Dead men don‘t rape – we will defend ourselves! - Aufruf zur Demo am 25.11, 15h @ Hermannplatz

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Am kommenden Samstag, den 25. November, ist „Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“. Wir wollen mit diesem Beitrag nicht nur zur Teilnahme an den Protesten aufrufen (15h @ Hermannplatz), sondern eine radikal-feministische Position darstellen, die uns auf der Straße fehlt.

[**** einige Textstellen könnten triggernd sein: Darstellung sexualisierter Gewalt***]

[Die Autorinnen sind cis-weiblich, weiß und haben/streben eine akademischen Abschluss (an)]

 

"Dead men don’t rape – we will defend ourselves” fasst als Aussage eine radikale Perspektive auf den Zusammenhang zwischen Männern*, sexualisierter Gewalt und der Rolle des Staates zusammen. 1992 veröffentlicht von der kanadische Punk Rock Band 7 Year Bitch ist „dead men don‘t rape“ einer von vielen Songs, in denen die Band ihre eigenen Lebensrealitäten als Frauen thematisieren. Nachdem die befreundete Gits-Frontsängerin Mia Zapata 1993 vergewaltigt und ermodert wurde, gründetet die Band zusammen mit anderen Frauen* das Selbstverteidigungsnetzwerk „Home Alive“i. Während die Geschichte von Frauen*-Punk-Rock-Bands sicherlich ihren eigenen Artikel wert ist, so steht der Spruch bis heute als exemplarisch für eine radikal-feministische Perspektive.

 

dead men don’t rape

Während manch eine*r in der Aussage „dead men do‘t rape“ (tote Männer vergewaltigen nicht) eine Provokation sieht, geht es in der Aussage zunächst einmal darum, cis-Männer in Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt zu stellen. Gewalt, egal in welcher Form (häusliche Gewalt, sexualisierte Gewalt, psychische Gewalt, Sexismus), dient als Mittel der Kontrolle und Unterdrückung, womit einZusammenhang besteht zwischen der Ausübung von Gewalt – auch als patriarchale Gewalt bezeichnetii – und cis-Männlichkeit. Denn um eine patriarchale Gesellschaftsordnung zu gewährleisten, muss auf Mittel zurückgegriffen werden, um das Andere (nicht cis-männliche) zu kontrollieren/ unterdrücken. Dabei beruht diese Ordnung nicht allein auf dem cis-Männlichem Geschlecht und dem Anderen, sondern bedient sich der Heteronormativität um die Geschlechter in Bezug zueinander zu definieren und Abhängigkeit herzustellen. Zweck von patriarchaler Gewalt (häuslicher Gewalt, sexualisierter Gewalt, psychischer Gewalt, Sexismus) kann daher sowohl sein, Verhaltensweisen, welche diese Ordnung gefährden, zu sanktionieren bzw. zu unterbinden, oder aber Verhaltensweisen, welche diese Ordnung aufrechterhalten, zu befürworten bzw. zu erzwingen –, immer aber mit dem Ziel, die eigene Machtposition/ Struktur (wieder) herzustellen. Gewalt ist nach dieser Analyse also nicht einfach ein Symptom oder ein Auswuchs des Systems, sondern macht das hetero-patriarchale System überhaupt erst möglichiii. Gewalt ist systemisch, sie ist strukturell, und in ihren verschiedensten Formen innerhalb der cis-männlichen Geschlechterrolle verankert.

Berechtigte Kritik an essentialistischen Positionen weißt darauf hin, dass es mehr als zwei sich aufeinander heterosexuell beziehenden Geschlechter gibt und Männlichkeit nicht mit Männern* gleichzusetzen ist. Trotzdem zeigen im Bereich der sexualisierten Gewalt die Zahlen zu Täterschaft auf, dass diese zu 80% von cis-Männern verübt wirdiv, es demnach weiterhin einen Zusammenhang gibt zwischen Männlichkeit und Männern. Somit zielt die Aussage „Dead men don‘t rape“ darauf ab, deutlich zu machen, dass sexualisierte Gewalt nicht unabhängig von cis-Männern zu denken ist. Auch wenn der Spruch kein Plädoyer für eine Welt ohne cis-Männer ist, so trägt er zumindest die radikale Position in sich, dass eine Welt ohne patriarchale Gewalt nur ohne Männlichkeit geht.

