Die Rolle der Presse im Fall Isa
Am 11. März 2018 kam es zu einem Vorfall, wie er sich täglich sicher häufiger in Berlin ereignet: Ein Betrunkener fing einen Streit an, in dessen Verlauf er Bekanntschaft mit dem Asphalt machte. Über das Konstrukt, welches der Staatsschutz an dieser Auseinandersetzung aufzog, ist schon einiges geschrieben worden, hier soll es um die Funktion der Presse dabei gehen.
Als Isa dann am 29. März festgenommen wurde, erzeugte das eine erhebliche mediale Resonanz. Einig waren sich die Schreiberlinge der Zeitungen in dem Beifall für diesen Polizeieinsatz, stellten aber rhetorische Fragen nach den Gründen für 350 Bullen plus Hubschrauber für eine Verhaftung. Und sie gaben die Antworten gleich selber: gefährlich seien sie, die Bewohner*innen der Rigaer94 und Isa ein kiezbekannter Schläger.
Dann lieferten die Medien Zitate aus Ermittlungsakten des Staatsschutz, die zu diesem Zeitpunkt dem Verteidiger von Isa noch nicht vorlagen. Hans H. Nibbrig und Alexander Dinger waren für die Berliner Morgenpost als Embedded Journalists in die LKA Operation involviert und schrieben:
„Der festgenommene 41-Jährige gehört nach Erkenntnissen des Staatsschutzes nicht zum harten Kern der linksextremen Szene, sympathisiert aber mit ihm. Durch politische Aktionen ist der bereits polizeibekannte Mann bislang nicht in Erscheinung getreten, vielmehr scheint er nach Erkenntnissen der Ermittler als eine Art Ein-Mann-Sicherheitsdienst vor dem vor allem von Autonomen bewohnten Haus Rigaer Straße 94 zu agieren.“
Andreas Kopietz konnte für Berliner Kurier und Berliner Zeitung berichten,
„Das Großaufgebot der Polizei hatte um 8.30 Uhr einen Haftbefehl gegen einen kiezbekannten Schläger vollstreckt. Er war in der Vergangenheit immer wieder durch Gewalttaten aufgefallen. Der Mann mit polnischen Wurzeln soll am 11. März 2018 vor der Bäckerei gegenüber des Wohnhauses aus einem nichtigen Grund einen 54-jährigen Passanten brutal zusammengeschlagen haben. Das Opfer hatte eine Bemerkung zu dem Hund des Schlägers gemacht, nachdem das Tier auf den Fußgänger losgegangen war. Daraufhin soll der 41-Jährige ausgerastet sein. “Er schlug so heftig auf seinen Gegenüber ein, dass dieser mit mehreren Knochenbrüchen ins Krankenhaus kam”, sagt Polizeisprecherin Kerstin Ismer. Der Mann gilt aufgrund seiner Unberechenbarkeit seit Monaten als gefährlich. Anwohner aus der Liebigstraße hatten sich bei der Polizei gemeldet, weil sie sich nicht mehr sicher fühlten.“
Der berüchtigte Staatsschutzjournalist Jörn Hasselmann gibt im Auftrag des LKA die gleiche Version im Tagesspiegel wieder:
„Die Staatsanwaltschaft wirft dem – auch zuvor schon polizeibekannten Mann – zwei Gewalttaten vor: Am 11. März soll er einen 54-Jährigen verprügelt haben. Der Anlass des Streits soll banal gewesen sein: Das Opfer wollte den Hund des 41-Jährigen streicheln. Dieser soll daraufhin so massiv zugeschlagen und dann auf den am Boden liegenden eingetreten haben, dass der 54-Jährige mehrere Knochenbrüche erlitt. Dem Vernehmen nach fungiert der gebürtige Pole als eine Art Türsteher der Rigaer 94, er soll mit Knüppel bewaffnet dort patrouillieren. Er gehöre nicht zum harten Kern der linksradikalen Szene sondern sieht sich als Unterstützer. Bei Bewohnern normaler Häuser im Kiez soll der Mann gefürchtet sein.“
So schreibt der gleiche Jörn Hasselmann, der auf Twitter ganz unverhohlen nach einem tödlichen Polizeieinsatz gegen “kriminelle Ausländer” hetzt.
Als am 3. Juli der Prozess gegen Isa beginnt, ist das Medieninteresse noch groß. Für die Berliner Zeitung ein willkommener Anlass nochmal das wichtigste den Leser*innen zu erklären.
Nach drei Prozesstagen bleiben die Pressebänke im Hochsicherheitssaal leer, das Verfahren läuft nicht wie geplant. Keiner der bis jetzt gehörten Zeugen hat Schläge und Tritte von Isa gegen den Betrunkenen gesehen, der seinen Hund angegriffen hat. Lediglich Bullen kannten Isa vor dem 11. März – wegen Beleidigung und Bedrohung. Der „kiezbekannte Schläger“ wurde niemals mit einem Knüppel patrouillierend gesehen. Seine Türsteherfunktion in der Rigaer94 eine Erfindung. Lediglich ein Vorwurf, den Presse und Zeug*innen gegen Isa erheben, trifft zu. Er ist in Polen geboren, in Berlin nicht gerade eine Seltenheit.
