Nachrichten aus dem Baskenland
Ein baskischer Ex-Gefangener wird vom Hausarrest befreit. In Berlin demonstriert ein Fußball-Trainer für Selbstbestimmung. In Pamplona wird während der Fiesta an einen Polizeimord erinnert. Eine Radfahrt richtet sich gegen das Projekt Hochgeschwindigkeitszug. Angehörige von ETA-Gefangenen dürfen Fahrtzuschüsse bekommen. Entlassene Gefangene, die nicht reumütig genug sind, wird das Arbeitslosengeld gestrichen. Themen aus dem Baskenland.
Hausarrest aufgehoben
Als der ETA-Gefangene Josu Uribetxeberria vor mehr als einem Jahr aus dem Knast entlassen wurde, war klar, dass ihm wegen eines Krebsleidens nur noch wenig Lebenszeit bleibt. Für die spanische Ultrarechte war diese Haftverschonung ein Skandal. Sie forderte vehement eine erneute Inhaftierung und erreichte zumindest, dass er unter bewachten Hausarrest gestellt wurde. Das politische Sondergericht Audiencia Nacional hob diesen Beschluss nun wieder auf. In einer kürzlichen Entscheidung war von einem Richter der AN abgelehnt worden, Uribetxeberria eine Funkfessel anzulegen. Diese Entschedídungen, zusammen mit einer Reihe von Freisprüchen für baskische Angeklagte mehren sich die Zeichen, dass einige der Richter der AN langsam von den ideologisch geprägten Verurteilungen Abstand nehmen und zu einer formal rechtsstaatlichen Rechtssprechung übergehen. (RB)
Fußball und Selbstbestimmung
Während der Großteil seiner Schützlinge bei der WM in Brasilien Spiele gewinnt oder verliert, war Bayern-Trainer Pep Guardiola in Sachen baskischer und katalanischer Selbstbestimmung unterwegs. Als in Berlin die im Baskenland stattfindende Menschenkette mit einer Solidaritätsaktion begleitet wurde, war Guardiola präsent und las eine Erklärung der Veranstalter. Bereits vor Jahren hatte er seine Sympathie für die katalanische Loslösung vom spanischen Staat bekundet. (RB)
Erinnerung an German Rodriguez
Der 8.Juli ist regelmäßig der dritte Tag der weltberühmten San Fermines Fiestas von Pamplona (Iruña). Es ist auch der Todestag von German Rodriguez, der 1978 in der Stierkampfarena von der spanischen Polizei erschossen wurde. Am Gedenkstein im Stadtzentrum finden seither Gedenkveranstaltungen statt. Zu keiner Zeit wurden die für den Polizeimord Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen. Aus diesem Grund hat die Familie von German beschlossen, sich 36 Jahre danach der Klage über den argentinischen Weg anzuschließen, der die Amnestie im spanischen Staat in Frage stellt und eine Aufarbeitung der Verbrechen des Franquismus und gegen die Menschlichkeit fordert.
Protest-Radfahrt gegen Schnellzug
Zwischen dem 25.Juli und dem 2.August zieht eine Fahrrad-Karawane durch verschiedene Orte von Bizkaia, um gegen das Projekt Hochgeschwindigkeitszug AHT/TAV zu protestieren, das schon zur Hälfte realisiert ist. In den vergangenen Wochen gab es wiederholt Skandale um den AHT: tödliche Arbeitsunfälle, keine Arbeitsaufsicht, es kam heraus, das eine 11-Millionen-Brücke umsonst gebaut wurde, weil die Strecke abgeändert werden musste. Weitere 1,2 Millionen wurden ausgegeben für private Sicherheitsunternehmen, die nach 2012 weiter patroullierten, explizit wegen Gefahr von ETA-Anschlägen, obwohl dieser Seite keine Gefahr mehr bestand. All das in einer Zeit von Arbeitslosigkeit und Sozialkürzungen. Die Radkarawane besucht mehrer Orte und sucht den Kontakt zur betroffenen Bevölkerung.
