Bericht vom 31. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 03.02.22.
+++ Der Prozess fällt diese Woche (09.02. und 10.02.22) aus +++
Am 31. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren wurde erneut die DNA-Sachverständige des LKA Sachsen, Dr. Winzi, gehört, einige Inaugenscheinnahmen und Verlesungen in Bezug auf den Tatkomplex Eisenach II verfügt oder angekündigt und ein Widerspruch bezüglich der Einführung von Audiodateien aus der Innenraumüberwachung durch die Verteidigung vorgebracht. Zudem wurde erneut der Polizeizeuge der Soko LinX, Johannes Junghanß, zu seiner fragwürdigen Identifizierung eines Angeklagten und eines Beschuldigten gehört.
Zu Beginn des Verhandlungstags nahm die Verteidigung Stellung zu dem am Vortag geäußerten Vorwurf des Vorsitzenden Schlüter-Staats, die Verteidigung hätte Dokumente an die Presse durchgestochen. Er bezog sich hierbei auf einen Spiegel-Artikel, in dem ein Dokument veröffentlicht worden sei, welches nachweist, dass ein Mitarbeitender der Soko LinX selbst auf internen Schreiben keinen Vornamen nutzen würde. Dieses Schreiben stammt jedoch nicht aus den Akten dieses Verfahrens, was der Vorsitzende offensichtlich vor den Anschuldigungen gegen die Verteidigung nicht prüfte. Es handelt sich um ein Schreiben aus einem anderen Ermittlungsverfahren, was den Vorsitzenden erneut nicht dazu brachte, sich bei der Verteidigung zu entschuldigen, sondern in einer Kritik an dem polizeikritischen Investigativ-Journalisten Aiko Kempen mündete.
Hiernach nahm die Oberstaatsanwältin der Bundesanwaltschaft, Alexandra Geilhorn, Stellung zu dem Widerspruch gegen die Einführung der Dokumente eines durchsuchten Autos im Tatkomplex Eisenach II. Die Verteidigung stellte am Vortag heraus, dass die Maßnahme rechtswidrig war und daher ein Beweisverwertungsverbot gilt. Frau Geilhorn meinte, dass Auto wäre sichergestellt worden und ein Durchsuchungsbeschluss wäre zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nötig gewesen, schloss sich also den Aussagen des Vorsitzenden vom Vortag an.
Im Anschluss betrat die Sachverständige Dr. Winzi den Saal und die Befragung vom 27. Prozesstag wurde fortgesetzt. Es ging erneut um die Frage, welche Gewichtung der Einschlusswahrscheinlichkeit zugestanden werden kann, die sie in der letzten Vernehmung in Bezug auf die vorliegende Mischspur im Tatkomplex Böhm benannte. Dr. Winzi sagte aus, dass es sich nur um eine statistische Wahrscheinlichkeit handeln würde, welche keinen Tatzusammenhang berücksichtige, weder die DNA des Geschädigten, noch die Signalstärken oder die Reproduzierbarkeit des DNA Materials. Der Vorsitzende wollte trotz dessen wissen, warum die Einschlusswahrscheinlichkeit nicht im Gutachten angegeben worden sei, was die Sachverständige mit oben genannten Angaben begründete und erneut deutlich machte, dass die Einschlusswahrscheinlichkeit bei Berücksichtigung der Signalstärken sinken würde, die Ausschlusswahrscheinlichkeit sei viel wichtiger.
Dann ging es um die für eine Untersuchung notwendige Menge an DNA-Material, welche der Beisitzer ausgerechnet habe und zu dem Schluss gekommen sei, diese wäre vorhanden gewesen, was die Sachverständige bestätigte.
