Statement zur Verteidigung der Liebig34

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Liebig34 am 06.10., während der eine Vertrerter*in des Kollektivs vor laufender Kamera in Gewahrsam genommen wurde.

 

In den vergangenen Jahren und vor allem Wochen wurden viele Sachen über die Liebig 34, das anarcha queer feministische Eckhaus an der Liebigstraße mit 30 Jahren Kollektivgeschichte, gesagt, berichtet, gemutmaßt.
Jetzt, kurz vor dem offiziellen Räumungsversuch, werden wir selbst noch mal ein paar Sachen sagen.

Zunächst wollen wir klarstellen, dass es sich bei der Räumung der
Liebig34, die bereits mit einem absurd hohen Polizeiaufgebot geplant
wird, um eine illegale Räumung handelt. Die Vertreter*innen des Raduga und des Mittendrin e.V. werden dazu noch genaueres sagen.

Die Illegalität der Räumung zeigen wir nicht auf, weil sie uns überrascht. Wir
zeigen sie auf, da sie die Willkür eines sogenannten Rechtsstaats deutlich macht.
Die Räumung der Liebig34 wird in der Öffentlichkeit oft
mit der vermeintlichen Wahrung des Rechtsstaates begründet, dabei ist vor allem an
diesem Beispiel erkennbar, dass es von ökonomischen und politischen
Interessen abhängig ist, wer Gerechtigkeit in diesem Staat erfährt. Es zeigt eine Stadtpolitik auf,
die im Sinne von Grossinvestor*innen und Kapital handelt und nicht im Sinne der Menschen, die diese Stadt beleben und sie massgeblich seit Jahrzehnten gestalten.
Mit der Liebig wuerde nicht nur ein zu Hause verloren gehen, ein kultureller Ort der Begegnung, sondern auch ein zentrales Stueck Stadtgeschichte Berlins.

Dass staatliche Strukturen nicht für alle Menschen gleich wirken, sondern
sie im Gegenteil an vielen Stellen durch Repressionen und
Diskriminierung einschränken, behindern und gewalttätig sind, mussten
die meisten Menschen die in 30 Jahren auf verschiedene Weisen in der
Liebig34 Zuflucht gefunden haben, am eigenen Leib erleben. Dass die
Liebig34 versucht für diese Menschen ein Schutzraum zu sein, macht sie zu
einem einzigartigen Ort. Zu einem unersetzbaren Ort in dieser Stadt.

Denn die Liebigstraße 34 bietet seit 30 Jahren den Menschen Wohnraum und
Aufmerksamkeit, welche in der Stadt der Reichen keinen Platz haben sollen.
Das Haus ist ein kaempferischer Ort an dem sich Menschen taeglich dafuer entscheiden sich nicht anzupassen.

Die Liebig 34 ist seit 30 Jahren ein Ort für Menschen, die von
patriarchaler Gewalt verschiedenster Ausprägungen betroffen sind, die von
Trans*feindlichkeit betroffen sind und auf andere Weisen marginalisiert werden.
In dieser ganzen Zeit hat die Liebig34 Menschen die Stalking erleben
einen Zufluchtsort gegeben, hat geflüchteten Menschen Zimmer zur
Verfügung gestellt, wohnungslose Frauen* konnten dort an die Tür klopfen
und in unserem Gästezimmer eine Weile von Kälte und Gewalt durchatmen.
Betroffene von sexualisierter Gewalt erfahren an diesem Ort Solidarität und Schutz.
Menschen, die nicht der binären Geschlechterordnung entsprechen, oder
entsprechen wollen finden hier einen Raum zur Entfaltung, der in der
Regel in einer heteronormativ strukturierten Gesellschaft nicht
vorhanden ist. Frauen* und LGBTIQ - Menschen in prekarisierten
Lebenssituation konnten in der Liebig34 wohnen, während es sonst
aufgrund von Mietpreisen und diskriminierender Wohn- und Einzugspolitik
kaum eine Möglichkeit gab, in Berlin Fuß zu fassen.
Die Neubauprojekte dieser Strasse und dieser Stadt versprechen eine vermeintlich heile Welt, geschaffen fuer all diejenigen, die genuegend Kapital haben, um sich den realen Widerspruechen und Problemen dieser Gesellschaft zu entziehen. Die Liebig 34 ist ein Ort an dem Menschen sich das nicht leisten koennen und wollen.

Die Liebig34 ist über die Jahre ein Ort geworden, an dem
Menschen sich selbst organisieren und gemeinsam anarchistische und feministische
Utopien entwickeln konnten, wie ein Leben ohne patriarchale und strukturelle Gewalt
aussehen könnte. In Berlin gibt es kaum noch Möglichkeiten für Menschen
sich selbst in dieser Form des solidarischen Miteinanders zu
organisieren. Und vor allem ist die Liebig ein Haus, in dem sich ausschließlich
LGTBIQ Menschen auf diese Art und Weise organisieren einzigartig.
Wenn es geräumt wird, ist es nicht ersetzbar.
Immer weniger solcher einzigartigen Orte, die Berlin zu ihrem Image als
vielfältige und kulturell diverse Stadt verhelfen, existieren noch,
sondern sie müssen Luxusbauten und Kapitalanlagen weichen.
Die Liebig34 behindert durch ihre bloße Anwesenheit die voranschreitende Verdrängungsdynamiken
im Nordkiez, die verheerende Auswirkungen auf die meisten
Anwohner*innen hat. Viele alteingessene Bewohner*innen mussten bereits
wegziehen. Andere bangen mit anstehendem Räumungstermin unseres Hauses um ihre eigene Existenz im Kiez.  Der Dorfplatz und die Liebig sind ein Ort fuer viele Menschen, die in der Stadt der Reichen keinen Platz finden. Ein Angriff auf dieses Haus, ist ein Angriff auf all diese Menschen.