 

Zur #metoo-Debatte

Dabei widerspricht diese Analyse Standpunkten wie dem von Barbara Kuchlerv innerhalb der aktuellen #metoo-Debatte. Keuchler verlautet (richtigerweise), dass „radikal sein heißt, ein Problem bei der Wurzel zu packen”, welches für sie allerdings darin bestehe, dass „Frauen schon auf dieser tieferen Ebene dazu ansetzen, aus dem asymmetrischen Regime des Gutaussehenmüssens auszubrechen“. Sie schlussfolgert in Bezug auf den „#MeToo-Diskurs, [er müsse] „zu einem #OhneMich-Diskurs weiterentwickelt werden“. Während es begrüßenswert ist, dass Keuchler die Debatte auf eine strukturelle Analyse über Geschlechterverhältnisse hebt, so verortet sie die Ursache für Gewalt doch tatsächlich auf Seiten der Frauen – bleibt dabei also in einem binären Geschlechtsverständnis gefangen, welches dann auch noch dazu beiträgt, Betroffene verantwortlich zu machen für ihre Erfahrungen. Als Orientierungspunkt auf dem Weg in die #Ohnemich-„Freiheit“ empfiehlt Kuchler allen (cis-)Frauen, die unter sexualisierter Gewalt leiden, ausgerechnet die Täter. Die Botschaft müsse lauten: „Ich tue nicht mehr für mein Aussehen als der durchschnittliche Mann, und ich stelle meinen Körper nicht stärker zur Schau als der durchschnittliche Mann.“ Eine solche Ausrichtung an „Männlichkeits“-Normen drängt Frauen* zurück in Zeiten von Kollontai und Zetkin und negiert alles, was im Sinne von queeren, Trans- und Inter-Identitäten in den vergangenen Jahren erkämpft wurde. Sie nimmt cis-Männern ebenso wie allen anderen Menschen die Möglichkeit, die Norm des „durchschnittlichen Manns“ zu dekonstruieren und durch freie Geschlechtsvorstellungen zu ersetzen.

Indessen sollte eine radikale Perspektive auf die #metoo-Debatte unterstreichen, dass egal wie viel Frauen* sich abschminken, dass Problem eben auf Seite der cis-Männer liegt. Dieses Dilemma, welches strukturelle Analysen darstellen, lässt sich auch mit Selbstverteidigungsgruppen nicht aus der Welt schaffen. Während diese zur eigenen Sicherheit beitragen, bietet auch Selbstverteidigung keinen 100%igen Schutz vor Gewalt. In ihrer Analysezu Beyoncés Album „Lemonade“ betont bell hooks, es sei ein Missverständnis, dass geschlechtliche Gleichstellung aus Gewalt entstehe. Laut bell hooks „können Frauen nicht, anhand von Gewalt Macht ergreifen und entwickeln weder Selbstliebe noch Selbstbewusstsein durch Gewalttaten“vi.

 

We will defend ourselves

Auch wenn die Organisation in Selbstverteidigungsgruppen keine Sicherheit vor Gewalt bietet, so geht es in der Aussage „we will defend ourselves“ (wir werden uns verteidigen) nicht allein um das Vorhaben, sich selbst zu schützen, sondern um die Notwendigkeit, sich selbst zu schützen – weil ‚der Staat‘ es eben nicht tut.

Allein die Geschichte des deutschen Sexualstrafrechts zeugt davon – wurde beispielsweise Vergewaltigung in der Ehe erst 1997 zur Straftat, hat es tatsächlich bis 2017 gedauert, um den Grundsatz „Nein heißt Nein“ im deutschem Recht zu verankern. Demnach lässt sich argumentieren, dass der Staat nicht allein Konstrukt einer hetero-patriarchalen Gesellschaft ist, sondern diese aus reproduziertvii. Immer wieder berichten Betroffene von ihren traumatisierenden Erfahrungen mit staatlichen Behörden im Umgang mit sexualisierter Gewalt. Aber auch hierbei greift es zu kurz, zu sagen, der Staat „vernachlässige“ das Interesse von Betroffenen: Staatliche Behörden bieten Betroffenen nicht nur keinen Schutz, sondern schützen gleichzeitig Täter*innen. Dass daran auch die jüngste Veränderung des Sexualstrafrechts nichts ändert, zeigt die Verurteilung von Gina-Lisa Lohfink. Laut Richterin Antje Ebner lässt sich bei dem von Gina-Lisa geäußerten „Hör auf!“ im Beweisvideo nicht eindeutig zuordnen, worauf dieses sich beziehe – ‚auf den einen Mann, der sie gerade penetrierte, auf den anderen, der gerade versuchte, ihr seinen Penis in den Mund zu schieben, oder auf die filmenden Handys‘viii.

