Moderne Wege für Gentri-Großprojekte in „schwierigen Lagen“ am Beispiel des Feldstr-Bunkers in Hamburg
In Hamburg können wir gerade staunend betrachten wie schwer durchsetzbare Bauprojekte sogar in Vierteln mit tendenziell aktiver gentrifizierungskritischer Bevölkerungsstruktur verwirklichbar sind.
Man nehme das großstädtische Verlangen nach „grün“, spicke es mit basisdemokratischen/ aktivistischen Begriffen und startet unter Nutzung der guten Medienkontakte eine fette Werbekampagne. (Betrachtungswinkel eines Anwohners)
Im letzten Quartal 2014 bekamen wir über die Medien die frohe Kunde, dass uns ein Park auf dem Feldstr-Bunker gebaut werden soll, viel Fläche zum Erholen, „urban gardening“ und „über Hamburg“ schauen.
Das Ganze auch noch mit „Bürgerbeteilung“ erdacht von einer „Stadtteilini“, die zu Info-Veranstaltungen inkl Mitmach-Angebot einluden.
Bei genauerem Hinschauen wurde klar, dass ein fünfstöckiger Neubau auf den Bunker gesetzt werden soll, der dann begrünt werden soll, das stieß natürlich mindestens auf Skepsis.
In den Veranstaltungen wurde -wie schon in den Medienberichten- das Hauptaugenmerk auf das „Grün“ gelegt, an dem wir alle mitplanen sollten.
Viele fanden einen Park gut, aber wollten erstmal den fünfstöckigen Neubau besprechen bzw verhindern. Doch dieser Neubau wurde als Finanzierungsnotwendigkeit dargestellt, so dass auch die Höhe unverhandelbar war.
Die „Stadteilini“ entpuppte sich als MitarbeiterInnen & FreundInnen der durchführenden Agenturen, die auch schon längst -also vor Viertelgesprächen- mit der Stadt über das Projekt verhandelt hat.
Die genannten Quadratmeterzahlen für den Park beinhalteten sowohl vertikale Grünflächen als auch die Rampe, die ums Gebäude gewickelt werden soll um den Aufstieg und vor allem die Fluchtwege zu bewerkstelligen. „Urban Gardening“-Projekte sahen sich vereinnahmt und wehrten sich gegen de Nutzung des Begriffes in diesem Zusammenhang, zudem sehr fraglich war und ist wie das in 70m Höhe funktionieren soll.
Generell wurde der Park als öffentliche Fläche beschrieben, die mit einem Caf'è zum allgemeinen Verweilen einladen sollte. Es wurde gleich klar, dass es natürlich eine Mengenbegrenzung geben wird, zudem -wie gleich noch erwähnt- die Menge an Neubau-BesucherInnen natürlich zur Fluchtweg-Menge hinzugezählt werden müssen.
Die Machbarkeit eines Parks in der Höhe/ schwierigen gärtnerischen Umgebung war (und ist) zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geklärt. Dass es sich nicht um etwas wie „die Natur holt sich den Raum zurück“ handeln wird, war aber schon klar. Mittlerweile sind im Boden festgenagelte Bäume und ähnlich kulturvierte „Natur“ angedacht. Wie „grün“ das dann in der Realität werden könnte ist sehr fraglich, um es wirklich ganzjährig auf allen Seiten grün zu halten bedarf es doch sehr viel Aufwand und Sachverstand.
Zum eigentlichen Neubauprojekt wurden dann auch eher verschleiernde Allgemeinplätze aufgemacht, kein Hotel – nein, kulturelle Gästehäuser, die Kulturschaffende für den Hamburg-Aufenthalt nutzen sollen; Büros für kulturell arbeitende Agenturen und dergleichen mehr. Hierfür hatte man die Kulturbehörde schon mit ins Boot geholt, die -wie später bekannt wurde- dafür eine kostenfreien Erbpachtverlängerung in Aussicht stellt.
Auch „kulturell“ sollte die Halle mit 2000 Plätzen sein, also praktisch die Schwester der nebenan verhinderten Musichall in der Rindermarkthalle.
