Wer bekommt das größte Stück vom Kuchen? Marshallplan with Africa… die G20-Afrika-Konferenz in Berlin am 12. und 13. Juni
Im Vorfeld der G20-Konferenz im Juli in Hamburg soll eine G20-Afrikakonferenz in Berlin Schöneberg im Gasometer statt finden.
Berliner Afrika-Gipfel 2.0?
1884/5 fand bereits eine Afrika-Konferenz der europäischen Kolonialmächte in Berlin statt, dabei wurde Afrika "aufgeteilt" und die jetzigen Grenzen der afrikanischen Staaten festgelegt - Menschen aus Afrika waren natürlich nicht beteiligt.
Am 18.5.2017 dekonstruierte Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung Tübingen im Regenbogenkino in Berlin den Marschall-Plan "für" Afrika..
Unser Fazit:
Der Marshallplan für Afrika ist bestenfalls ein schlecht strukturiertes, folgenloses Papier. Profitieren sollen afrikanische und vor allem deutsche Großunternehmen.
Afrika wird vor allem als aufzuteilender Markt gesehen. Flankiert wird dies durch militärisch/zivile Kooperationen, die einerseits die Voraussetzungen für eine funktionierende ökonomische Ausbeutung schaffen und sichern sollen, aber zusätzliche weitere Ziele haben, wie geopolitische Präsenz und die Kontrolle der Migration.
Am 2. Juni begannen die Aktionstage gegen die G20-Afrikakonferenz in Berlinmit einer gutbesuchten Kundgebung und Film zu Benno Ohnesorg 50 Jahre nach seiner Ermordung durch deutsche Polizisten.
Weitere Infos unter:
http://wirsindwuetend.blogsport.eu/
https://actiondaysberlin.noblogs.org/
https://antig20berlin.noblogs.org/
Zusamenfassender Bericht über die Veranstaltung:
Wer bekommt das größte Stück vom Kuchen? Marshallplan with Africa…
Am Do., 18.5.2017 im Regenbogenkino
Einleitung
Um den „Marshallplan“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) [1] bewerten zu können, hat die Moderatorin die Aufteilung Afrikas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Kolonialmächte angerissen: Beschleunigt durch die so genannte Afrikakonferenz in den Jahren 1884/85, bei der Handelsfragen und Landnahme unter den Kolonialmächten geklärt wurden, kam es zu einem regelrechten Wettlauf um koloniale Besitzungen. „Hatten sich 1876 gerade einmal rund zehn Prozent des afrikanischen Kontinents in europäischer Hand befunden, änderte sich die Situation in nur 25 Jahren dramatisch. 1902 hatten die Kolonialmächte 90 Prozent des Territoriums Afrikas untereinander aufgeteilt.“ [2] Dabei fallen Parallelen zur aktuellen Politik des BMZ auf: AfrikanerInnen waren und sind nur Objekt der Planungen Deutschlands; Deutsches „Engagement“ und deutsche Planungen waren und sind ein Startsignal für einen Wettlauf um Macht und Märkte; Ziele und Auswirkungen des „Marshallplan“ wurden in einem Referat von Christoph Marischka in drei Abschnitten skizziert.
Ein Marshallplan mit Afrika - Versuch der Dekonstruktion
Frauen und Jugend werden in dem Papier in neoliberalem, volkswirtschaftlichem Duktus als Potenzial, als demografische Dividende benannt. Weitere „Ressourcen“ sind Öl, Metalle und Mineralien, Seltene Metalle und Minerale sowie „sonstige Flächen“ (Landwirtschaft, Naturschutzgebiete, Städte).
Der „Marshallplan“ wie auch das „Afrikajahr“ als allein von der deutschen Bundesregierung ausgerufene Projekte verschleiern, dass es sich um eine unilateral ausgerufene Initiative der deutschen Bundesregierung handelt. Leitmotiv des Marshallplans sei es „den Schulterschluss mit der Privatwirtschaft zu suchen“ [3].
