Statement des XB-Kollektivs zur Räumung am 15.10.17
--- english version will be posted later today ---
Berlin, 18. Oktober 2017
In der Liebigstr. 34 gab es bis dato ein Hausprojekt, bestehend aus dem Bewohnenden-Kollektiv, folgend L34-Kollektiv, dem Kollektiv des Veranstaltungsraumes XB-Liebig, folgend XB-Kollektiv und dem Kollektiv des Infoladens sowie des Proberaums.
Sonntag Nachmittag drang eine Gruppe Menschen gewaltsam in die Räumlichkeiten des XB-Liebig ein und trug das einzig anwesende, sich dort alleine aufhaltende XB-Kollektivmitglied an Händen, Füßen und Hals unter Zuhilfenahme körperlicher Gewalt vor das Haus.
Andere XB-Kollektivmitglieder wurden über diesen Vorfall informiert und sammelten sich vor dem Haus. Durchführende und Unterstützende der Rausschmiss-Aktion, darunter einige Bewohnende des Hausprojekts R94, hatten sich teilweise maskiert vor dem Haus aufgestellt und befanden sich auch in der L34.
Im Anschluss wurden die Menschen des L34-Kollektivs im Eingangsbereich durch Mitglieder des XB-Kollektivs zur Herausgabe persönlicher bzw. privater Gegenstände aus dem XB-Liebig aufgefordert. Dieser Aufforderung wurde nur in geringem Umfang nachgekommen; es wurde uns zu verstehen gegeben, dass mit uns nicht diskutiert würde. Die Herausgabe des Soundsystems, das nur eine Leihgabe an uns war, wurde bis Dienstag verweigert. Mindestens 25 Menschen sind von dem Rauswurf des Kollektivs betroffen.
In dem 40 Minuten darauf veröffentlichten Statement auf Indymedia wurden sehr heftige, nicht belegte und unhaltbare Vorwürfe gegen das komplette XB-Kollektiv vorgebracht.
Wir sind entsetzt von den diffusen Vorwürfen, die uns vom L34-Kollektiv gemacht werden und möchten dazu natürlich Stellung nehmen. Unser Kollektiv versteht sich selbstverständlich als anti-faschistisch, anti-rassistisch, anti-homophob und anti-sexistisch*. Vielmehr eskalierten Menschen aus dem L34-Kollektiv mit dieser Aktion einen seit einiger Zeit anhaltenden Konflikt.
Einen Konflikt, der entgegen der Darstellung der L34-Bewohnenden sehr wohl zu einem wesentlichen Teil aus persönlichen Konflikten resultierte.
Hier wurden nicht zum ersten mal persönliche Streitigkeiten zum Anlass genommen, sich unhinterfragte Solidarität mit Hilfe der Instrumentalisierung angeblicher politischer Gründe zur Frontenbildung zu verschaffen.
Infolge eines der hausinternen Konflikte zogen sich einzelne Hausbewohner aus dem XB zurück. Daraufhin schlossen sich neue Mitglieder dem Kollektiv an, um den Organisationsaufwand zu bewerkstelligen.
Wir wollten, dass bestehende Streitigkeiten zwischen Haus- und XB-Kollektiv beigelegt werden und keine neuen entstehen. Darum luden wir die Menschen aus der L34 dazu ein, mit uns ein Plenum abzuhalten, um einen Konsens und eine permanente Zusammenarbeit zu finden, ihren safer space zu respektieren. Wir haben die dort geäußerten Forderungen des L34-Kollektivs umgesetzt, und von einer Delegierten vom Haus das Feedback bekommen, dass es keine weiteren Beschwerden bezüglich der Sicherheit für die L34 gab.
Die XB-Kollektivmitglieder haben sich vorher wie nachher viel Mühe gegeben, sich verantwortungsvoll um alle Gäste und Kunstschaffenden zu kümmern, waren ansprechbar und haben Leute rausgeschmissen, die sich diskriminierend verhalten haben. Einen safer space in einem öffentlichen Raum zu gewährleisten wird immer ein andauernder Prozess sein, für diesen Freiraum kämpfen wir.
