Erste Einschätzungen zum neuen Hamburger AfD-Landesvorstand
Der Landesparteitag der Hamburger Alternative für Deutschland (AfD) war geprägt von internen Streitigkeiten und einem Naziskandal, welcher ebenfalls aufgrund von rivalisierenden Personen überhaupt erst an die Öffentlichkeit drang. Aufgrund der heftigen Querelen wurde auch zum wiederholten Male die Presse zeitweise ausgeladen, was die Landespressekonferenz und viele Medien zu einer deutlichen Kritik veranlasste. Einige Momente ließen trotzdem einen Blick auf den zerstrittenen Landesverband zu, so z.B. die Anfeindungen gegen die Ex-Schatzmeisterin Nicole Jordan, welche aktuell gegen den Ex-Fraktionschef Prof. Jörn Kruse vor dem Arbeitsgericht klagt. Und ihre Retourkutsche, indem sie öffentlich verlas, wer pünktlich seine Beiträge zahlte und damit diejenigen bloßstellte, welche dies nicht taten.
Schwächung des Landesverbandes
Neben den Kontroversen im Landesverband kann auch eine gewisse personelle Schwächung der Partei durch Abgänge attestiert werden. Der ehemalige Landesvorsitzende Dr. Bernd Baumann musste seinen Posten abgeben, da er inzwischen in den Bundestag gewählt wurde und seine Arbeitskraft der Geschäftsführung der Fraktion widmet. Er dürfte als einer der wenigen Spitzenleute in Hamburg kaum umstritten gewesen sein und genoss durch eloquentes, redegewandtes Auftreten auch bei den Hamburger Medien einiges Ansehen. Er ist nun nur noch stellvertretender Vorsitzender, mahnte, dass das Hauen und Stechen in Hamburg die AfD gefährde und bemühte sich fast schon verzweifelt die Gräben zwischen den Fraktionen wieder zuzuschütten. Ob ihm dies gelingt bleibt abzuwarten, denn aufgrund des Gerichtsprozesses um Jordan, durchgestochener Informationen an die Presse und den vorausgegangenen Machtkampf von Alexander Wolf und Dirk Nockemann, dürfte das Klima vergiftet sein. Ein nächster Streitpunkt dürfte mit dem Bundesparteitag hochkommen, denn eine Hamburger Fraktion um den Bürgerschaftsabgeordneten Detlef Ehlebracht hat beantragt, dass die 2015 ausgetretenen Anhänger von Bernd Lucke wieder problemlos aufgenommen werden können. Hardlinern wie Ex-Beiratsmitglied Jens Eckleben gelten diese jedoch als Verräter oder Karrieristen.
Auch Eckleben, Gründer des Hamburger Landesverbandes und ehemaliger Chef der antimuslimischen Kleinstpartei „Die Freiheit“ wurde nicht wieder in den Vorstand gewählt. Er ist ebenfalls nach Berlin gegangen und soll nun als Mitarbeiter des Abgeordneten Uwe Witt arbeiten. Eckleben gehörte zwar nicht zu den klügsten, aber dafür zu den umtriebigsten und rechtesten Funktionären in Hamburg. Erst 2016 forderte er in einem Facebook-Kommentar den Einsatz von großkalibrigen Schusswaffen gegen Muslime. Prof. Jörn Kruse, der wegen zu viel Kritik am eigenen Landesverband schon 2015 nicht mehr für den Vorstand kandidierte, trat ebenfalls nicht erneut in den Vorstand ein. Ohne Baumann und Kruse hat die Partei aber keine echten, medienkompetenten Köpfe mehr in Hamburg. Kruse bleibt allerdings noch Ko-Fraktionsvorsitzender
Der kleinere Üble wurde gewählt
Als neuer Landeschef wurde nun Dirk Nockemann gewählt, welcher wahrscheinlich nicht den größeren Teil des Landesverbandes hinter sich hat, aber nach dem Skandal um Alexander Wolf’s Naziliederbuch als das kleinere Übel gewählt wurde. Die bisher einflussreichsten Männer, Baumann und Kruse, hatten sich beide auf Wolfs Seite geschlagen und ihn sogar öffentlich in Schutz genommen, seine Veröffentlichung von Naziliedern als Sünde aus der Vergangenheit abgetan. Baumann hatte zuvor auch die Äußerung Alexander Gaulands bekräftigt, der die Hamburger Politikerin Aydan Özoguz (SPD) in „Anatolien entsorgen“ wollte. Dies zeigt, dass Baumann und Kruse mittlerweile keinesfalls einem weniger rechten Flügel angehören, sondern dass es in erster Linie um veritable Machtkämpfe geht. Jörn Kruse, der eine alte Feindschaft zu Nockemann pflegt, kritisierte diesen öffentlich wegen seiner verbalradikalen Ausdrucksweise im Hamburger Abendblatt und erklärte an anderer Stelle, dass dieser politisch nun ja auch nicht gerade viel Ahnung habe – mal abgesehen von der Innenpolitik. Dem ehemaligen Innensenator Nockemann dürften noch ein paar Seilschafter aus Schillzeiten bleiben, im AfD-Landesvorstand oder in der Bürgerschafts-Fraktion sitzen allerdings keine ehemaligen Anhänger*innen von „Richter Gnadenlos“ mehr, die Hausmacht Nockemanns dürfte eher schwach sein.