In Zukunft solle es weniger Subventionen, dafür aber mehr private Investitionen geben. Entwicklungshilfegelder sollten nicht mehr an Regierungen oder Organisationen, sondern an Unternehmen fließen, die in Afrika investieren wollen, und deren unternehmerisches Risiko minimieren. Dies sei auch für öffentliche Güter wie Bildung, Gesundheit, soziale Absicherung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und andere sich ökonomisch nicht direkt verwertbare Güter angestrebt. Hinter „Entwicklung“ verberge sich „Privatisierung“ durch deutsche und internationale Unternehmen, unterstützt durch „Entwicklungshilfegelder“.
Der Marshallplan ist also ein verschärftes neoliberales Projekt, das vorrangig der deutschen Industrie und deutschen Kapitalgesellschaften nutzen soll. Er wird darüber hinaus Signalwirkung innerhalb der G20 haben: Ab jetzt unterstützt Deutschland umfangreich in die Erschließung afrikanischer Märkte. Damit ist ein neuer Wettlauf um Afrika absehbar.
Die G8 und Afrika
Anschließend wurde dargestellt, wie bisherige Aktivitäten der G7/G8 mit Bezug auf Afrika v.a. zur Militarisierung des Kontinents und der Konflikte beigetragen hätten: Die Gründung der Afrikanischen Union (AU) 2002 stehe in Zusammenhang mit Vorhaben der G7/G8 Länder. Der „G8 Africa Action Plan“ (Kananaskis, 2002 / Sea Island, 2004) sah die Schaffung einer (militärischen) Afrikanischen Friedenstruppe vor. Unter US-Führung sollten bis 2010 75.000 Soldaten ausgebildet werden. Dieses Ziel wurde bereits 2009 mehr als erfüllt. Im Zuge dieses Ausbildungsprogramms konnten die USA ein weitreichendes Netzwerk von Militärstrukturen und Quasi-Militärbasen auf dem afrikanischen Kontinent aufbauen, das heute unter Kontrolle des zwischenzeitlich eigens gegründeten US-Oberkommandos für Afrika (AfriCom) steht.
Erstaunlich schnell, bereits ab 2005, fanden im Sudan erste militärische Einsätze von AU-Truppenteilen statt. Bezeichnender Weise in einer Region, die sich dem Zugriff der NATO-Staaten weitgehend entzogen hatte. [4] Die den „Frieden überwachende“ Aktion in Darfur, Sudan wurde von der NATO gestützt und gesteuert, denn die NATO verfügt über die notwendige Logistik. Bezahlt werden die AU-Missionen seit dem ganz überwiegend aus dem European Development Fund / African Peace Facility (1,9 Mrd. Euro seit 2004) der Europäischen Union. Militärisch von der US-Armee geschult, organisiert von der NATO, finanziert von der EU kämpfen und sterben afrikanische Soldaten.
Die militärische Aufrüstung und zugleich Unterwerfung Afrikas ist zwar kein gewichtiger Teil des „Marshallplans“ des BMZ, aber sie flankiert die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands, der EU und der NATO.
Ein weiteres Beispiel für das Engagement Deutschlands ist die Ausrüstung und Ausbildung von Grenzschutz und Militär in Sudan [5] oder das von der GIZ durchgeführte „Polizeiprogramm Afrika“ u.a. in Niger, Nigeria und Tschad.
Die Unterstützung despotischer Regime wird im „Marshallplan“ nicht erwähnt, obwohl sie reguläre Praxis des BMZ ist. Die Schaffung von territorialen Grenzen und ihre Kontrolle, sowie die biometrische Erfassung möglichst großer Bevölkerungsteile werden im „Marshallplan“ unterschlagen.
