Repression gegen Freiburger Baumbesetzer*innen: Plädoyer, wie im Gerichtssaal von eins der angeklagten Aktivist*innen vorgetragen
Gerne sage ich jetzt noch etwas. Ich spreche dabei auch für die andere angeklagte Person, die heute leider nicht hier sein kann. Außerdem spreche ich stellvertretend für die Menschen hinter dem "Bündnis 91/Die Grüneren".
Ich möchte nicht auf uns als Personen oder die gerade verhandelten Anklagepunkte eingehen. Viel mehr möchte ich den Prozess in einen größeren Kontext einbetten und Kritik am Justizsystem und Polizeiapparat üben.
Jeder Mensch ist in der Gesellschaft unterschiedlich positioniert, was mehr oder weniger Privilegien mit sich bringt. Wir beiden Angeklagten sind beispielsweise weiß positioniert, sind keine cis Männer und leben im globalen Norden. Dadurch sind wir Teil der Dominanzgesellschaft und pflegen einen Lebensstil, der mitverantwortlich für die Klimakatastrophe ist, die im Globalen Süden schon längst spürbar ist.
Die hier kurz angerissenen Privilegien und Unterdrückungsstrukturen, sind Ausdruck herrschaftlicher Machtverhältnisse, und einer Ordnung, die auf Ausbeutung von Natur und Mensch zielt. Für eine emanzipatorische, befreite Gesellschaft einzustehen, bedeutet deshalb auch, dass wir die Verantwortung tragen, unsere eigenen Privilegien in Frage zu stellen, zu reflektieren und zu bekämpfen.
In Zeiten von Klimakatastrophe und Rechtsruck ist es unabdingbar, sich für einen sozialen und ökologischen Wandel einzusetzen und Aktionen dafür sind legitim und notwendig. Die Dringlichkeit einer entsprechenden Auseinandersetzung scheint aber noch nicht bei allen Menschen angekommen zu sein. Das wird deutlich, wenn das Justizsystem gerade die Menschen kriminalisiert und verurteilt, die sich für diesen Wandel einsetzen und wenn das Justizsystem Polizist*innen schützt, die die Klimazerstörung mittels Gewalt ermöglichen und das hierarchische und gewaltvolle System stützen. In der Anklage wird die Gewalt dann umgedreht und Aktivist*innen eine in Kauf genommene Verletzung von Menschen unterstellt, obwohl gerade wir es sind, die durch den Einsatz für eine befreite Gesellschaft Schaden von Menschen abwehren wollen.
Durch die Baumbesetzung wollten wir uns hauptsächlich mit dem Widerstand im rodungsbedrohten Dannenröder Forst, kurz Danni, solidarisch zeigen und unsere Wut über die profitorientierte und zerstörerische Politik der Grünen Partei auf die Straße bzw. auf den Baum tragen. Wir wollten nicht weiter zusehen, wie unsere Verbündeten Tag für Tag brutal geräumt werden und deshalb auch in Freiburg, aktiv eine Öffentlichkeit für die Räumung im Danni schaffen.
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Die Repression gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung und insgesamt die radikale Linke hat deutlich zugenommen. Inwiefern die Kriminalisierung zugenommen hat zeigt sich auch in der Auslegung des Begriffs Gewalt. Während unserer Zeit auf dem Baum haben wir von Polizist*innen immer wieder gehört, sie selbst seien nur „Ausführende Kraft“. Dabei haben sie sich nicht nur ihrer Verantwortung für das Wohl von uns vier auf dem Baum entzogen, sondern auch für die ganzen rassistischen, sexistischen und antisemitischen Strukturen und Vorfälle, die immer wieder in ihrer Institution passieren und immer wieder ignoriert werden.