Die Verteidigung stellte anschließend einige Fragen zur Degradation der Spuren, welche Dr. Winzi laut eigener Aussage nicht geprüft habe. Sie könne auch keine Angabe für eine Inhibition, den Einfluss anderer Stoffe auf die DNA, machen. Die für beides notwendigen RFU-Werte lägen nicht vor, diese müsse sie nachreichen. Ein Absinken der RFU-Werte würde jedoch, wie Dr. Winzi auf Nachfrage der Verteidigung bestätigte, auf eine Inhibition hinweisen. Zudem wurde erläutert: je stärker der Unterschied in der Höhe der Peaks auftrete, desto stärker sei die Inhibition, die Degradation der Spur könne also auch anhand dessen gemessen werden. Dies sei bei Mischspuren jedoch schwierig, da sich Merkmale überlagern können. Es wäre auch nicht möglich zu differenzieren, wessen DNA in einer Mischspur degradiert sein könnte.
Während dieser Befragung betrat der Nebenklageanwalt Manuel Tripp mit einer Stunde Verspätung den Saal.
RA Aufurth legte sodann eine Tabelle vor, die Anzeichen der Degradation der Mischspur belegt. Diese Tabelle wurde für alle Beteiligten ausgedruckt, jedoch nicht für die Zuschauenden sichtbar gemacht. Die Verteidigung hat hierzu die Werte aus den drei DNA-Kits übernommen und einen erheblichen Abfall der RFU-Werte verdeutlicht. Ob dies ein Anzeichen für Degradation sei, könne man bei einer Mischspur nicht so sagen, meinte die Sachverständige. Auf die Frage nach Vorgaben zur Bewertung der Degradation antwortete sie, es gäbe im Labor keine derartigen Vorgaben, das würden die Sachverständigen individuell beurteilen. Schließlich sagte sie, eine Degradation sei nicht auszuschließen. Der Vorsitzende deutete diese Aussage um, indem er meinte, sie sei nicht auszuschließen beudete ja nicht, dass eine Degradation vorliege. Er hatte Schwierigkeiten, der vorliegenden Tabelle von RA Aufurth zu folgen und musste zur Erklärung unterbrechen.
Auf die Mischspur bezogen, stellte die Verteidigung heraus, dass die Signalstärken in manchen Kits sehr niedrig sind. Die Sachverständige erwiderte, dass sie sich auf die Reproduzierbarkeit konzentriert habe.
Der Vorsitzende fragte, welche Ursachen für Degradation es gäbe und die Sachverständige nannte einige, wie beispielsweise hohe UV-Einstrahlung oder Feuchtigkeit. Daraufhin wollte er wissen, ob die Umstände, unter denen die Spur gefunden worden sei, eine Degradation befördert hätten. Die Verteidigung beanstandete die Frage, da niemand Kenntnis der tatsächlich Umstände hat. Der Vorsitzende erwiderte, die Frage sei nicht unzulässig, da einige Umstände bekannt seien, der Spurenträger habe ohne UV-Einstrahlung unter einem Auto gelegen und es wäre nicht besonders nass gewesen. Die Verteidigung hielt dagegen, dass niemand wisse, wie hoch die Luftfeuchtigkeit gewesen ist, wie lang die Tüte dort gelegen hat, wann welche Spur darauf kam, welchen Einfluss die Umtütung durch die Spurensicherung hatte und ob der eingesetzte Spürhund nicht auch eine Bedeutung hat, etc. Die Sachverständige erklärte, DNA habe keinen Zeitstempel und wenn nur der Umstand, nicht feucht und keine UV-Einstrahlung, berücksichtigt würde, wäre eine Degradation unwahrscheinlich.
Danach stellte einer der Angeklagten mathematische Fragen zur Berechnung der Einschluss- und Ausschlusswahrscheinlichkeit. Die Sachverständige konnte diese Fragen nicht beantworten, da sie für diese Berechnungen ein Programm nutze und die Formeln nicht entwickelt habe, die Spurenkommission jedoch dieses Programm empfehlen würde. Frau Geilhorn wendete auch ein, dass die Sachverständige nicht für mathematische Fragen vor Ort sei.