Beispiel Äthiopien
Äthiopien ist ein autoritäres Regime, das von einer Partei regiert wird, die sämtliche Abgeordneten des Parlaments stellt. Willkürliche Festnahmen und Tötungen von DemonstrantInnen geschehen in Äthiopien regelmäßig. Für die Bundesregierung spielt Äthiopien dennoch eine Rolle als „Stabilitätsanker“. Bei einem Staatsbesuch der Kanzlerin Merkel wurde die militärische Funktion Äthiopiens gepriesen. Der Staat ist aus EU-Perspektive außerdem wesentlich, um MigrantInnen aus der benachbarten Diktatur Eritrea aufzuhalten. [6] So beauftragte und finanzierte das Auswärtige Amt die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ, ein Tochterunternehmen des BMZ) ein „Gebäude für Frieden und Sicherheit“ in der Hauptstadt Addis Abeba zu errichten. Unmittelbar vor dem Besuch der Kanzlerin Merkel im Oktober 2016 wurde die Notstandsgesetzgebung ausgerufen, die noch immer gilt. Proteste entwickelten sich wegen der Vertreibung und politischen Entrechtung 10.000er Menschen aus dem Umland der Hauptstadt. Sie sollen exportorientierten Großfarmen weichen. Auch in der Provinz finden großflächige Umsiedelungen statt und Menschen werden für landwirtschaftliche Großprojekte ihrer Lebensgrudlagen beraubt.
Fazit
Der Marshallplan für Afrika ist bestenfalls ein schlecht strukturiertes, folgenloses Papier. Profitieren sollen afrikanische und vor allem deutsche Großunternehmen. Deutsche Unternehmen sollen Vergünstigungen erhalten, damit sie sich auf den afrikanischen Märkten besser etablieren können, bevor diese von den Unternehmen anderer Nationen besetzt werden.
Afrika wird im Gegensatz zur Kolonialzeit vor allem als aufzuteilender Markt, weniger als aufzuteilende Fläche gesehen. Flankiert wird dies durch militärisch/zivile Kooperationen, die einerseits die Voraussetzungen für eine funktionierende ökonomische Ausbeutung schaffen und sichern sollen, aber zusätzliche weitere Ziele haben, wie geopolitische Präsenz und die Kontrolle der Migration.
[1] http://www.bmz.de/de/laender_regionen/marshallplan_mit_afrika/
[2] https://www.heise.de/tp/features/Die-Aufteilung-des-schwarzen-Kontinents...
[3] Siehe auch: http://www.imi-online.de/2017/05/15/ein-marshall-plan-fuer-afrika/
[4] Dass die örtlichen Milizen vor Ort Massaker und Terrorherrschaft zu verantworten haben, wurde ebenfalls erwähnt.
[5] http://www.swr.de/report/fluechtlingsdeal-mit-despoten-deutsche-entwickl...
Und: http://ffm-online.org/2016/04/14/leaked-non-papers-on-eu-readmission-wit...
[6] http://www.imi-online.de/2016/10/21/merkel-in-aethiopien/
********* AUDIO - MITSCHNITT ******
Den Audiomitschnitt der Veranstaltung "Wer bekommt das größte Stück vom Kuchen? Marshallplan with Africa…" am 18.05. im Regenbogenkino in Berlin-Kreuzberg findet ihr unter
http://www.freie-radios.net/83318
und
https://archive.org/details/20170518G20AfricanPartnershipVeranstaltung
** Direktlinks zu den Audiodateien:
Der ganze Vortrag - https://archive.org/download/20170518G20AfricanPartnershipVeranstaltung/...
1. Teil Der Marshallplan der Bundesregierung - https://archive.org/download/20170518G20AfricanPartnershipVeranstaltung/...
2. Teil G7/G8 und die Hochrüstung Afrikas - https://archive.org/download/20170518G20AfricanPartnershipVeranstaltung/...
3. Teil Äthiopien als Beispiel wirtschaftlicher "Entwicklung" - https://archive.org/download/20170518G20AfricanPartnershipVeranstaltung/...