JA Berlin wählt am Sonntag neuen Vorstand
Am Sonntag (30.6.) wählt die Berliner JA ab 11 Uhr im Reinickendorfer AfD-Lokal "Maestral" vorzeitig einen neuen Vorstand. Nicht nur die Naziverstrickungen sorgen für Streit.
Es läuft nicht gut für den Berliner Jugendverband der AfD. Rücktritte, Naziverstrickungen sowie antifaschistische Interventionen setzen der Jungen Alternative (JA) zu. Auch im Europawahlkampf war die JA nur schwach vertreten. Zuletzt provozierte der Vorsitzende David Eckert (Friedrichsfelde, für Job bei MdB Kotré aus Düsseldorf zugezogen) nach der Europawahl mit einem offenen Brief nicht nur den AfD-Landesvorstand, sondern auch seine eigenen Leute. In dem Brief fordert Eckert mehr Klimapolitik und wirft dem AfD-Landesvorstand strategische Fehler vor. Einige seiner Vorstandskollegen reagierten verärgert: die Veröffentlichung des Briefes war ausdrücklich nicht vereinbart.
Die Rücktritte, die darauf folgten, machen nun eine vorzeitige Neuwahl des Vorstands nötig. Zurückgetreten sind der Schatzmeister Yannic Wendt (Neukölln, Campus Alternative an der FU Berlin) sowie die Beisitzer Ferdinand Vogel (Köpenick, Blogger, "Flügel"), Lennart Schneider (Schmargendorf, IB-Sympathisant) und Vadim Derksen (Nittendorf/Oberpfalz, Vorsitzender VAdM e.V., für Job bei MdB Protschka nach Berlin zugezogen). Im Rücktrittsschreiben sprachen die vier von einem seit längerem zerrütteten Verhältnis im Vorstand.
Aus gesundheitlichen Gründen raus ist Eckerts Stellvertreter Stefan Mörs ("Flügel"), der bereits im Wahlkampf beim Plakate aufhängen schlimm aussah. Es ist jedoch ungewiss, ob dieser Grund nur vorgeschoben ist. Damit verbleiben lediglich sechs der elf gewählten Vorstandsmitglieder.
Das "Maestral" am U-Rathaus Reinickendorf ist seit Jahren ein beliebter Treffpunkt der AfD. Obwohl sich bereits eine Vielzahl von früheren Stammgästen vom "Maestral" abgewandt hat, erweisen sich die Betreiber als AfD-Überzeugungstäter. Im Vorfeld einer Antifa-Kundgebung Ende 2018 entblödete sich sogar ein Reinickendorfer CDU-Anzugträger, Solidarität mit dem "Maestral" und der "demokratischen Partei" AfD zu fordern.
Aber was ist vom morgigen JA-Landeskongress zu erwarten? Der Jugendverband mit etwa 70 Mitgliedern ist seit langem von mehreren Seiten unter Druck. Was Antifas seit Jahren schreiben, attestierte vor einigen Monaten auch das Bundesamt für Verfassungsschutz: die Berliner JA ist ein extrem rechter Haufen mit Hang zu Revisionismus und völkischem Nationalismus. David Eckert wurde seitdem mehrfach zum Rapport in die AfD-Landesvorstandssitzungen geladen.
Burschis und Jungnazis
Bereits der Vorgängervorstand war durchzogen von Kadern der "Identitären Bewegung" (IB) sowie extrem rechten Burschenschaftern: Ende 2017 zwang die Landes-AfD den frisch gewählten JA-Vorstand zum Rücktritt, nachdem der IB-Kader und Gothia-Burschenschafter Jannik Brämer zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden war. Brämer hatte im Mai 2017 bei einer IB-Aktion am Bundesjustizministerium beinahe einen Polizisten überfahren und tauchte für einige Tage unter - als mit Haftbefehl nach ihm gefahndet wurde, stellte er sich schließlich. Ob das Parteiausschlussverfahren gegen Brämer erfolgreich sein wird, ist fraglich.
JA-Mitglieder, die dem weiterhin extrem rechten Kurs nicht entsprechen, scheinen rausgemobbt zu werden. Im Sommer 2018 trat der Treptow-Köpenicker Bezirksfunktionär Johannes Rackow aus der JA aus. In einem AfD-internen Brief zeigte er sich angewidert von der Nazilastigkeit der Berliner JA und sprach von Anfeindungen wegen seiner eigenen vermeintlich liberalen Positionen. In der AfD selbst ist Rackow weiter aktiv.
Rackow wies auch auf eine wenig überraschende Episode hin, die in der Berliner JA und der Pankower AfD allgemein bekannt sei: ein JA-Vorstandsmitglied habe im "Stützpunkt Blankenburg" verbotene verfassungsfeindliche Symbole in Holz geritzt. Beim in militärischem Duktus "Stützpunkt" genannten Lokal handelt es sich um das ehemalige Restaurant "Pascal", das von Andreas Geithe vermietet wird - einem Mitglied der verbotenen rechtsterroristischen "Nationalistischen Front" (NF) und "Gemeinschaft". Zur NF zählten auch die NSU-Mitglieder Thomas Richter und Carsten Szczepanski. Im "Stützpunkt" sind die Bürgerbüros der Pankower Abgeordnetenhausmitglieder untergebracht und spülen dem Neonazi Geithe monatlich einen vierstelligen Betrag in die Tasche.
Interventionen
Angesichts dieser Naziverstrickungen sind antifaschistische Interventionen umso wichtiger. Im Februar wurden die JA-Mitglieder Vadim Derksen (s.o.), Dimitri Belenki (Reinickendorf, JA-Rechnungsprüfer, Doktorand mit Stipendium am MKFZ/Charite) und Roman Pankratow (Campus Alternative) am Friedrichshainer Kino International von Antifas des Platzes verwiesen.
Zudem wurden in den letzten Wochen vermehrt JA-Mitglieder in ihrem Uni- und Wohnumfeld geoutet. Ben Austin (Burschenschaft Gothia, MdB-Mitarbeiter, Mitarbeiter Desiderius-Erasmus-Stiftung) wurde in seiner neuen Nachbarschaft im Friedrichshainer Südkiez willkommen geheißen. Yannic Wendt (s.o.) ist Tutor für Mathematik an der FU Berlin und wurde seinen Student_innen bekannt gemacht. Christopher Wiedenhaupt (Webmaster Burschenschaft Thuringia, Sohn von Rolf Wiedenhaupt) tritt an der TU Berlin mit einer AfD-Tarnliste zu den StuPa-Wahlen an - auch über ihn und seine Machenschaften wurde auf Plakaten informiert.
Fazit
Wer die JA einfach nur für den Jugendverband einer "demokratischen Partei" hält, liegt gefährlich falsch. Hier kommen Jungnazis, Burschenschafter und Opportunisten zusammen. Die JA hat sich zum Karrieresprungbrett entwickelt, wie die vielen Bundestagsmitarbeiter aus der JA Berlin zeigen. Mit dem früheren Berliner JA-Vorsitzenden und AfD-Landesvorstand Thorsten Weiß hat die JA Berlin zudem einen mächtigen Unterstützer. Weiß war Kandidat zur Europawahl und ist bundesweit gut vernetzt. Er ist Alter Herr der Burschenschaft Thuringia. Zudem ist er Koordinator des "Flügels" für Berlin und somit ein enger Vertrauter von Björn Höcke.
Ergänzungen
Zum Outing von Yannic Wendt
Zum Outing von Yannic Wendt an der FU: https://nazitutor.blackblogs.org/