Acht Thesen zu einer selbstverschuldeten Niederlage

Regionen: 

 

Teil I.3. eines Gesprächs von Achim Schill mit Detlef Georgia Schulze

 

aus Anlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

 

in Sachen „linksunten.indymedia“

 

 

 

Gegen Ende des zweiten Teils unseres Gesprächs hatten wir angekündigt, diesmal über folgende Frage zu sprechen: „Haben […] nicht auch LeserInnen und AutorInnen von linksunten durch das Verbot des HerausgeberInnenkreises einen Schaden?“

 

Da die ersten beiden Teile mit zusammen fast 40 Seiten recht lang geworden sind, haben wir uns überlegt, zunächst einmal eine möglichst knappe Zusammenfassung einzuschieben.

 

 

Detlef Georgia fasst seine/ihre Kritik in äußerster Komprimierung in folgenden acht Thesen zusammen:

 

 

 

 

These 1: Es mangelte an einer expliziten Reaktion des alten BetreiberInnenkreises (S. 15, insb. FN 28 der Gesamtdatei).

 

a) Wegen des Hin und Hers unmittelbar nach dem Verbot fehlte eine klare politi­sche Orientierung.

 

b) Auch später gab es keine klare politische Ansage seitens des alten Betreibe­rInnenkreises.

 

These 2: Das juristische Vorgehen der VerbotsadressatInnen war von einem Wi­derspruch zwischen dem Wunsch, (offensiv) Klage gegen das Verbot zu erheben, und dem Wunsch, (defensiv) die strafrechtlichen Risiken zu minimieren, ge­kennzeichnet (S. 17 - 18; vgl. auch schon Seite 12 - 14 [zu „defensiv“ und „offensiv“]).

 

These 3: Die Weite des vereinsgesetzlichen Vereins-Begriffs wurde ignoriert – und dadurch die Bedrohlichkeit/Durchsetzbarkeit des Verbotes unterschätzt (S. 20 - 22).

 

These 4: Das Verbot wurde als persönliches Wahlkampfmanöver de Maizières verharmlost und so auf die leichte Schulter genommen (S. 42 mit FN 68).

 

These 5: Es wurde auf die BMI-These vom „[e]rste[n] Verbot einer linksextremis­tischen Vereinigung“ hereingefallen (S. 42 f.).

 

These 6: Der Versuch die ursprüngliche innenministerielle Gleichsetzung von Medium und Mediums-HerausgeberInnen zu übernehmen und nur die rechtliche Bewertung umzukehren, war ein Fehler (S. 10 - 12, 27 und 43 - 46; vgl. auch S. 8 f.).

 

a) Es wurde versucht, die ursprüngliche innenministerielle Gleichsetzung von Medium und Mediums-HerausgeberInnen beizubehalten, aber mit einer umge­kehrten rechtlichen Bewertung zu versehen (S. 43 f. mit FN 74, S. 47 f. und S. 69 mit FN 8).

 

b) Dadurch, dass der Unterschied zwischen Medium und Mediums-Herausgebe­rInnen von den AnwältInnen der VerbotsadressatInnen (genauso wie ursprünglich vom BMI [bei FN 48 auf S. 27]) verdrängt / ignoriert wurde, entstand eine Unfähigkeit oder ein Unwillen, auszunutzen, dass das Bundesverwaltungsgericht dann den Unterschied zwischen Medium und Mediums-HerausgeberInnen anerkannte (bei FN 49 auf S. 27).

 

These 7: Die bürgerrechtlichen bis linksradikalen Reaktionen auf das ‚linksunten-Verbot‘ waren von einem völlig undurchdachten Vorgehen geprägt:

  • S. 16: „kein reflektiertes Verhältnis zur Rechtsordnung“;
  • S. 18: Widersprüche in der Wirklichkeit seien ignoriert worden bzw. versucht worden, sie voluntaristisch zu überspringen;
  • S. 12 (FN 23): „Kritik am BVerwG-Urteil, ohne es gelesen zu haben?“ / „Schummeln hilft nicht, wenn es sofort zu bemerken ist!“; S. 19: „Es wurde ‚nicht substantiiert‘ vorgetragen“; S. 24: „haben zu diesem Punkt ‚nicht substantiiert‘ vorgetragen“; S. 31: „wurde versäumt …, substantiell anzugreifen“.
  • S. 65 [Nr. 2. a) und b)].
  • S. 71: „Es fehlt das Argument für die vorgenommene rechtliche Bewertung!“

 

These 8: Deshalb war die linke Niederlage in der Auseinandersetzung in erster Linie selbstverschuldet (S. 29: „Dass es so kommen wird, war bereits bei Einreichung der Verfassungsbeschwerden absehbar“).

 

 

Diese acht Thesen werden im .pdf-Anhang Teil_I-3_separat.pdf etwas genauer erläutert.

 

 

 


 

 

 

Außerdem beantwortet dg in Teil I. 3. meine folgenden beiden Fragen:

 

 

Sind Dir Deine ganzen Kritikpunkte jetzt auch erst im Nachhinein eingefallen? Oder war Dir das alles von vornherein klar und Du hast die Betroffenen ins Offene Messer laufen lassen, um anschließend den/die OberlehrerIn geben zu können? Oder hattest Du frühzeitig vor dem eingeschlagenen taktischen Pfad gewarnt?

 

 

Was könnte denn Deiner Meinung nach in der jetzigen Situation juristisch (und politisch?) noch getan werden, um doch noch irgendwie mit einem blauen Auge aus dem Schlamassel rauszukommen?

 

 


 

 

Des weiteren fügen wir eine Synopse bei, die die Presseerklärung der AnwältInnen der VerbotsadressatInnen zu der kürzlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen „linksunten“ mit der Kritik von dg vergleicht.

 

 

Außerdem gibt es bei labournet.de eine weitere Synopse; diese vergleicht einen Kommentar von Armin Kammrad (vom 11. März 2023) zu der Verfassungsgerichts-Entscheidung mit der Kritik von dg: https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2023/03/Antwort_an_Kammrad.pdf.

 

 

 

Schließlich fügen wir in der Datei Schill_interviewt_Schulze_T_I-1_-_T_I-3.pdf die bisherigen Teile I.1. und 1.2. sowie den neuen Teil I.3. und die Synopse zu einem fortlaufenden Text zusammen.

 

 

 


 

 

 

Die schon angekündigte Fortsetzung zur Frage, „Haben […] nicht auch LeserInnen und AutorInnen von linksunten durch das Verbot des HerausgeberInnenkreises einen Schaden?“, werden wir demnächst als Teil II. nachliefern. Dieser wird dann unter der Überschrift von der „Kritik zur Selbstkritik?“ stehen.

Bilder: 
webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen