Hilfe für Mumia Abu-Jamal zu spät?
Gefangener Journalist schwerer erkrankt, als bisher bekannt
Am 31. März erfuhr der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal von der ärztlichen Abteilung der Gefängnisbehörde von Pennsylvania (USA), dass seine Hepatitis-C Behandlung nun aufgenommen wird. Grund sei neben der juristischen Auseinandersetzung vor allem seine bereits eingesetzte Leberzirrhose. Damit ist nun Gewissheit, was Mumia und seine Unterstützer*innen seit Sommer 2015 immer wieder kritisiert haben: die staatliche Nichtversorgung von Gefangenen ist lebensbedrohend.
In einem am 31. März 2017 von Prison Radio geführten Interview nahm Mumia - für ihn ungewöhnlich emotional - dazu Stellung: „Meine erste Reaktion darauf war Schock, Wut, Ungläubigkeit. Wenn ich 2015 behandelt worden wäre, wenn ich 2012, als sie eigener Auskunft zufolge erstmals die Diagnose stellten, behandelt worden wäre, wäre die Schädigung meiner Leber nicht so weit fortgeschritten. […] Ich denke, dass das jetzt für viele Mitgefangene in den Gefängnissen Pennsylvanias ein Schritt voran und ein großer Tag ist, aber ich kann euch versichern, dass ich selbst mich im Moment gar nicht so fühle.“
Sollte Abu-Jamal in der weiteren juristischen Auseinandersetzung gegen die Gefängnisbehörde von Pennsylvania Erfolg haben, könnte der Bundesstaat dazu gezwungen sein, allen ca. 6000 an Hepatitis-C erkrankten Gefangenen medizinische Hilfe zu geben. Das hätte auch Präzedenzcharakter für alle Gefangenen weit über den Bundesstaat hinaus. Unterschiedlichen Angaben zufolge sind zwischen 400 – 700.000 der insgesamt ca. 2,3 Millionen Gefangene in den USA betroffen. Aufgrund der extrem hohen Kosten (70 – 90.000 US-$ pro Gefangene*r) ist inzwischen eine öffentliche Debatte entbrand, die jedoch die Bedürfnisse der Gefangenen den ökonomischen Verwertungsinteressen der Gefängnisindustrie unterordnet.
Mumia selbst hat als Folge der zögernden Haltung der Behörden bereits unumkehrbare gesundheitliche Schäden erlitten. Teile seiner Leber sind vernarbt. Zwar könnte ein Fortschreiten der Leberzirrhose durch die Behandlung wahrscheinlich gestoppt werden. Aber das Krebsrisiko ist dadurch deutlich erhöht und macht regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen notwendig, welche für Gefangene extrem schwer zu erhalten sind.
Am 6. April 2017 erhielt Mumia tatsächlich die erste von insgesamt 84 Medikationen, die er von nun an täglich für die nächsten drei Monate einnehmen wird. Allerdings kann auch diese längst überfällige Behandlung gefährdet werden.
Die Gefängnisbehörde von Pennsylvania klagt vor dem 3. föderalen Bundesberufungsgericht der USA gegen eine Entscheidung des Distrikt-Bundesrichter Mariani, der die Nichtbehandlung von Gefangenen als verfassungswidrig eingestuft hat und eine einstweilige Verfügung erließ, den Kläger Abu-Jamal spätestens ab dem 25. Januar 2017 zu behandeln. Das 3. Bundesberufungsgericht hat die einstweilige Verfügung bestätigt, allerdings noch keine Entscheidung in der Sache an sich getroffen.
Gleichzeitig hat der Bundesstaat Pennsylvania deutlich gemacht, in dieser Angelegenheit notfalls bis vor die höchste Instanz, den US Supreme Court zu ziehen, dessen Besetzung Präsident Trump in der jüngsten Vergangenheit zu einem politischen Schwerpunkt gemacht hat. Der Kampf von Mumia und anderen Gefangenen, ihre Grundrechte auf medizinische Behandlung und Menschenwürde in der modernen Sklaverei, der Gefängnisindustrie durchzusetzen, verläuft unter den aktuellen politischen Bedingungen in den USA extrem steinig und mühsam.
Mumia Abu-Jamal wird in den kommenden Wochen auch einen erneuten Anlauf unternehmen, seine Verurteilung von 1982 aufzuheben. An seinem Geburtstag, dem 24. April 2017, findet in Philadelphia eine juristische Anhörung über Unregelmäßigkeiten in seinen früheren Berufungsverfahren statt. Der ehemalige Bezirkstaatsanwalt Ronald Castille war u.a. daran beteiligt, Mumias Berufung von 1988 gerichtlich zu verhindern. 1994 saß er dann mit Wahlunterstützung der rechten Polizeibruderschaft Fraternal Oder of Police (FOP) im Pennsylvania Supreme Court (PASC), um Mumias Klage dagegen abzuweisen.
Die FOP ist seit Mumias Verhaftung von 1981 die treibende politische Kraft, um den kritischen Journalisten in die Todeskammer (und seit 2012 für immer in Haft) zu bringen. Wg. des offensichtlichen Interessenskonfliktes forderte Mumias Verteidgung Castille 1994 auf, sich aus dem Fall zurückziehen. Er weigerte sich und begründete es überraschend offen damit, dass fast alle Richter*innen des PASC Wahlunterstützung durch die FOP erhalten hätten.
Castille verhielt sich in weiteren Verfahren ähnlich, was dem inzwischen pensionierten Richter vor kurzem zum Verhängnis wurde. Mumias Mitgefangener Terrence „Butter“ Williams konnte nun vor dem US Supreme Court durchsetzen, dass Castille sich in seinem Verfahren aus eben diesem beschriebenen Interessenskonflikt hätte raushalten müssen (Williams v. Commonwealth/). Ob nun auch Mumia am 24. April 2017 einen neuen Klageweg zugesprochen bekommt?
Vor diesem Hintergrund ruft die länderübergreifende Solidaritätsbewegung nun wieder verstärkt zu Spenden auf, um die Bewegung in den USA bei den politischen und juristischen Auseinandersetzungen zu unterstützen:
Rote Hilfe e.V.
Sparkasse Göttingen
IBAN: DE25 2605 0001 0056 0362 39
BIC: NOLADE21GOE
Stichwort: "Mumia"
Alle Spenden werden an das New Yorker „Comittee to Safe Mumia Abu-Jamal“ weitergeleitet.
Ergänzungen
Berlin: Soli-Konzert und Infoveranstaltung
Sa. 22. April 2017 - Berlin - Fischladen - Soli-Abend FREE MUMIA - Free Them ALL! - ab 20 Uhr
Soli-Abend mit Küche für Alle und Cocktails für Reisekosten zu Haftbesuch in den USA
ab 22 Uhr live mit Knattertones (Ska/Punk/Reggae) + Candy and the Stripes (Acoustic Punk)
danach DJ*s
Fischladen - Rigaerstr. 83, 10247 Berlin-Friedrichshain (U5-Samariterstr)
Mo, 24. April 2017 - Berlin - Soned e.V. - ab 20 Uhr – Freiheit für Mumia Abu-Jamal!
Kiezküche und Information: An Mumias 63. Geburtstag geben wir einen aktuellen Überblick über seine Situation, insbesondere im Zusammenhang mit den Gefangenenkämpfen für medizinische Versorgung im US Bundesstaat Pennsylvania.
Soned e.V. - Kreuzigerstraße 19, 10247 Berlin-Friedrichshain (U5-Samariterstr)