Die Sachverständige konnte sich aber zur Erhebung der Daten äußern. Sie meinte, es würden nur nicht-kodierte System-Bereiche für die Berechnung genutzt und keine kodierten Merkmale, welche beispielsweise phänotypische Merkmale repräsentieren, da in diesem Fall eine Wahrscheinlichkeit, dass sich Systeme gegenseitig bedingen, steigen würde. Wenn zum Beispiel ein Merkmal „blondes Haar“ wäre, wären „blaue Augen“ wahrscheinlicher als braune.
Die Verteidigung zitiert weiter aus einer Zeitschrift für Jurist:innen, in der es unter anderem heisst, dass ein Mensch täglich 50 Millionen Hautzellen verliert. Eine Sekundärübertragung sei immer möglich. Auf die Frage, ob es eine Ausschlussmöglichkeit für Kontamination gibt, verneinte die Sachverständige. Hiernach ging es um die Möglichkeiten, Kontamination zu verringern, durch desinfiziertes Einwegmaterial könne man das Risiko vermindern. Auf die Frage, ob sie die vorgeschriebenen vier Ringversuche jährlich durchführen würden, antwortete Dr. Winzi, dass nur einer im Jahr angeboten würde.
Dr. Winzi sei seit 2017 beim LKA beschäftigt und kenne das „Phantom von Heilbronn“, wo über einen längeren Zeitraum an diversen Tatorten die DNA-Spur einer unbekannten weiblichen Person gefunden worden sei. Später stellte sich heraus, dass diese Person keine Tatverdächtige sei, sondern die Wattepads in einem nicht sterilen Bereich hergestellt hätte. Diesbezüglich hätten sich die Standards und Prüfungen für das verwendete Material geändert.
In der Praxis gäbe es regelmäßig kontaminierte Spuren, da technische Mitarbeiter:innen oder die Spurensicherung ihre DNA auf den Spurenträgern hinterlasse. Hierzu gäbe es keine genauen Zahlen, es gäbe jedoch die Möglichkeit, die Spuren mit Referenz-DNA der oben genannten abzugleichen und damit die Kontamination zu entdecken.
Wenn jedoch mehrere Delikte parallel oder nacheinander bearbeitet werden, kann es auch zu Kontamination der Spuren kommen. Hierzu wurde ein Beispiel genannt, bei dem die DNA einer getöteten Obdachlosen auf der Tatwaffe eines Mordes, der nach ihrem Tod passiert ist, gefunden wurde. Würde es sich hier jedoch um die Spur einer möglichen tatverdächtigen Person handeln, würde sie auch als tatverdächtig gelten und es wäre nicht nachzuweisen, ob es nicht eine mögliche Übertragung im Labor gegeben habe, die nicht entdeckt werden würde.
Wenn die Kontamination unwahrscheinlich erscheint, wird sie geprüft und wahrscheinlich ausgeschlossen, sollte die Kontamination jedoch eine Spur betreffen, die auch in Tatzusammenhang stehen könnte, wird einer möglichen Kontamination nicht nachgegangen.
Während dieser Befragung wurde RA Nießing erneut mehrfach durch den Vorsitzenden unterbrochen und auch Frau Geilhorn meldete sich zu Wort. Die anderen Verteidiger:innen unterstützten RA Nießing in der Wahrnehmung seines Fragerechts und kritisierten den Vorsitzenden scharf für sein wiederholtes Verhalten. RA Nießing schloss mit der Frage, ob eine Kontamination einer tatverdächtigen Person mit Tatmitteln im System bekannt ist. Diese Frage wurde verneint, wovon die Verteidigung ausging.
Der Vorsitzende wollte noch wissen, ob die DNA der angeklagten Person parallel zum hier behandelten Spurenträger im Labor untersucht worden wäre, worauf die Sachverständige sagte, dass sie das nicht wisse.
Die Sitzung wurde für eine verkürzte Mittagspause von 45 Minuten unterbrochen.