Der völkischer Burschenschafter verlor
Der jahrzehntelang in seiner völkischen „Burschenschaft Danubia“ sozialisierte Alexander Wolf ist eigentlich der fähigere und gefährlichere Funktionär der AfD, musste sich nun aber mit einem Posten als Vizevorsitzender zufriedengeben. Und es bleibt abzuwarten, ob der Ko-Fraktionschef nicht noch weiteren Schaden nimmt, denn er hatte gegenüber den Medien dreist behauptet, dass in seinem Liederbuch kein „verbotenes Lied“ enthalten sein. Die dort veröffentlichte inoffizielle Hitler-Jugend-Hymne „Vorwärts, Vorwärts, schmettern die hellen Fanfaren“ ist in Deutschland jedoch nach §86 StGB verboten. Stellvertreter neben Baumann und Wolf wurde der gerade aus der Bürgerschaft ausgeschiedene Joachim Körner, welcher bis dahin nur als faulster Abgeordneter der Rechtspopulist*innen auffiel.
Da Nicole Jordan, welche parteiintern auch als wenig fleißig gilt, gleichzeitig bei der Fraktion angestellt ist, durfte sie nicht erneut kandidieren und stattdessen wurde ein Oliver Calov Schatzmeister. Schriftführer blieb Krzysztof Walczak, der gleichzeitig Landeschef des Jugendverbandes „Junge Alternative“ und stellvertretender Bundeschef der JA ist. Er gilt als Angehöriger des völkischen Flügels in der JA, tritt für mehr „Nationalstolz“ und „Hochkultur“ ein und polemisiert gegen „Multikulti-Mischmasch“ und gegen „politische Korrektheit“. „Sexuelle Vielfalt“ sei ein Kampfbegriff der Linken, in Deutschland existiere eine „Homo-Lobby“ und Eltern sollten ihren Kindern eine „traditionellere Sexualmoral“ mitgeben, sind weitere seiner Positionen. Sein Geburtsland Polen gilt ihm als Vorbild für ein Abtreibungsgesetz.
Unter den drei Beisitzer*innen Elke Zimmermann, als einzige Frau, Dietmar Wagner und Robert Buck hat Letzterer noch eine gewisse Bedeutung als Bundessprecher des Verbandes „Arbeitnehmer in der AfD“ (AidA). Ein Versuch des germanentümelnden Wikingerfans mit seiner AidA in Hamburg auf der Straße zu demonstrieren, scheiterte jedoch schon im Ansatz.
Weiter so Antifa
Die Abgänge von Spitzenpersonal, die interne Krise, der letzte Naziskandal, das schlechteste Wahlergebnis bei der Bundestagswahl im Vergleich zu anderen Bundesländern und die anhaltenden Proteste bei jedem öffentlichen Auftreten dürften es Partei und Fraktion in Hamburg weiterhin schwermachen. Für Antifaschist*innen und Zivilgesellschaft sollte dies allerdings kein Grund sein sich auf den Lorbeeren auszuruhen, sondern Ansporn für zukünftige Kämpfe.