Jetzt, wo langsam die Umstände des Verfahrens klar werden, ist die Presse verschwunden. Dabei könnte sie vielleicht einiges zur Entstehung des Konstruktes sagen. Wer hat zuerst die Version von den Schlägen und Tritten gegen den Betrunkenen durch Isa am 11. März in die Welt gesetzt? Dutzendfach als Zeugenaufruf der Polizei plakatiert und ständig als Aussage von Sprecherinnen von Justiz und Polizei zitiert.
In den Kommentarspalten der Zeitungen und auf twitter zeigt sich die Wirkung dieser Berichterstattung. Auf jede derartige Meldung häufen sich Vernichtungsphantasien und Drohungen gegen die Rigaer94 und gegen Isa selbst. Die Presse ist somit als Teil des Repressionsapparates zu verstehen, ein Sprachrohr der Bullen und des Innensenators. Für Friedrichshain bietet es sich daher an, bestimmte Vertreter*innen der Medien genauso abzuwehren wie Bullen und Nazis, ohne dabei dem generellen Feindbild einer vermeintlichen “Lügenpresse” zu erliegen. Der von Kopietz, Hasselmann und anderen herbeigesehnte Anschlag eines durchgeknallten Einzeltäters, eines Bürgermobs oder einer staatlichen Todesschwadron gegen unsere Strukturen, wird eine Antwort finden, wenn es denn eintritt. Gleichzeitig sind eigene Möglichkeiten der Gegeninformation noch ausbaufähig. Auch zukünftige Soligruppen werden, wenn sie nicht nur die Hetze der Presse beklagen wollen, den schmalen Grat zwischen notwendiger Verbreitung von Fakten und Unschuldskampagne finden müssen.
Denn auch wenn der Staatsschutztraum vom Kiezschläger Isa geplatzt ist, bereiten sie bereits ihre nächste Stimmungsmache vor. Jetzt sind es Schützenvereine, die von Berliner “Linksextremisten” unterwandert werden, schreibt der seit vielen Jahren für Behörden tätige Staatsschutzjournalist Josef Hufelschulte. Über diese Zusammenarbeit gibt es immerhin etwas von Wikileaks .
Der Prozess gegen Isa wird fortgesetzt am Montag, 13. August, 09:00 im Kriminalgericht Moabit, Saal 500 oder B 129.
mehr Infos immer hier https://verfahrengebiet.noblogs.org/
Ergänzungen
Man kann zu den Menschen der
Man kann zu den Menschen der „Rigaer“ ja stehen wie man will, auch ich würde den Weg den diese gehen, eher nicht als zielführend bezüglich der Erkämpfung einer fortschrittlichen Gesellschaftsordnung sehen, aber über Wege dahin lässt sich natürlich auch trefflich streiten.
Diese Menschen legen aber offensichtlich eine Haltung an den Tag, welche den kapitalistischen Staatsapparat und insbesondere seinen direkten Unterdrückungsapparat nervös machen und zu den übelsten Machenschaften und Vorgehensweisen anspornen, auch keine neue Erfahrung.
Das interessanteste dabei, das findet über die Jahre unter sehr unterschiedlichen Regierungskonstellationen statt. Es muss da wohl eine starke Gemeinsamkeit über die Parteigrenzen hinweg, von ganz rechts bis vorgeblich links geben, zumindest bei den Organisationen, welche kein Problem damit haben, den kapitalistischen Staatsapparat zu stärken und ihn am Laufen zu halten.
Solch verbissene und fanatische Verfolgung haben in diesem Staat aber in der Regel nur Menschen zu befürchten, welche fortschrittliche Ziele propagieren und verfolgen. Wie man unzweifelhaft selbst an den nur teilweise ans Tageslicht gebrachten Abläufen um dieses feige Nazi-NSU-Mordgesindel erkennen kann, solche Elemente werden denn doch eher gehätschelt und getätschelt.
Und auch in der NSU-Frage tritt die gleiche Kumpanei auf, wie oben beschrieben. Die Verfilzung der Geheimdienste in die Nazi-Serienmorde wird denn doch lieber nicht so genau beleuchtet. Nicht mal in einem Bundesland, in dem ein Vertreter der Linkspartei den Ministerpräsidenten stellt und dessen Geheimdienste besonders rührig waren im schreddern von Unterlagen über entsprechende Verbindungen.
Und selbstverständlich spielen erhebliche Teile der Medien dabei ihre Rolle, da überlässt diese „Demokratie“ natürlich nichts dem Zufall.
Spreepicture
Etwas am Thema vorbei, aber hier mal ein Beispiel aus dieser Woche: Keine Hemmungen gibts auch bei der B.Z. Fotoagentur Spreepicture Leute in Notlagen abzulichten und zu verkaufen. Foto zeigt Mieter in Unterwäsche mit Athemschutzmaske bei der Evakuierung aus Wohnung (Unkenntlichmachung für Indymedia). Bis auf eine Unterhose unbekleidet. Wer wünscht sich nicht beim Wohnhausbrand vor der Haustür noch vom Blitzlichtgewitter empfangen zu werden? Danksagungen können bei dem nächsten Großeinsatz direkt an das Spreepicture-Kamerateam gerichtet werden, zu erkennen sind die Kameraleute mit ihren Campdavid-Klamotten im Smalltalk mit Bullen eigendlich gut.