Nach der Pause erfragte die Verteidigung noch Möglichkeiten eines Sekundär- bzw. Tertiärtransfers von DNA. Die Sachverständige erklärte einige simple Möglichkeiten anhand von Türklingen, wobei DNA einer Person auf eine andere und dann auf einen Gegenstand übertragen werden könnte. Es sei nicht möglich bei der Auswertung festzustellen, ob es sich um transferierte DNA handeln würde.
Im Anschluss kam RA Aufurth erneut auf die RFU-Werte und Peak-Höhen zurück. Bei der vorliegenden Spur wurden Werte hinzugezogen, die normalerweise rausfallen würden. Die Sachverständige verwies erneut auf die Reproduzierbarkeit und erklärte erneut das Phänomen der Vorpeaks und erläuterte anhand eines mitgebrachten Beispiels, wie sich niedrige Peaks erklären lassen könnten.
Im letzten Teil der Befragung kam die Verteidigung erneut zur Einschlusswahrscheinlichkeit zurück und erfragte die Optionen der Populationen, die abgefragt werden könnten. Die Sachverständige meinte, in der Regel würde die europäische Population als Voreinstellung dienen und auch meist verwendet. Der andere Sachverständige zur Sache, Dr. Lippold, gab jedoch an, dass er bei vorliegender Spur die deutsche Population zu Grunde legen würde.
Laut der Verteidigung sind in der entsprechenden Datei, die der Berechnung für die Einschlusswahrscheinlichkeit zugrunde liegt, nur 7000 Datensätze für die europäische Population und 662 für die deutsche hinterlegt. Das erschien alles sehr wenig Vergleichsmaterial, würde nach der Auffassung der Sachverständigen jedoch ausreichen.
Sie gab auf Nachfrage an, dass die Datensätze nicht aus der (DNA-Analyse-Datei) DAD stammen würden.
Damit wurde die Sachverständige für diesen Verhandlungstag verabschiedet, sie wird Anfang April erneut erscheinen.
Im Anschluss verfügte der Vorsitzende die Verlesung und Inaugenscheinnahme einiger Dokumente und Bilder im Zusammenhang mit dem Tatkomplex Eisenach II.
Zunächst wurde ein Aktenvermerk verlesen, in dem es um die Identifikation eines Fahrzeuges und der Insassen in der Tatnacht ging. Hierbei wurde eine Überwachungskamera eines Geschäfts in Eisenach ausgewertet und anhand des gefilmten Kennzeichens auch Blitzerfotos der Nacht angefordert.
Die fahrende Person wurde durch das BKA identifiziert, die beifahrende Person durch szenekundige Beamte des LKA 6 in Berlin und der Fahrzeughalter durch eine einfache Systemabfrage.
Hiernach wurde ein Fax des LKA 5 an den ermittlenden Staatsschützer aus Gotha, Morgenbeck, verlesen, indem sich KOK‘in Fabian auf die Aussage der szenekundigen Beamten des LKA 6 bezog und bestätigte, dass die fahrende Person nicht der Halter sei, zudem jedoch die beifahrende Person identifiziert werden konnte. Angehängt war der Identifizierungsbericht eines codierten szenekundigen Beamten, dessen Nummer der Vorsitzende nicht verlesen wollte, in dem dieser oben genannte Erkenntnisse beschrieb.
Dann folgte die Erkenntnismitteilung der KOK‘in Lilian Springer vom BKA an Morgenbeck, in dem zunächst mitgeteilt wurde, dass sie den Fahrer identifiziert hätten. Zudem wurden Einträge zu Delikten, die gegen ihn vorliegen würden oder vorliegen, verlesen, mit Ausnahme eines Delikts, welches hier laut Vorsitzendem nichts zur Sache tue.
Die entsprechenden Blitzerfotos, welche zur Identifizierung gedient haben sollen, wurden gezeigt.
Danach verfügte der Vorsitzende, Audioaufnahmen aus der Innenraumüberwachung abzuspielen.