Bei diesen Veranstaltungen wurde der Gentri-Gap zwischen eher diy-orientierten, (links-)politischen BewohnerInnen und den sich auch linkspolitisch verstehenden Szeneviertel-BewohnerInnen deutlich, leider nicht nur zwischen Bühne und Publikum…
Zwischendurch sei mal angemerkt, dass der Bunker einer der wenigen ist, der seit Jahrzehnten genutzt wird, erst als Studio des NWDR (zB tagesschau), später als „Foto-Bunker“ und aktuell als großer Veranstaltungsbedarf-Handel, Tontechnikschule und Events. Dies bringt natürlich auch schon ordentlich Mietumsätze, so dass es wohl keine wirtschaftliche Notwendigkeit des Flächenausbaus gibt.
Der Bunker ist so wie er dasteht für Viele ein belebtes Mahnmal, er sticht raus aus dem Strassenbild, ist einer der wenigen mit Flag-Türmen und hat somit eine starke Denkmalausrichtung.
Und zwar für dreierlei, die ZwangsarbeiterInnen, die ihn erbauten; die Menschen, die darin beengt Schutz suchen mussten und mit der Bewaffnung für/gegen Krieg im Ganzen.
Leider wurde es aus verschiedenen Gründen verpasst, eine große, breite Gegenbewegung aufzubauen (Olympia drohte, viele sahen es eh als nicht-genehmigungsfähig an, usw).
Nichtsdestotrotz meldeten sich immer mehr Gegenstimmen, die leider nicht gebündelt wahrgenommen wurden, so dass der Planungs- und Werbeprozeß immer weiter lief.
Der Greenwashing Verein „Hilldegarden“ stellte einen Planungscontainer auf, der stark an die Planungswürfel der Rindermarkthallen-Inis und den Essohäuser-Container erinnerte, und scharrte um die fünfzig Interessierte zur Parkplanung um sich.
Gleichzeitig wurde immer wieder der Park in den Medien beworben (teilweise völlig ohne Erwähnung des damit verbundenen Neubaus), natürlich gespickt mit tollen Werbebildchen, bei denen die Höhe nicht so krass erscheint und vor allem in dem keine Fenster eingebaut sind (also ganzflächig grün).
Im November 2015 gab es eine „öffentliche Anhörung“ seitens der Stadt.
Auffällig war gleich, dass das Denkmalamt es nichtmal für nötig hielt zu erscheinen, es waren anwesend der Bezirksamtleiter, ein Vetreter der Baubehörde, Bezirkspolitiker, die durchführende Agentur und Herr Matzen als Investor.
Der „Park“ reichte wohl nicht als AnwohnerInnen-Bestechung, nun gab es noch ein „soziales Zentrum“ in Form von kostenfrei (?) nutzbaren Räumen obendrauf.
Zudem wurde der Gruppe, die sich um das Gedenken kümmerte ein Denkmalraum zugesprochen.
Diese Gruppe hatte sich von der „Hilldegarden“-Planung abgespalten, da Einige sowieso gegen die Aufstockung des Mahnmals waren. Diese Gruppe forderte eine Gedenkplatte neben dem Eingang, was Herr Matzen allerdings nur im Gesamtprojekt verwirklichen möchte.
Die Themen Lärm und Verkehr wurden seitens der Agentur mit „ist schon viel da, kommt ein wenig dazu“ abgetan, was für zunehmend Lärmgeplagte eher unverschämt klang.
Die drohende Verschattung des Karoviertels wurde mit „einige Stunden in der Winterzeit“ runtergespielt, gerade in der dunklen Zeit ist jede Sekunde Sonne wichtig.
Die Baubehörde meinte, das Ganze sei genehmigungsfähig, da als Vergleichshöhe nicht die Häuser auf der anderen Straßenseite oder gar die danebenliegende U-Bahnhaltestelle genommen würde, sondern der Schwesterbunker, das Telekomgebäude, auf der anderen Seite des Heiligengeistfeldes und da gäbe es keine Höhenprobleme.
Mit dem Denkmalamt sei man sich auch einig, hieß es.
Nun wurde die „kulturell genutzte Halle“ plötzlich noch zur Sporthalle, die der FC St Pauli mieten werde, also der Stadteilverein, dessen Fanszene für ihre stadteilpolitische Aktivität bekannt ist.
