Rigaer94: Was kostet die Drecksbude eigentlich?
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Rigaer94: Was kostet die Drecksbude eigentlich? (1)
Berlin, März 2021: Ein Konflikt, in dem es keine andere Möglichkeit geben wird als sich zu positionieren, eskaliert. Es geht nicht um Brandschutz. Dieses Argument ist nur Maskerade. Die Regierenden versuchen die Öffentlichkeit von der Moral ihres Handelns zu überzeugen und ein Spektakel zu erschaffen. Wir erklärten wiederholt, dass eine:r unabhängige:r Brandschutzgutachter:in jederzeit mit uns durch das Haus gehen kann, wie es auch schon 2016 und im November 2020 geschah. Da dieses Angebot ignoriert wird ist offensichtlich, dass es um die Vernichtung des seit dreißig Jahren bestehenden Projekts Rigaer94 geht. Dieser Einsatz bezweckt nichts anderes als eine Belagerung und eine schrittweise Verwandlung in ein zerstörtes, unbewohnbares, durch Gitter und Sicherheitsschleusen kontrolliertes Haus. Sie wollen uns räumen und die Verantwortlichen wählten für den Auftakt den 11. und 12. März 2021. Dieser Versuch wird auf unseren Widerstand stoßen.
Warum sprechen wir von einer Räumung? Bereits im Januar diesen Jahres schickte der vermeintliche Eigentümer-Anwalt Bernau einen Drohbrief an einige Mieter:innen, in dem er sie erpresste ihre Mietverträge bis zum 31.01.2021 zu kündigen. (2) Ein “Angebot”, dem sie nicht nach kamen. Der selbsternannte Hausverwalter Luschnat hat angekündigt, die “Begehung“ zu nutzen, um am besagten Termin das Haustürschloss auszutauschen. Die Schlüssel sollen nur nach Vorlage eines Personalausweises und Mietvertrages ausgehändigt werden. Während das Landgericht Berlin erst am 10.3. über den Widerspruch gegen die Begehung unseres Hauses entscheiden wird, ist uns die brisante Information zu Ohren gekommen, dass es schon in den schmierigen Portfolios von Immobilienspekulant:innen als Verkaufsobjekt gehandelt wird. 1700 m² “unbewohnte Fläche“ zu einem Preis von 2000 €/m². Angeboten möglicherweise durch keinen anderen als einen Projektentwickler des Padovicz-Geflechts, Nudelmann & Friends Immobilien.
Wenige Monate vor den Wahlen ist der politische Druck hoch. Niemand will die Verantwortung dafür tragen, an unserer Entschlossenheit zu scheitern, diesen Raum und die ihm innewohnende Idee zu verteidigen. Alle wollen die Lorbeeren einstreichen, die Straße zu befrieden und einen weiteren Teil dieser Stadt nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Das bedeutet konkret dieser Stadt einen weiteren lebenswerten Raum zu entreißen und dem Kapital den Boden zu bereiten, den Reichtum einiger weniger zu vermehren.
Während Baustadtrat Florian Schmidt bereits aus Angst vor den Konsequenzen seines eigenen Handelns zurückrudert, zweifelt nun auch Justizsenator Behrendt an der Rechtmäßigkeit des aktuellen Vorgehens. Konsequenz dessen ist, dass der Senat am Freitag (5. März) über Schmidts alternativen Lösungsvorschlag entscheiden möchte. Schmidt schlägt eine Begehung durch eine:n Mitarbeiter:in der Bauaufsicht aber ohne Bullen vor. Während das Lager unserer Feind:innen in der Politik gespalten ist, wird sich noch herausstellen, ob sich Politiker:innen von Geisel (Innensenator, SPD) bis Dregger (politischer Brandstifter, CDU), die ihr Spiel um Macht auf unser aller Rücken austragen, die Finger an uns verbrennen werden. Der rot-rot-grüne Senat kann fadenscheinige sozialdemokratische Konzepte wie Mileuschutz und Mietendeckel nicht nutzen, um zu verbergen, dass seine Politik in erster Linie seit jeher niemand anderem als der kapitalistischen Klasse dient.
