Konterwahlkampf.Rückblick und Analyse zum Vorgehen gegen die AfD in Mittelhessen

Regionen: 

"Nach fast zwei Jahren Arbeit gegen das Netzwerk der "neuen" Rechten in Marburg und Umland, blicken wir auf verschiedene Initiativen, Kampagnen und Aktionen zurück. Nachdem sich die AfD Marburg-Biedenkopf im Herbst 2015 formierte ist viel passiert. Einerseits wurde über verschiedene Akteure der AfD im Landkreis bei Aktionen aller Art aufgeklärt . Im Verlauf dessen haben einige Akteure der Jungen Alternative (JA) und AfD, den Parteiorganisationen im letzten Jahr den Rücken gekehrt. Weiterhin konnte laut lokaler AfD kaum eine Veranstalltung ohne Gegenaktionen durchgeführt werden. [...]"

Ein Blick Zurück

Nach fast zwei Jahren Arbeit gegen das Netzwerk der "neuen" Rechten in Marburg und Umland, blicken wir auf verschiedene Initiativen, Kampagnen und Aktionen zurück.

Nachdem sich die AfD Marburg-Biedenkopf im Herbst 2015 formierte ist viel passiert. Einerseits wurde über verschiedene Akteure der AfD im Landkreis bei Aktionen aller Art aufgeklärt zB. hier und hier. Im Verlauf dessen haben einige Akteure der Jungen Alternative (JA) und AfD, den Parteiorganisationen im letzten Jahr den Rücken gekehrt.  Weiterhin konnte laut lokaler AfD kaum eine Veranstalltung ohne Gegenaktionen durchgeführt werden. Diese reichten von Kundgebungen bis hin zu Angriffen gegen Lokalitäten, welche der AfD Räume überließen, sowie mitunter auch auf Privateigentum lokaler AfD Funktionär_innen.

Einige Fotos aus der AfD-Mimimi-Galerie:


Extrem rechtes Netzwerk der Marburger Burschenschaft Germania (Lutherstraße 3)

Von AfD & JA über die Identitäre "Bewegung" (IB) bis zur EinProzent-Initative und dem Institut für Staatspolitik: Burschen der Marburger Burschenschaft Germania (Deutsche Burschenschaft (DB)), nehmen in vielen "Neurechten" Organisationen zentrale Rollen ein, wie die Kampange Stadt Land Volk offen legte, so etwa hier oder hier.

JA Landeskongress 29.4.2017 Marburg

Am Rande des JA Hessen Landeskongress, der in Marburg auf dem Haus der Burschenschaft Germania stattfand, griffen Marburger Burschenschafter der Germania, Rheinfranken und Normania Leipzig zu Marburg, mehrfach Fotograf_innen an.  Dass die JA Hessen sich nicht zu Schade ist, für ihren Landeskongress die weit über Marburg hinaus, als "Nazivilla Germania" bekannte Imobilie zu nutzen, wurde an diesem Tag offensichtlich. Das der Spitzenfunktioniär und MdB Jan Nolte, den Neonazi Lars Roth (Rheinfranken) mit Handschlag begrüßte, passt da gut ins Bild. Dass die JA Hessen und Burschen über die Dokumentation ihres Treffens nicht begeistert waren wurde schnell klar, als diese sich mehrfach an gewalttätigen Übergriffen versuchten. Später behaupteten Naziburschen und JA Hessen, dass sie von Antifas auf dem Grundstück der Burschenschaft Germania Marburg angegriffen worden seien, was sich nach einer Veröffentlichung der antifaschistischen Kampange Stadt Land Volk als glatte Lüge herausstellte. Die Ereignisse des 29.4.2017 und die antifaschistischen Veröffentlichungen hinterließen offensichtlich Spuren.

Bilder zum Tagegeschehen 

Auszug aus dem betreffenden Polizeibericht:

"Die Kripo Marburg ermittelt nach einer Auseinandersetzung am Samstag, 29. April, gegen 16.40 Uhr,an einem Verbindungshaus in der Lutherstraße. Zwei Männer erlitten leichtere Verletzungen. Vier Männer flüchteten. Nach ersten Ermittlungen soll es in dem Gerangel zu einem Einsatz einer Dachlatte und von Pfefferspray gekommen sein. Die Fahndung nach den geflüchteten Männern blieb ebenso erfolglos wie die Suche nach den eventuell entsorgten Tatmitteln. Grund der Auseinandersetzung war nach ersten Erkenntnissen ein eskalierter Streit nachdem Berechtigte des Hauses die fotografierenden Personen zur Rede stellten."

Die Frankfurter Rundschau berichtete sowohl nach den ersten Veröffentlichungen, sowie über das Nachspiel im Landtag.