Das XB ist ein separater Raum in der Liebigstraße 34, von dem die Wohnräume des Hauses nicht ohne Schlüssel erreicht werden können. Während der Veranstaltungen waren immer XB-Kollektivmitglieder im Flur und an der Haustür, um den safer space auch im gemeinsam genutzten Flur zu gewährleisten.
Leider gab es seit dem gemeinsamen Plenum keine direkte Kommunikation mehr über Probleme zwischen dem L34-Kollektiv und dem XB. Seitdem gingen die Beschwerden und Informationen an uns offensichtlich in der Informationshierarchie des Hauses verloren. Es kam niemand mehr vom Haus zu unserem Plenum, viel mehr kamen vereinzelt Gerüchte bei uns an. Nachfragen wurden entweder gar nicht oder nur spärlich beantwortet.
In letzter Zeit sahen wir uns zunehmend mit Angriffen seitens der L34 konfrontiert. Ein gemeinsam mit dem Haus zur Kommunikation geführter Kalender wurde über Nacht entfernt; das XB-Türschloss wurde mit Sekundenkleber unbenutzbar gemacht; ein Hund einer im XB-Kollektiv aktiven Bewohnerin wurde mit Sprühfarbe im Gesicht aufgefunden; nach Äußerungen auf verschiedenen Plenen fanden Kollektivmitglieder ihre Fahrradreifen zerstochen; bei einem ursprünglich gemeinsam mit dem Haus geplanten Festival flogen aus den Fenstern des Hauses Gegenstände auf die Besucher im Hof, der im Einverständnis genutzt wurde.
Mehr dazu in unserem Hilferuf, bereits vom November 2016: https://de.indymedia.org/node/11007
Es bestand ein FLTI*-Abend, an dem sich die aktuell im Haus Lebenden nicht beteiligt haben. Als die Person, die seit über 10 Jahren diesen Abend betrieb, am Dienstag den Infoladen öffnen wollte, wurde der Zutritt verwehrt.
Wie eine weitere ehemalige und in diesem Moment schwangere Hausbewohnerin, die nach sechs Jahren am vorherigen Samstag binnen einer Woche ohne nachhaltige Gründe aus dem Haus geworfen wurde, muß sich eine andere L34-Bewohnerin, die auch im XB-Kollektiv tätig ist, vor einer kollektiven Bestrafung in ihrem Wohnraum fürchten.
Das heißt, dass alle XB-Kollektivmitglieder unabhängig ihrer Hintergründe vor dem L34-Kollektiv mit einer Kollektivschuld belastet werden. Beim vorgenannten Fall gab es keinerlei offizielle Kommunikation und es geschah in einem Zeitraum, in dem diejenigen, die sich für sie im Haus hätten aussprechen können, vorhersehbar nicht in der Stadt waren.
So ein Vorgehen kennt Mensch doch schon von staatlich verordneten Räumungen!
Die Räumung des XB wurde durchgeführt und unterstützt von einer Vielzahl von externen Personen. Teilweise maskiert, ziemlich mackerhaft und bewusst angsteinflößend und martialisch - für alle XB-Kollektivmitglieder, unabhängig von Gender und Aufenthaltsort. Es gab keinen physischen Widerstand von unserer Seite. Am Abend positionierten sich die Akteure mit Baseballschlägern vor dem Haus, was den einschüchternden Charakter der Aktion aufrecht erhielt.
Dieses Verhalten empfinden wir als übergriffig, da es in den safer space unseres Kollektivs und einzelner Hausbewohner einschreitet und ihnen diesen gewaltsam entzieht.
Wir können deswegen nicht mehr nachvollziehen, wie das L34-Kollektiv einen safer space erhalten oder errichten möchte.
Wir müssen zugeben, dass dieser ganze Konflikt sehr schwierig auszudifferenzieren ist. Wir haben wiederholt Aufwand betrieben, die Situation zu verändern.