Fahrtzuschuß für Angehörige legal
In einer überraschenden Entscheidung hat das Oberste Spanische Gericht (TS) für rechtmäßig erklärt, dass die baskische Regierung im Jahr 2009 den Angehörogen von ETA einen Fahrtkosten-Zuschuss bereit gestellt hatte für ihre Fahrten zu den Gefängnissen. Hintergrund ist die illegale Politik der spanischen Regierung, die baskischen politischen Gefangenen nicht, wie es im Gesetz vorgeschrieben ist, heimatnah unterzubringen, wie es der Gedanke der Wiedereingliederung vorsieht, sondern so weit wie möglich von ihrem Heimatort entfernt. Das hatte und hat zur Folge, dass manche Angehörige jedes Wochenende bis zu 1000 Kilometer zum Besuch fahren müssen, wenn es sich um ein andalusisches Gefängnis handelt. Und nochmal 1000 zurück. Bestraft werden durch diese Maßnahme nicht die Gefangenen selbst, sondern die Angehörigen, das Unfallrisiko erhöht sich drastisch bei den langen Fahrten. In der Vergangenheit kamen 15 Angehörige bei Unfällen ums Leben. Allein in diesem Jahr kam es schon zu sieben Unfällen.
Für den Sozialsenator der baskischen Regierung im jahr 2009 war diese Situation Grund genug, eine humanitäre Maßnahme zu beschließen und die Fahrten zu den weit entfernt einsitzenden Gefangenen mit 215.000€ zu subventionieren. Denn neben der Unfallgefahr kostet die Dispersion (Verteilung) der Gefangenen auf den ganzen Staat die Besucher/innen eine Menge Geld, manche Familien haben jährliche Kosten bis zu 20.000€.
Wie nicht anders zu erwarten, verursachte die Subvention heftige Kritik. Baskische Gefangene würden somit bevorzugt, und sogar von der Regierung “protegiert“. In der spanischen Justiz war man der Meinung, die baskische Regierung habe keine Kompetenz im Bereich der “Resozialisierung“ von Gefangenen. Außerdem verstoße die Maßnahme gegen das “Gesetz zur Anerkennung und Reparation von Opfern des Terrorismus“. Ganz zynisch wurde außerdem argumentiert, die baskische Regierung habe ihre Kompetenzen überschritten und sich in fremde Gebiete gewagt, der Zuschus hätte allenfalls für Fahrten im Baskenland bezahlt werden können – nur gibt es dort keine Gefangenen.
Das Oberste Gericht des Baskenlandes hatte die Subvention 2011 für rechtmäßig erklärt, dem schloß sich das Oberste Gericht in Madrid nun an. Momentan sind im spanischen Staat 365 Gefangene von ETA oder aus der baskischen Linken inhaftiert, im französischen Staat sind es 99, weitere drei in England und Portugal. Da die spanische Regierung sich weigert, ihre eigenen Gesetze zu respektieren und die Dispersion zurückzunehmen, sind tausende von Familienangehörige und Freund/innen jede Woche weiterhin gezwungen, Entfernungen zwischen 460 und 1000 Kilometer zurückzulegen. Und wieder zurück.
Kein Arbeitslosengeld für Ex-Gefangene
Gefangenen, die ihre Strafe abgesessen haben, steht als Wiedereingliederungs-Maßnahme eine Art von Arbeitslosengeld zu, wenn sie entlassen werden. Eigentlich. Denn wie immer ist bei politischen Gefangenen alles anders. Als nach dem Entscheid des Europäischen Menschenrechts-Gerichtshofs im Oktober Gefangene entlassen werden mussten, denen willkürlich die Strafzeit verlängert wurde, kamen auch JM. Zabarte und I. Aikaiturri frei, nach 28 bzw 22 Jahren. Der Bezug des Arbeitslosengeldes wurde ihnen jedoch verweigert mit der Begründung, sie hätten nicht deutlich gemacht, dass sie ihre politischen Taten bereuen. Tatsächlich fordert das neue Strafentlassungs-Gesetz – ausschließlich von ETA-Leuten versteht sich – dass sie sich gleich mehrere Büßerhemden überziehen. Erstens müssen sie eine Erklärung abgeben, in der sie Terrorismus ausdrücklich verurteilen. Zweitens ihre “verbrecherischen Taten“ in Worten bereuen. Drittens die Opfer um Verzeihung bitten. Vierte Bedingung ist, dass ein Gutachten bestätigen muss, dass sich die Ex-Gefangenen tatsächlich von ETA entfernt haben. Spanische Justiz eben. Rachejustiz, die lebenslange Vergeltung sucht, wo der Justiz eigentlich bereits Genüge getan wurde. Die entlassenen Gefangenen sollen sich auf dem Boden krümmen bis ihnen der letzte Rest Würde verloren geht. Aus Staatsräson.