Als Anarchist*innen, als Feminist*innen und als Antifaschist*innen sind wir in Konflikt und Konfrontation mit diesem kapitalistischen Staat und seinen Repressionsorganen. Deshalb fordern wir keine Loesung von oben sondern Anseatze von unten.

Die Liebig34 ist seit 30 Jahren fester Bestandteil dieses Kiezes.
Sie hat ihn mitgestaltet, unterhalten, hat anggeeckt und Widersprüche aufgezeigt.

Die Liebig34 ist Sand im Getriebe der fortschreitenden Gentrifizierung.
Sie ist bunt, sie ist widerständig, sie ist eine Überleberin, die tapfer
weitermacht, obwohl sie immer wieder Angriffen von außen ausgesetzt ist.
Ob Schikanen der Polizei, sexistische Gewalt, Brandanschläge oder andere
Übergriffe von Nazis – die Liebig34 gibt nicht auf. Sie bleibt sich
treu, trotz Zermürbungsversuchen seitens Polizei und politischen
Machtkämpfen um profitablen Stadtraum.
In Berlin gibt es aktuell eine skrupellose Räumungswelle gegen
selbstorganisierte Projekte, die sich verheerend auf die Kieze auswirken
werden. Nach der Räumung des Syndikats in Neukoelln, wurde nun auch gegen die Kneipe Meuterei und das selbsorganisierte Jugendzentrum Potse ein Räumungstitel erwirkt.

Dass es darauf eine starke Reaktion gibt und diese Orte auf
verschiedene Weisen verteidigt werden, kreativ bis militant, ist nicht
verwunderlich, sondern schlicht und ergreifend notwendig. Hier bangen Menschen sowohl um Wohnraum, als auch kollektive Orte fuer Organisierung und Solidarität, aber auch um die Zukunft dieser Stadt.
Denn wenn diese Häuser und Projekte erstmal weg sind, können wir sie
nicht wieder zurückholen. Die Liebig34 ist ein Symbol für eine Stadt von
unten, ein Symbol für Solidarität und Freiheit, es geht um Zusammenhalt,
um queeres Leben, um feministische Kämpfe. Die Liebig ist Geschichte Berlins, sie ist Teil
der feministischen Geschichte dieser Stadt, Teil der Besetzer*innen Geschichte,
ihre Wände erzaehlen von 30 Jahren Kreativität, Unangepasstheit und Solidarität.

In Zeiten erstarkender rechtskonservativer und neo-faschistischer
Angriffe stellt sich die Liebigstr. 34 gegen rassistische Gewalt, wehrt
sich aktiv gegen rechte Strukturen und steht ein für Vielfalt und
Toleranz.
Vor allem ist die Liebig34 ein Ort, der das Leben so vieler Menschen
geprägt hat. Die vielen verschiedenen kreativen Solidaritätsbekundungen
die dem Haus jedem Tag aus allen Ecken der Welt zugetragen werden,
zeigen deutlich, wie viele Menschen sich mit den Kämpfen und Ideen der
Liebig34 identifizieren und wie schmerzlich der Verlust durch eine
Räumung wäre.

Die Räumung der Liebig34 ist ein Gewaltakt, denn Menschen
gewaltsam ihren Wohn- und Schutzraum zu nehmen, ist menschenverachtend.
Doch die Liebig34 ist nicht einfach nur Haus, das bewohnt wird, die Liebig34
ist ein Haus das geliebt und gelebt wird, Tag fuer Tag, seit 30 Jahren.
Und Orte, die man liebt, gibt man nicht so einfach auf.
Man kämpft für sie, mit allen Mitteln. Mit allen Kräften.
Und genau das werden wir machen. Wir werden dieses Haus nicht freiwillig
hergeben, sondern jeden Teil unserer in Beton manifestierten Utopie
verteidigen.

Die Liebig34 lebt. Die Liebig34 bleibt.

 

!ENGLISH VERSION COMING SOON!

 

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Ergänzungen

Ihr seid wie Flöhe. Ihr nistet Euch in der Nähe derjenigen Menschen ein, die Arbeiten, Dinge herstellen 7nd Häuser bauen. Selber zu bauen sie Ihr nicht in der Lage. Wie wärs denn, wenn Ihr irgendwo im Osten Duetachlands eine Kommune baut und mal zeigt, zu welchen Leuchtturmprojekten Ihr in der Lage seid? Mein Vorschlag für sie neue Stadt: Utopia. In der Uckermark hat es Platz und es gibt genug leerstehende Häuser. Vielleicht findet Ihr genug Gleichgesinnte. Wenn Ihr ein blühendes antikapitalistisches soziales überlegenes Gemeinwesen geschaffen habt, werden Euch bestimmt Tausende Genossen nachfolgen. Auf gehts, zeigt mal, was Ihr drauf habt!