Nun haben wir „Stadteil-Ini“, „Urban Gardening“, „Bürgerbeteiligung“, „Denkmalraum“, „öffentlicher Park“, „Viertelräume“ und „FC St Pauli“ um den Neubau schön zu reden.
Mittlerweile heissen die kulturellen Gästehäuser doch 154-Betten-Hotel, wobei einige Räume speziell für Kulturschaffende und Gäste des FC St Pauli sein sollen. Der Verein wird nun immer mehr zum Pro-Argument, denn auch die nötigen Parkplätze sollen temporär als Fußballplatz genutzt werden können.
Dass ein so beliebter Sportverein Probleme hat geeignete Flächen in einer Immobilenboom-Area zu finden ist klar, wenn er auch noch eine solche stadteilpolitische Reputation hat, nimmt man ihn natürlich gerne für seine Werbezwecke.
Irgendwo zwischen den Zeilen lässt sich immernoch lesen, dass die Sporthalle eher eine Mehrzweckhalle mit bis zu 52 Events im Jahr werden soll, also weiterhin die Befürchtungen einer Musichall berechtigt sind.
Der FC St Pauli hat sich länger gar nicht dazu geäußert, obwohl mit seinem Namen Werbung für dieses Projekt gemacht wurde, um sich jetzt kurz vor der politischen Entscheidung öffentlich dafür auszusprechen, was vielen Fans und Vereinsmitgliedern sehr übel aufstösst, vor allem, weil bisher eher zu hören war, dass das vereinsintern ein stark diskutiertes Thema ist.
Hier das Gleiche wie bei der „Parkplanung“, wenn man aktzeptiert hat, dass dort ein fünfstöckiger Neubau drauf kommt, ist klar, dass man sich um die Sportflächen bewirbt, aber sich aus dem Dilemma der fehlenden Sportflächen heraus diesem Gentri-Großprojekt anzudienen, rüttelt stark an der Stadtteilorientiertheit dieses Vereins…
Am gleichen Tag hat das Recht-auf-Stadt-Netzwerk sich klar gegen dieses Bauvorhaben positioniert (http://www.centrosociale.de/ras-bunker) und darin noch den FC St Pauli aufgefordert, nicht auf diese Werbekampagne aufzuspringen.
Nun soll am Dienstag (05.07.) entschieden werden, für alle betrachtbar in der öffentlichen Beziksversammlung:
Sitzung der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte
Di, 05.07.2016 17:30
Saal der Bezirksversammlung Klosterwall 4, 20095 Hamburg
TOP 1 Bauvorhaben "Bunker Feldstraße"
Dieses mal aus meinem Blickwinkel zusammengestellt, es gibt natürlich noch andere Betrachtungsweisen, besser formulierte Texte und hier fehlende Aspekte.
Zum Beispiel hat die Seite www.feldbunker.de ne Menge Infos (inkl Videos von einer „Bunker von unten“-Infoveranstaltung) und die „Mitarbeit“ der Medien wird hier am Beispiel des abendblatts beleuchtet: https://stop-greenwashing.blogspot.de/2016/06/man-kann-nurspekulieren-warum-der.html
Den Schluß übernehme ich mal aus dem RaS-Papier:
„Stadtplanung ist keine Werbekampagne!
Die Bewohner der Stadt lassen sich nicht für dumm verkaufen!
St. Pauli braucht keine weiteren Hotels und Eventhallen zur Erhöhung privater Geschäftsrendite!“
Oder um es mit nem alten Floraspruch zu sagen: „Ich würd's so lassen!“
Ergänzungen
politisch entschieden
erfreulich in der Bezirksversammlung war, dass 26 von 45 gegen den rotgrünen Antrag zur "Aufstockung light" waren, doof war die "Fraktionsdisziplin" die zum Abstimmungsergebnis von 31:14 für den Antrag führte, zudem unglaubliches blabla...nun hat auch die taz unkommentiert die grünen Werbebildchen, die (achtung) bild zeigt am deutlichsten das Kommerzielle daran...hoffen wir auf negative Bauprüfung!