Die Verteidigung widersprach sowohl der Einführung als auch der Verwertung eben dieser Aufnahmen und begründete dies umfassend.
Diese Daten wurden in einem anderen Verfahren nach § 129 erhoben und die Umwidmung ist rechtswidrig. Die Daten sind über einen Prüfvorgang ohne rechtliche Grundlage übermittelt worden. Insgesamt ist die Rechtmäßigkeit der Erhebung dieser Daten auch im Ursprungsverfahren fraglich. In der Erhebung der Daten im hiesigen Verfahren müsste jeder zuvor gemachte Schritt überprüft werden, was nicht erfolgte, womit die Verwendung der Daten nicht zulässig ist.
Zum Zeitpunkt der Übermittlung lag keine Katalogstraftat vor, diese wurde erst durch die Aufnahmen konstruiert. Die Konstruktion der Anklage nach § 129 im hiesigen Verfahren beruht ausschließlich auf einer angenommenen Koordinationsleistung bei den Taten sowie der politischen Einordnung. Die Taten an sich sind von geringfügiger oder mittlerer Schwere.
Frau Geilhorn erwiderte, dies sei keine neue Begründung und sie hätten das Thema schon intensiv diskutiert. Laut Ermittlungsvorschrift könnten durch eine Maßnahme, die an einen Verdacht geknüpft würde, die Daten aus jener Maßnahme in eine Prüfung einbezogen werden. Aus den Daten müsse nicht einmal der Verdacht auf eine Katalogstraftat hervorgehen.
Der Vorsitzende meinte, die Daten seien nicht in einem Prüfvorgang übermittelt worden, sondern im Frühjahr 2021 durch das LKA zu diesem Verfahren gelangt. Er würde eventuell heute oder zu einem anderen Zeitpunkt auf den Antrag eingehen.
Der Zeuge der Soko LinX, Johannes Junghanß, wurde in den Saal gebeten, um zur Stimmidentifizierung in 2 Fällen auszusagen.
Zunächst ging es um die angebliche Identifizierung einer angeklagten Person aus der Innenraumüberwachung. Hierzu gab der Zeuge an, in dem abgehörten Gespräch wurde zweimal ein Vorname genannt und er selbst hätte die Stimme der angeklagten Person beim Hören der Aufnahmen wiedererkannt, da er bei einer Hausdurchsuchung bei ihm anwesend gewesen sei.
Dort habe er die Person öfter sprechen gehört, unter anderem im Gespräch mit dem Anwalt.
Der Zeuge beschwerte sich, dass er wisse, dass Unterstellungen gegen ihn im Raum stünden, wollte jedoch nicht darauf eingehen, was er damit meine.
Er habe vor der Durchsuchung im November 2020 nichts von den Aufnahmen aus der Innenraumüberwachung gewusst.
Bei der zweiten angeblichen Identifizierung handele es sich seiner Meinung nach um eine beschuldigte Person in diesem Verfahren, die bereits in Haft gewesen sei. Deswegen habe er die Haftanstalt kontaktiert. Seine Begründung war nicht etwa, die beschuldigte Person zu belasten, sondern eine andere Person, der die Stimme, bzw. die Aussagen zuvor zugeordnet wurden, zu entlasten.
Junghanß habe die Anstaltsleitung kontaktiert und darum gebeten, dass sich Justizmitarbeitende bei ihm melden, die sich zutrauen würden, eben diese jetzt beschuldigte Person zu identifizieren.
Drei Justizmitarbeitende hätten sich daraufhin gemeldet, woraufhin er einen Termin mit ihnen vereinbarte.