Seit Jahrzehnten versuchen Machthabende, die Kontrolle über und die wirtschaftliche Nutzung der Stadt zu maximieren, indem sie ein Hindernis nach dem anderen beseitigen. Ein solches Hindernis war die Zeltstadt Rummelsburger Bucht. Ihre Räumung wurde als „humanitär“ getarnt, während sie in Wirklichkeit das Ziel verfolgte den Bau von Coral World zu ermöglichen. Solche Räumungen sind Teil einer umfassenderen Strategie, alles loszuwerden, was dem Profit im Wege steht oder nicht in die hegemoniale Vision der Stadt passt. Es werden selbstorganisierte Räume zerstört, in denen sich Menschen zusammenschließen, um dem Elend zu entkommen, in das sie von Vermieter:innen, Herrschenden, Bossen, Bullen oder Machos gedrängt werden, die sie täglich konfrontieren und ausbeuten, am Arbeitsplatz, in persönlichem und öffentlichen Raum.
Auch Orte wie der KØPI Wagenplatz, das autonome Jugendzentrum Potse, die Voigstraße 36 oder die Kollektivkneipe Meuterei sind bedroht von denen, die ihr Profitstreben befriedigen wollen. Die verantwortlichen Gesichter mögen von Räumung zu Räumung variieren, die Logik dahinter bleibt dieselbe. Jeder Lakai, der versucht, seinen Besitz zu erweitern und Profite zu einzustreichen, indem er Räume und Ideen bedroht und angreift, hat das gleiche Ziel und das gleiche Maß an Verantwortung. Unsere Kämpfe hingegen sind miteinander verbunden, da wir die selben Feind:innen haben. Hinter den Kulissen bedrohen Leute wie „Freiherr“ von Aretin auf verschiedenen Ebenen Existenzen und Ideen. Während er Abteilungsleiter für Reprivatisierung in der Treuhand war, ist seine Kanzlei heute in Waffenexporte verwickelt. (3) Das Zusammenwirken von Staat und Kapital ist bei jedem Räumungsversuch sichtbar. Bullen, Politik, Justiz, Wissenschaft und Medien treten gemeinsam auf, um politische Positionen und Mittel der staatlichen Gewalt zu legitimieren. In konzertierten Aktionen greifen sie unsere Strukturen an.
Das Kapital hat sich Worte wie „alternativ“ und das dazugehörige Image angeeignet, um uns eine Stadt zu verkaufen, die in Wirklichkeit grau und nur für diejenigen sicher und zugänglich ist, die Geld haben. Der Neoliberalismus hat längst Einzug in die Stadtplanung gefunden und das Konzept der „Aufwertung“ funktioniert als repressiver Gesamtplan. Er verwandelt die Orte, die wir schätzen, in unbequeme und kontrollierbare Orte. Der Senat greift unsere politischen Strukturen in der Metropole an, was zu einer direkten Konfrontation zwischen ihm und uns führt.
Wir als Rigaer94, zu denen auch der autonome Jugendclub Keimzelle und der offene Raum Kadterschmiede gehören, sind Teil der bedrohten autonomen Strukturen. Wir haben uns entschieden selbstbestimmt, sozial, politisch miteinander zu leben und uns von unten zu organisieren. Wir haben uns entschieden, uns gegen die Mechanismen von Staat und Kapital innerhalb und außerhalb der Mauern unseres Hauses zu wehren. Wir unterstützen und schaffen Orte des Widerstands in der Stadt, wir verbreiten unsere Ideen von selbstorganisierten Gemeinschaften. Orte, an denen unsere Gemeinschaft wächst, um sich gegenseitig zu helfen, voneinander zu lernen und um sich dem System zu widersetzen. Orte, an denen sich die Jugend autonom, ohne die Kontrolle von Eltern, Lehrer:innen oder Chefs, treffen kann. Orte, um sich kollektiv zu wehren wenn jemand von Autoritäten unterdrückt wird und um rebellische Nachbarschaften zu schaffen, in denen Widerstand von einer breiteren Kollektivität unterstützt werden kann. Um die Normen zu überwinden, die uns diese Gesellschaft aufgezwungen hat.
