Prozessbericht: Moria-Verfahren wegen Landtagsaktion
Am 12. April 2023 fand am Amtsgericht Dresden eine Bußgeldverhandlung statt. Vorgeworfen wurde die Verletzung der Hausordnung eines gesetzgeberischen Organes. Denn am 14. September 2020 enterten ein paar Menschen das Foyer des Sächsischen Landtages, um auf den Brand des Elendslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos aufmerksam zu machen. An dem Morgen sollte im Landtag über die Aufnahme von 500 Geflüchteten von den griechischen Inseln abgestimmt werden. Wie kaum anders zu erwarten lehnte eine Mehrheit im Landtag den Antrag dazu ab, inklusive der Grünen und der SPD. Auf die Aktion kamen zuerst Anzeigen wegen Hausfriedensbruch, die aber schnell eingestellt wurden. Stattdessen folgten Bußgeldbescheide, welche nicht alle bezahlten. Auf mehrere Treffen der Beschuldigten hin, legten zwei Menschen Widerspruch auch gegen den Bußgeldbescheid ein. Somit kam es nun zu einer Verhandlung vor Gericht.
Auf unseren Aufruf hin kamen ca. 15 Menschen zum Prozess. Die Stimmung im Gerichtssaal war zu Beginn entsprechend gelöst und heiter. Der Mensch, der ebenfalls eine Woche später einen Verhandlungstermin in der gleichen Sache bekommen hatte, meldete sich zu Anfang des Prozesses und verlangte mit verhandelt zu werden. Leider war an der Stelle kein Blumentopf zu gewinnen. Auf diese und andere Anmerkungen zum Verlauf des Prozesses reagierte Richter Meißner mit der rigiden Androhung von Ordnungsgeldern.
„Wer hat denn nun die Identitätsfeststellung gemacht?“
Fünf Zeug*innen waren geladen um Richter Meißner Klarheit über die Sachlage zu verschaffen. Den interessierte vor allem, wer denn von den anwesenden Polizist*innen die Identitätsfestellung der Demonstrierenden gemacht hatte. Die geladene Polizistin Nadine Wende (35) schob diese Verantwortung einfach auf „die Kollegen die dann noch dazu kamen“. Sie selbst hatte ja „nur“ die Einsatzleitung und musste später auch dringend weg zum Streifendienst. Sowohl die beiden Zeug*innen vom Hausordnungsassistenzdienst, als auch eine Sicherheitsangestellte konnten eine solche Situation nicht beschreiben. Da es vor Ort keine Erkennungsdienstliche Behandlung (ED) gab und die meisten Demonstrant*innen Perücken, Sonnenbrillen und Masken trugen, blieb unklar, ob die von der Polizei eingesammelten Persos auch zu den Personen gehörten, die später die Bußgeldbescheide bekamen. Wenigstens in diesem Punkt waren sich alle einig!
„Das war eine Hausbesetzung in mehreren Wellen!“
Unklarer waren sich die einzelnen Zeug*innen darüber wer die Demonstrierenden waren und was diese wollten. Auf die eine Zeugin wirkte die Gruppe wie eine ganz normale Besucher*innengruppe oder Schulklasse, die die Ausstellung besuchen wollte – für die andere waren sie ein Schreckensszenario. In drei Wellen, seien die Demonstranten eingedrungen und hätten versucht das Gebäude zu besetzen. Das geht natürlich nicht, da das in ihrer heiß geliebten Hausordnung leider nicht geregelt ist. Außerdem sei „die freie Meinungsäußerung im Landtag verboten“. Dementsprechend hat die pflichtbewusste Angestellte auch die Türen verriegelt und die Polizei gerufen. Das die Gruppe keine normale Besucher*innengruppe sei, hätte sie auch an der Kleidung und dem Verhalten erkannt. Beide entsprachen nicht der „Würde des Landtages“. Was diese Würde ist und wie sie über Kleidung auszudrücken ist, entscheidet auch eben jene Zeugin täglich bei ihrer Arbeit am Empfang des Landtages.
Um den seltsamen Sprachgebrauch des Hausordnungsassistenzdienst bzgl „Wellen“ und „nach innen“ drücken unter die Lupe zu nehmen, stellte die Beschuldigte selbst einige Fragen. Ihr seien die beiden Gruppen aus einmal drei und einmal 6 Menschen eben so vorgekommen. Dabei stellte sich außerdem heraus, dass der HO-Dienst aus unbekannter Quelle über den Landtagspräsidenten bereits über eine mögliche Demonstration am Morgen informiert war.
„Ich weiß auch nicht, was die Kollegen da gemacht haben“
Nach einer kurzen Pause mit einem Rechtsgespräch zwischen Anwalt, Verwaltungsbehörde und Richter wurde noch ein Zeuge von der Polizei angehört. Konrad Knöfel (35) wird häufiger vor Gericht geladen, denn er macht oft die Videoauswertungen für den Technischen Dienst des LKA Dezernat 5. In diesem Fall waren es die Videos von den Überwachungskameras des Landtages. Was wirklich brauchbares konnte der Videoexperte auch nicht vorweisen. Während seiner Aussage war er auch mehr damit beschäftigt seine Kolleg*innen für ihre schlechte Arbeit zu rügen. Was für ein Kollegenschwein.
Letztendlich konnte niemand der Zeug*innen irgendwas zur Identitätsfeststellung sagen. Somit wurde das Verfahren nach §47 Abs. 2 OwiG eingestellt. Statt der 80€ Bußgeld muss nun das Gericht für alle Kosten des Verfahrens aufkommen! Was für eine Freude.
Bei diesem kleinen Verfahren wurde mal wieder deutlich, dass es sich durch aus lohnen kann, Bußgelder und Strafbefehle nicht einfach anzunehmen – sondern Widerspruch einzulegen! Aufgrund der Einstellung kam es nicht mehr zur Verlesung der Prozesserklärung der Beschuldigten. Die reichen wir hiermit nach:
https://ea-dresden.site36.net/prozesserklaerung-im-bussgeldverfahren-am-...
Presse dazu: https://www.addn.me/news/protest-fuer-die-evakuierung-morias-verfahren-eingestellt/