Er dachte, dass durch drei Stimmen, die in der Aufnahme vorkämen, schon etwas offen gehalten wäre, wer die gesuchte Person sei, zudem habe er die Schließer:innen unterschiedlich vernommen, um hier zu zeigen, dass er auf unterschiedlichem Weg, zu demselben Ergebnis gelangt wäre. Die einen habe er zunächst zu dem ehemaligen Gefangenen befragt, bei der einzigen weiblichen Schließerin habe er relativ zu Beginn der Vernehmung das Audioprodukt anhören lassen. Die zwei Männer hätten mehr Kontakt zur beschuldigten Person gehabt, als die Frau und hätten schon beim Anhören der Aufnahme durch Gestik, Mimik und Nicken verdeutlicht, dass sie die Person zuweisen könnten.
Der Zeuge könne nicht mehr wiedergeben, welche Merkmale die Schließer:innen benannt hätten, die sie der beschuldigten Person zuordnen würden. Er nannte einige Merkmale, die so oder so ähnlich genannt worden sein könnten.
Die Verteidigung hakte nach, wie sich der Zeuge denn auf die heutige Vernehmung vorbereitet hätte. Dieser gab an, er habe sich auf die letzte Vernehmung, in der es schon hätte um die Stimmidentifizierung gehen sollen, vorbereitet, indem er erneut die Aufnahmen gehört hätte.
Er wäre mit seinem Kollegen Hartmann in der Justizvollzuganstalt gewesen und sie hätten dort eine klare Aufgabenverteilung gehabt, sein Kollege habe getippt und er selbst habe vernommen.
Auf die Frage, wie er an eben diese drei Schließer:innen gelangt sei, gab er an, er habe mit einem davon telefonisch einen Termin vereinbart und dieser wusste bereits, worum es gehen sollte. Er wurde wohl von der Anstaltsleitung informiert, welche Junghanß zuvor bereits darüber in Kenntniss gesetzt habe, dass es um das Abspielen von Audioprodukten zum Zweck der Indentifizierung ginge.
Junghanß sagte, es wäre ein zu weiter Weg gewesen, um auf gut Glück dorthin zu fahren und zu sehen, ob es Mitarbeitende gäbe, die ihm weiterhelfen könnten. Die Verteidigung wollte wissen, warum es nicht gereicht hätte, die Anstaltsleitung zu bitten, eben diese Mitarbeitenden ohne vorherige Namensnennung zu ermitteln und sie dann ohne entsprechende Vorkenntnis zu vernehmen. Diese Frage konnte der Zeuge nicht beantworten.
Auf die Frage, ob er noch wisse, wie sicher sich die Vernommenen bei der Identifizierung waren, sagte er, einer habe sich zu einhundert Prozent erinnert, ein anderer sei sich ziemlich sicher gewesen und die Frau wäre sich am unsichersten gewesen. In Zahlen könne er dies nicht ausdrücken, nach Vorhalt des Vernehmungsprotokoll wurde deutlich, dass es achtzig Prozent gewesen seien.
Er habe während der Vernehmung nicht notiert, an welchen Stellen des Audioprodukts die Vernommenen die Stimme erkannt hätten, er habe sich mit der bloßen Wiedererkennung zufrieden gegeben. Es habe keine Professionalität vorgelegen, er habe sich vorher nicht mit Stimmidentifizierung auseinandergesetzt und sei tatsächlich unbefangen in die Vernehmung gegangen.
Auf diese Aussage wurde von den Zuschauenden mit lautem Lachen reagiert, welches Frau Geilhorn sofort rügte.
In der Befragung wurde zudem deutlich, dass die Vernommenen nicht alle heraushören konnten, wie viele Personen gesprochen hätten, einer von ihnen gab nur zwei Sprechende an, ein anderer würde auf drei Personen tippen.
In der weiteren Befragung wurde die Verteidigung erneut vom Vorsitzenden unterbrochen und beanstandet, dass ein Vorhalt nicht vollständig gemacht worden wäre. Diese Art der Befragung ist laut Verteidigung zulässig, jeder Vorhalt ist demnach unvollständig, der Vorsitzende widersprach und verlas in seiner Begründung einen Teil des Vorhalts, den die Verteidigung bewusst noch nicht verlesen hatte und brachte sie so um ihre gewünschte Befragung.