Unsere politische Infrastruktur ist nicht nur für die Bewohner:innen unseres Hauses wichtig, sondern auch für eine breitere Gemeinschaft, die sich gegen Unterdrückung und Diskriminierung organisiert. Offene Strukturen, in denen eine Atmosphäre von Vertrauen und einer solidarischen Nachbarschaft wachsen kann. Strukturen, die kämpfende und revolutionäre Individuen zusammenbringen, um dazu beizutragen, die Idee von Autonomie und Kollektivität durch Diskussionen und Aktionen zu verbreiten. Gruppen und Einzelpersonen, die sich in Räumen jenseits von Konsum und Arbeitsausbeutung treffen, wo Menschen sich wohlfühlen, essen, trinken und aufwärmen können, egal ob sie Geld haben. Wo radikale Ideen auf Broschüren und Plakate gedruckt oder an Wände gemalt werden, die die:den Einzelne:n umgeben und ermutigen.
Die Verteidigung dieser Strukturen gehört nicht nur denjenigen, die in ihnen leben, sondern allen, die sich in ihnen wiederfinden können. Es ist ein Kampf nicht nur für uns, sondern für alle! Lasst uns auf der Straße in die Offensive gehen! Keine Ruhe für Vermieter:innen und Staatsdiener:innen!
Wir rufen alle, die unter diesem System leiden, dazu auf, sich unserem Kampf anzuschließen und die Auswirkungen der ständigen staatlichen Angriffe zu erkennen. Ihre eigenen Feinde anzugreifen, jene, die uns täglich und ständig unterdrücken. Lasst uns gemeinsam für kollektive Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Selbstbestimmung eintreten, am und über den 11. & 12. März hinaus. Lasst uns als Bewegung verschiedene Formen und Mittel des Widerstands zeigen.
Wenn sie versuchen, uns zu brechen, werden wir explodieren!
Solidarität ist unsere Waffe, Rigaer94.
(1) https://www.amazon.de/%C2%BBWas-kostet-Drecksbude-eigentlich-Immobilienmaklers/dp/B08TZ3HWZW/
(2) Scan des Briefs unten.
(3) https://www.gvw.com/en/services/detail/foreign-trade-and-customs-law.html
Rigaer94: What‘s the price of this shithole? (1)
Berlin, March 2021: A conflict, in which there will be no other option but to take a stand, escalates. This is not about fire safety. This argument is only a masquerade. Those ruling try to make the public believe in the morality of their actions and to create a spectacle. We have repeatedly stated that an independent fire safety expert can walk through the building with us at any time, as it happened in 2016 and November 2020. As this has been ignored, it is obvious that this mission is about the eviction and destruction of Rigaer94 as she has been existing for 30 years. It intends nothing more but a siege and a gradual transformation into a destroyed, uninhabitable house controlled by fences and security gates. It is an attempt to evict us. Those responsible chose March 11th and 12th, 2021 as kick-off. This attempt will meet our fierce resistance!
Why do we talk about an eviction? Already in January of this year, self-proclaimed Lafone lawyer Bernau sent a threatening letter to some tenants, blackmailing them to quit their renting contracts until January 31, 2021. (2) An „offer“ they did not take up. Self-proclaimed property manager Luschnat has announced that the „inspection“ will be used to change our locks. The new keys are to be handed over only upon presentation of an identity card and rent contract. While the court will decide on the 10th of March about the appeal against the inspection, we have received the controversial information that our house is already being offered for sale in the greasy portfolios of real estate investors. 1700m² of „uninhabitated space“ at a price of 2000€/m², offered possibly by none other than a project developer of the Padovicz network, Nudelmann & Friends Immobilien.
A few months before the elections the political pressure is high. No one wants to take responsibility for failing due to our determination to defend this space and its inherent idea. Everyone wants to take credit for appeasing the street and form another piece of this city according to their own interest. Precisely, to snatch another livable space from this city and prepare the ground for capital to increase the wealth of a few.
