interview an, dass der heutige Bezirksstaatsanwalt Krasner nach dieser Begründung überhaupt eine Berufungsgrundlage finden könne.
Wie der Philadelphia Inquirer am 27.12. jedoch in einem sehr tendenziösen Artikel feststellte, wurde der juristischen Argumentation von Mumias Verteidgung lediglich in Teilen bzw. anders als erwartet stattgegeben. So sah es Richter Tucker nicht als gegeben an, dass Castilles Einfluß auf Mumias Verfahren in den 1980ern als Staatsanwalt "maßgeblich" und "besonders" gewesen sei. Schliesslich habe es die Staatsanwaltschaft versäumt, die relevanten Akten vorzulegen. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte ein Mitgefangener von Mumia, Terrence 'Bitter' Williams jedoch genau das nachweisen können. Auch bei ihm hatte Castille als Ankläger und später als Richter in einer Person agiert und ihn in die Todeszelle gebracht. 2016 hob der Oberste Gerichtshof der USA (USSC) dieses skandalöse Urteil auf und ordnete ein neues Verfahren an, allderings mit den erwähnten Einschränkungen der "Maßgeblichkeit", dies seit dem als Präzendens angesehen werden. Revisionskontrollrichter Tucker hat am 27. Dezember 2018 fairer als seine Kolleg*innen am USSC geurteilt. Ob der "progressive Staatsanwalt" Krasner diese Lücke nutzt, um die repressive Linie gegen Mumia Abu-Jamal aufrecht zu erhalten, werden die nächsten 30 Tage zeigen, in denen seine Frist dafür läuft.
Unterstützer*innen von Mumia Abu-Jamal lassen jedoch keinen Zweifel an der Bedeutung des aktuellen Richterentscheids. Zum ersten Mal hat ein US Richter in dieser Auseinandersetzung anerkannt, dass der Schuldspruch von Mumia Abu-Jamal neu untersucht werden muss. In einem Artikel von WHYY ("Judge: Mumia Abu-Jamal can reargue appeal in 1981 Philly police slaying" December 27, 2018) zitierte Bobby Allyn: “This is the best opportunity we have had for Mumia’s freedom in decades.” (dt: Das ist die beste Gelegenheit für Mumias Freiheit seit Jahrzehnten.)
FREE MUMIA - Free Them ALL!
Ergänzungen
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