Die Menschen aus dem L34-Kollektiv weigerten sich förmlich zu kommunizieren. Wichtige Informationen sickerten ausschließlich über Gerüchte durch. Offizielle, schriftliche Antworten (wie eMail, SMS, etc.) existieren nicht.
Ein Kollektivmitglied, welches über zehn Jahre im Haus gewohnt hat, war dafür verantwortlich, sich um eine Verlängerung des Mietvertrages zu kümmern, bis sich dann herausstellte, dass das Haus (obgleich ohne internen Konsens) im Gegensatz zum XB gar nicht bereit für Vertagsverlängerungsverhandlungen ist. Schlimmer noch, all diejenigen, die sich für eine Verlängerung aussprachen, wurden teilweise gewaltsam aus dem Haus entfernt.
Der wesentliche Unterschied zwischen dem Selbstverständnis der L34 und dem des XB liegt darin, dass in der L34 ein separatisischer exklusiver Feminismus praktiziert wird (was erst nach einem schleichenden Strukturwechsel im Haus dort so durchgesetzt wurde), wohingegen das XB einen Feminismus vertritt, der einen inklusiven Charakter hat und alle unabhängig von Genderzugehörigkeit teilhaben lassen will.
Im Namen dieses exklusiven Feminismus wurde Gewalt ausgeübt, in die Privatsphäre von Menschen eingedrungen, Leuten aufgrund subjektiver Meinungen der Wohnraum entzogen, drei schwangere Personen auf die Straße gesetzt und ein wunderbares Projekt zerstört.
In der L34 wurden Hierarchien aufgebaut, nicht alle der momentanen Bewohnenden werden bei Diskussionen und Entscheidungen mit einbezogen. Wir als Anarchist*innen sind gegen diese Hierarchien.
Diese Aktion war von langer Hand geplant, unabhängig davon wie sehr wir uns angestrengt haben, den Gruppenkonsens beiderseits zu erfüllen.
Wie wir bereits seit langer Zeit wussten, hatte eine Gruppe von Leuten auf konspirative Weise schon am 15. Juni um 14 Uhr auf einem Geheimplenum eine Räumung des XB diskutiert.
Wir hätten uns seitdem durchaus auf eine Räumung seitens des Hauses vorbereiten können. Jedoch wollten wir zu jeder Zeit gewaltfrei und deeskalierend agieren und sind durch das positive Feedback der Hoffnung gewesen, dass das L34-Kollektiv die anfangs gezeigte Kommunikation fortführen würde, sodass eine Entwicklung stattfinden könnte. Eine Entwicklung, an deren Ende die L34-Bewohner_innen* sich wieder im XB-Kollektiv einbringen und eigene feministische Veranstaltungen organisieren, sodass wir wieder zusammenwachsen können.
Wir sind traurig, dass die Kommunikation, die früher nötig gewesen wäre, jetzt auf Indymedia stattfinden muss.
Das L34-Kollektiv hat den Hausfrieden so nachhaltig gebrochen, dass unser Vertrauensverhältnis komplett zerstört und eine Zusammenarbeit mit dem derzeitigen Hauskollektiv nicht mehr möglich ist.
Wir wünschen uns, dass die Menschen aus der L34 über ihr durchweg destruktives Verhalten reflektieren.
Das L34-Kollektiv und vereinzelte Mitglieder des R94-Kollektivs gingen nachweislich mit physischer und psychischer Gewalt vor und erwarteten von uns offensichtlich ebenso dieses Verhalten, indem sie schrieben: "Wir wissen nicht, was passieren wird oder wie das XB reagieren wird, also wissen wir nicht welche Art von Unterstützung wir brauchen. Wir fordern Solidarität!!!"
Wir wissen, welche Art der Unterstützung wir brauchen - wir laden alle ein, zu unserer nächsten Soliparty zu kommen.
Besucht dazu unseren Blog: http://xb.blogsport.de
Für Fragen zum Konflikt oder ans Kollektiv schreibt an xb-liebig@protonmail.com
Privatfehden sind scheiße, haltet zusammen, es gibt genügend Probleme!