Wenn es hingegen um sogenannte linke Gewalt gegen die Polizei geht, ist die Aufmerksamkeit immer groß. Margarete Stokowski hat dies in einer ihrer Kolumnen herausgearbeitet. Sie schreibt: „Die Polizei unterscheidet in ihren Meldungen üblicherweise nicht nach Art der Verletzung und nicht danach, ob es sich um Fremdeinwirkung handelt. Somit gilt ein Polizist auch als "im Dienst verletzt", wenn er sein eigenes Pfefferspray einatmet, gegen eine Glastür läuft oder über seine eigenen Füße stolpert." Dadurch wird das Bild von Gewalt gegen Polizist*innen verzerrt. Auch wenn in Statistiken ein Anstieg der Gewalt gegen Polizist*innen zu verzeichnen ist, darf nicht vergessen werden, dass zum Beispiel die Polizeigesetze Jahr für Jahr verschärft werden. So kam in den letzten Jahren der Straftatsbestand des "Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte" dazu, wodurch Vorwürfe der vermeintlichen Gewalt an Polizist*innen noch leichter gemeldet werden können. Unklar bleibt, was mit Widerstand eigentlich gemeint ist.
Diese Frage stellt sich auch in unserem Prozess. Statt danach zu fragen, warum ein Polizist ohne nachzudenken an ein Seil springt, an dem Menschen auf einem Baum eventuell auch mit ihren Körpern befestigt sind, wird ein weiterer Fall "linker Gewalt gegen Polizist*innen" bearbeitet. Wieder einmal wird sich also auf eine vermeintliche Gewalt gegen die Polizei fokussiert, statt Gewalt durch die Polizei zu betrachten.
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Polizist*innen sind keinesfalls nur „ausführende Kraft“ oder „Handlanger“, wie es von einem Zeugen gesagt wurde. Sie haben enorme Handlungsspielräume und Machtpositionen inne, die auch während der Besetzung ausgenutzt wurden.
Obwohl die Polizei händeringend nach Anklagepunkten suchte, wurden die vor Ort konstruierten Vorwürfe, wie Hausfriedensbruch oder ein Verstoß gegen das Versammlungsgebot alle nicht bestätigt. Wir hingen also mit unserem Protest, auf einem öffentlichen Baum, im legalen Rahmen herum, wodurch ein solcher Einsatz noch mehr an Legitimation verliert. Es wird deutlich: Eine als links eingestufte Aktion reicht der Polizei aus, um eine 36 stündige Überwachung, anschließende Besuche zu Hause und eine Einschränkung unserer Grundbedürfnisse zu begründen.
Wir sind heute vor allem genervt. Genervt von dem Prozess, der sich inzwischen über eineinhalb Jahre zieht. Wir sind auch wütend, dass dieser Prozess sich in die lange Kette an konstruierten Prozessen, in denen Polizist*innen sich als Opfer linker Gewalt darstellen, einreiht. Er bleibt dabei kein Einzelfall sondern ist Ausdruck einer systematischen Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsbewegung und linker Aktivist*innen. Weiterhin wird dabei nur die Gewalt bestimmter Akteur*innen thematisiert, statt Gewalt von Seiten des Systems und Gewalt von Seiten der Polizei zu betrachten.
Wir sind heute nicht mit dem Anspruch vor Gericht gegangen ein Gefühl von Gerechtigkeit zu bekommen. Auch nicht um Menschen zu belehren, die angesichts von Klimakrise, Patriarchat und Kapitalismus immer noch in der Illusion leben, wir könnten einfach so weiter machen wie zuvor. Und auch nicht um ihnen den 1312. Weckruf zu geben. Wir sind hier, weil wir vor absurden Vorwürfen stehen, die unseren Widerstand und unsere Solidarität mit verschiedenen Kämpfen, wie den Protesten im Dannenröder Forst, unterbinden sollen. Das ist nicht gelungen.
Die Zeit des Prozesses hat uns umso mehr verdeutlicht, wie wichtig die Werte und Ziele sind, für die wir einstehen und wie viel Rückhalt in unserer Bewegung steckt. Wir werden auch weiterhin für eine gerechtere Welt für alle kämpfen, egal wieviel Repression uns und unseren Verbündeten noch um die Ohren gehauen wird.
Unser Widerstand lebt, unsere Solidarität ist ungebrochen!