Nur einige Wochen später gründete sich in Marburg eine Ortsgruppe der Identitären Bewegung. Zur Vorbereitung ihrer Aktionen nutzten sie genauso wie die JA Hessen, die Nazivilla der Germania.

Einige Monate später, nach dem Landeskongress am 28.10.2017 ist kein Vertreter aus Marburg mehr im hessischen Landesvorstand der JA zu finden. Außerdem wird auch der JA Kreisverband Marburg Biedenkopf nach diesem Landeskongress nicht mehr als JA Kreisverband auf deren Internetpräsenz angezeigt. Allerdings besteht die Facebookseite des Kreisverbands noch immer.

Angriffe durch Marburger Naziburschen wie am 29.4.2017, unteranderem durch Maximilian Kolb (Germania Marburg und zu dieser Zeit JA Hessen Vorstandsbeisitzer), waren auch für die JA Hessen kein Grund auf Distanz zu Nazischlägern zu gehen. Stattdessen hat man anscheinend den jetzigen Landeskongress genutzt um diese still und heimlich abzuwählen und sich nun wieder als unverfänglich präsentieren zu können.

Die Marburger Burschenschaft Germania ist in den letzten Monaten verstärkt durch das Verbreiten von IB Propaganda aufgefallen. Ihre Mitglieder verkleben Sticker der Identitären Bewegung in und um Marburg. Desweiteren wurden auf ihrem Haus Transparentaktionen vorbereitet. Ein Führungskader der Lokalen IB Gruppe, Heinrich Mahling (angeblich nun ein ehemaliger der Hasso Borussia Marburg) hat dort auch seit Jahren einen Rückzugsraum gefunden.

In Marburg konnte sich die lokale AfD kaum öffentlichen Raum nehmen. Auch die Wahlergebnise der Bundestagswahl 2017 zeigen, dass die AfD im Marburger Stadtgebiet relativ schwach ist, in einigen Vierteln nichteinmal über 5% hinauskommen, wobei hierbei zu beachten ist, dass dies längst nicht auf alle Stadtteile zutrifft. Allerdings fällt auf, dass die AfD im Umland im Großen und Ganzen stärker abschneidet. Der Anfang des Jahres geründete JA Kreisverband konnte sich nicht lange halten und kam nicht über ein paar Facebookposts hinaus. Der Zusammenschluss von Burschen und AfD im Jugendverband der Partei hat in dieser Form nicht lange gehalten. Das militante Auftreten und die zahlreichen Gegenaktionen durch Marburger Antifaschist_innen zeigten offenbar Wirkung. Selbst wenn Gewalt gegen Nazis im gesamtgesellschaftlichen Diskurs verachtet wird und durch staatliche Organe kriminalisiert wird, ist sie dennoch wirksam. Der Buchautor Horst Schöppner betrachtet diese Wirkung historisch und kommt zu dem Schluss: Je stärker sich antifaschistische Strukturen gegen rechtes Gedankengut stellen, desto weniger wirksam können Nazis in der Öffentlichkeit agieren

Auch wenn dank militanter Antifaschist_innen Strukturen extrem rechter Netzwerke offen- und lahmgelegt werden konnten, bestehen diese in der Masse dennoch weiter. Die Marburger DB-Verbindungen und ihre Unterstützer_innen versuchen weiter in Marburg Gruppenstrukturen wie die IB Ortsgruppe zu etablieren. Dies fiel zuletzt in den Abendstunden vom 08. November auf, als sich Heinrich Mahling nach seinem Outing (und einem Recherchetext) durch Antifaschist_innen, nun auch selbst outete.

Only local images are allowed.

Dies ist eine gängige Strategie der Identitären Bewegung, wie sie sich unter anderem schon in Halle oder Wien beobachten ließ. Mit dem Schritt der ersten Reihe der (zumeist ohnehin schon "verbrannten") Kader der Identitären Bewegung soll die zweite Reihe geschützt werde. Auch wenn der JA Kreisverband von der Bildfläche verschwunden ist, bestehen die Kontakte genauso wie Parteimitgliedschaften in der AfD weiter. Parallel dazu konnte die AfD sich in der Provinz um Marburg herum in den letzten Jahren festsetzen.

Deswegen bleibt festzustellen, dass es weiterhin von immenser Bedeutung ist sich aktiv und militant den extrem rechten Netzwerken entgegen zu stellen und sie überall zu sabotieren wo sie versuchen sich zu etablieren und aufzutreten.

Bilder: 
webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Public Domain (cc0): Weiternutzung ohne Einschränkung. Gemeinfrei im Sinne der Public Domain