Since the district‘s councelor of construction, Florian Schmidt, is already rowing back out of fear of the consequences of his own actions, the senator for justice Behrendt has been doubting the legality of this mission. The effect of it being, that the senate will hear on Friday (5th March) Schmidt‘s proposal for another solution. Schmidt proposes an inspection by someone from the construction council (Bauaufsicht) without the cops. While our enemies in politics are divided, it is to be determined whether other politicians such as Geisel (Senator of the Interior, SPD) or Dregger (political arsonist, CDU), who want to play their game for power on all our backs, are about to burn their fingers on us. The red-red-green government cannot use flimsy social democratic policies such as rent caps and milieu protection, to hide that their policies have always served first and foremost the capitalist class.
For decades, those in power try to increase control over and economic use of the city by removing one obstacle after another. One such obstacle was the camp Rummelsburger Bucht. Its eviction was masked as “humanitarian” while in reality enabling the construction of Coral World. Such evictions are part of a broader strategy to get rid of everything that stands in the way of profit or does not fit into the hegemonic vision of the city. Those in power target and destroy self-organised spaces in which people connect to escape the misery they are pushed in by landlords, rulers, bosses, cops or machos who confront and exploit them daily, at work, inside personal spaces and the public sphere.
Places like KØPI Wagenplatz, the youth center Potse, Voigtstraße 36 or the collective bar Meuterei are also threatened by those who seek to satisfy a quest for profit. The responsible faces might vary from eviction to eviction but the logic behind remains the same. Every lackey who tries to expand their property and pocket profit by threatening and attacking spaces and ideas, has the same goal and amount of responsibility. On the other side our struggles are connected as we face the same enemies. Behind the screens, people like „Freiherr“ von Aretin threaten existences and ideas on multiple levels. While he was head of department for reprivatisation at the Treuhand, his office gives advise on weapons export business! (3) The cooperation of state and capital is visible in any attempt of eviction. Cops, politicians, judges, economic experts and journalists perform to legitimise all together political positions and means of state violence. Their concerted actions attack our structures.
Capital has appropriated words such as „alternative“ and the image that goes along, to sell us a city that is in fact grey and only safe and accessible to those with money. Neoliberalim has long found its way into city planning and the concept of „upgrading“ functions as an overall repressive plan. Turning the places we want to exist in, into uncomfortable and controllable places. We face a senate that attacks our political structures in the metropolitan field, leading to a direct confrontation between them and us.
We as Rigaer94, including the autonomous youth club Keimzelle and the open space Kadterschmiede, are part of the threatened autonomous structures. We chose to live self-determined, socially and politically together, while organising ourselves through horizontal procedures. We chose to stand as an obstacle against state and capital mechanisms inside and outside the walls of our house. We support and create territories of resistance in the city, we spread our ideas of self-organised communities. Territories to grow our community, to help and learn from each other and to oppose the system. Territories where the youth can meet autonomously, without the control of parents, teachers or bosses. Territories to organise a collective fighting back when someone is oppressed by authority and create rebellious neighbourhoods where resistance can be supported by a wider collectivity. To overcome the norms which society has forced upon us.
We see our political infrastructures as not only important for the inhabitants of our house but also for the broader community which organises against oppression and discrimination. Open structures where the spirit of comradeship and a neighbourhood in solidarity can grow. Structures that bring together struggling and revolutionary individuals to contribute on spreading the idea of autonomy and collectivity through discussions and actions. Groups and individuals that choose to socialise in spaces which are beyond consumerism and labour exploitation. Where people feel comfortable, eat, drink and warm up no matter if they have money or not. Where radical ideas are printed on brochures and posters or painted on walls, comforting individuals and surrounding them.
The defense of those structures not only belongs to the ones who live inside them but to everyone who can find themselves in them. It is a fight not only for us but for everyone! Let’s take the offensive in the streets! To not let any landlord and state servant be satisfied!
We call everyone who struggles to join this fight and realise the effects of constant state attacks. To attack back their own enemies, those who oppress us on a daily and constant basis. Let’s stand together for collective freedom, equality, solidarity and self-determination, on and beyond the 11th&12th of March. Let‘s show as a movement different forms and means of resistance.
When they try to break us, we will explode!
Solidarity is our weapon, Rigaer94.
(1) https://www.amazon.de/%C2%BBWas-kostet-Drecksbude-eigentlich-Immobilienmaklers/dp/B08TZ3HWZW/
(2) Scan of the letter.
(3) https://www.gvw.com/en/services/detail/foreign-trade-and-customs-law.html