Frau Geilhorn meldete sich zu Wort und meinte, sie müsse dem Vorsitzenden zustimmen, auch darauf folgte erneut Lachen aus den Reihen der Zuschauenden. Sie warf der Verteidigung vor, Fragen in einem vorwurfsvollen Ton zu stellen.
Der Senat zog sich daraufhin zurück, um den geforderten Beschluss für die Beanstandung zu fassen. Sie kündigten zwei Minuten an, waren jedoch nach zwanzig Sekunden wieder im Saal und verkündeten, dass die Beanstandung des Vorsitzenden berechtigt gewesen sei.
Die Verteidigung fragte weiter nach verschiedenen Merkmalen, die die Vernommenen benannt hätten, um die Stimme der beschuldigten Person zu identifizieren. Es stellte sich heraus, dass Junghanß nicht danach gefragt habe, wie sie die Merkmale wie beispielsweise Dialekt definieren würden und eben auch nicht, an welcher Stelle im Audio sie die Merkmale erkannt hätten.
Der Zeuge wurde gefragt, ob er schon einmal eine Lichtbildvorlage erstellt habe und ob er sich vorstellen könne, dass es ähnliche Vorgaben für eine Stimmidentifizierung geben würde, woraufhin Junghanß meinte, dabei handele es sich um unterschiedliche Maßnahmen, die er nicht vergleichen wolle. Die Verteidigung wies ihn darauf hin, dass er schon argumentiert hat, er habe versucht, über die drei Stimmen offen zu halten, welche Stimme zu identifizieren sei und die Vernehmung unterschiedlich durchgeführt habe.
Im Anschluss wurde er erneut zu der ersten angeblichen Identifizierung aufgrund der Hausdurchsuchung befragt. Er wurde erneut dazu befragt, wann er die Aufnahmen bekommen habe und inwiefern ihm dort schon der Name der angeklagten Person mitgeliefert wurde. Er könne sich nicht erinnern, ob in den Protokollen zu den Audioprodukten, die das BKA mitgeliefert habe, schon ein Name gestanden habe oder noch immer unbekannte männliche Person (umP).
Er habe zum ersten Mal im Januar 2021 von der Innenraumüberwachung gehört, Berichte anderer Kolleg:innen, die darauf Bezug nehmen würden und Namen nennen würden, habe er nicht gekannt. Er sei angewiesen worden, die Audioprodukte anzufordern und vermutet, dass diese Anweisung auch von seinem Vorgesetzten und ebenso Ermittler der Soko LinX, KHK Michael Baum, gekommen sei.
Der Vorsitzende wurde während der Befragung zunehmend unruhig und wollte Fragen der Verteidigung, die in Richtung Polizeikritik gehen würden, unterbinden. Er unterbrach deswegen die Befragung und schickte den Zeugen, dessen Vernehmung an einem anderen Termin fortgesetzt wird, aus dem Saal.
Er fände es unvorstellbar, dass man mit diesem simplen Sachverhalt zwei Stunden verbringen könnte und machte damit seinen Unmut über die Befragung durch die Verteidigung deutlich. Der Zeuge habe die praktischen Probleme verständlich gemacht. Es habe keine Handlungsalternative gegeben, da die Audioprodukte aus der Innenraumüberwachung in einem Tonstudio so nicht nachstellbar wären und das sei nachvollziehbar. Hierzu ergänzte er, dass das ja alles in der Beweiswertung eigehen würde und klar sein würde, wie man diese Identifizierung unter den beschriebenen Umständen werten müsse.
Darauf erwiderte die Verteidigung abschließend, dass es ja genau darum geht, die Wertung herauszuarbeiten, denn die Wertung des Vorsitzenden kann sich ja von der ihren unterscheiden und genau dafür sei die Befragung notwendig.
Die Sitzung wurde um 17:30 Uhr geschlossen. Der nächste Prozesstag ist der 09.02.22 um 09:30 Uhr am OLG Dresden.