Eine Kritik am Staat soll nicht heißen, dass Betroffene nicht auch weiterhin Anzeige stellen und auf staatliche Behörden zurückgreifen sollten – diese Entscheidung ist allein den Betroffenen überlassen. Auch ist „der Staat“ kein monolithisches Konstrukt, was sich daran zeigt, dass Frauen*Häuser oder Beratungsstellen durch staatliche Mittel finanziert werden, es also nicht „den Staat“ gibt dem eine eindeutige Rolle in der Debatte um Schutz und Selbstschutz vor (sexualisierter) Gewalt einzuräumen ist. „We will defend ourselves“ steht aber nicht nur für die Einsicht, dass der Staat aus einer patriarchalen Gesellschaft heraus entstanden ist und diese reproduziert, sondern auch, dass Personen diesen Zustand nicht länger hinnehmen und deswegen gemeinsam den Schritt gehen, sich zu organisieren und zu wehren. Feministische* Bewegungen können auf eine Geschichte an Selbst-Organisation zurückblicken, in der Selbstverteidigung eine Form des Widerstands ist. Teil dieser sind nicht nur die Gründung von Frauen*häusern, Selbstverteidigungsgruppen („Frauen*patrouillen“) und Angriffe auf Vergewaltiger, sondern auch Angriffe auf die als sexistische empfundenen staatliche Institutionen. Ein Beispiel aus der deutschen Geschichte ist der am 4.März 1975ix verübte Anschlag auf das Besucherzentrum das Bundesverfassungsgericht durch die Frauen der Revolutionären Zellen im Zuge eines Urteils welches die Kriminalisierung von Abtreibung wiederholt bestätigte.

 

Für eine radikale Perspektive

Insgesamt bleibt eine radikale Perspektive wie diese, auf die die Aussage ‚dead men don‘t rape – we will defend ourselves‘ abzielt, heute noch genauso relevant wie sie es 1992 war. Uns aber fehlt sieneben einem sehr sichtbaren Pop-Feminismus à la Beyoncé der auch in linksradikalen Spektren vertreten ist. Während dieser sicherlich anschlussfähiger ist, so führt eine strategische Ausrichtung auf den Pop-Feminismus dazu, dass dieser häufig dereinzig sichtbare ist. Pop-Feminismus wirkt, über bestimmte(Kultur-)Güter die von und für Frauen* geschaffen werden, für einige sicherlich empowerned, da es ihnen die Möglichkeit einer (vermeintlich) selbstbestimmten Repräsentation bietet und sie so zum Subjekt werden lässt. Gleichzeitig ist Pop-Feminismus „the business of capitalist money making at its best“ (der Inbegriff kapitalistischer Geldmacherei)x. Pop-Feminismus fehlt es demnach nicht allein an einer strukturellen Kritik an Patriarchat und Staat, auch ist er unfähig eine anti-kapitalistische Position zu beziehen. Genau diese strukturelle Kritik an Patriarchat, Staat und Kapitalismus sollte aber Voraussetzung sein, wenn das Ziel einer feministischen Agenda nicht allein der eigene soziale Aufstieg, sondern die Befreiung aller ist. Wir bleiben dabei: „dead men don‘t rape – we will defend ourselves“ - für einen linksradikalen Feminismus.

 

Anmerkungen:

i http://thesparkmag.com/artists/7-year-bitch/

ii Maria Mies benutz z.B. den Ausdruck “patriarchale Gewalt” in ihrem Werk Patriarchat und Kapital (1989

iii Maria Mies “Patriarchat und Kapital” als auch Silvia Federicis “Caliban und die Hexe” theoretisieren die Wichtigkeit von patriarchaler Gewalt für die Re/produktion des „patriarchal-kapitalistischen System“ anhand des Beispiels der Hexenverfolgung und aktuelleren Beispielen wie Femiziden

iv http://www.zartbitter.de/gegen_sexuellen_missbrauch/Muetter_Vaeter/2032_warum_sexueller_missbrauch_durch_maenner.php

v http://www.zeit.de/kultur/2017-11/sexismus-metoo-sexuelle-uebergriffe-aussehen/komplettansicht

vi http://www.bellhooksinstitute.com/blog/2016/5/9/moving-beyond-pain

viiHierzu schreibt zum Beispiel: Birgit Sauer (2004) “Staat-Institutionen - Governance”

viii http://www.n-tv.de/politik/Weil-sie-Gina-Lisa-Lohfink-ist-article17919966.html

ix https://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/Stadtguerilla+RAF/rz/fruechte_des_zorns/zorn_1_11.html

http://www.bellhooksinstitute.com/blog/2016/5/9/moving-beyond-pain

 

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Ergänzungen

um was geht's hier eigentlich? Liest sich eingangs so als würden nur cis-Männer vergewaltigen und andere nicht? gibts jetzt schon politisch korrekte Vergewaltigungen? 'Tschuldigung, aber mal ganz blöd: ein Arsch ist ein Arsch ist ein Arsch, egal welches Geschlecht, Hautfarbe oder Herkunft. Können wir uns mal wieder auf die grundsätzlichen politischen Gemeinsamkeiten konzentrieren, sowas wie Antikapitalismus (und "Macht" bitte zu dem bösen Kapitalismus in Bezug setzen und nicht zu den Männern), Staatskritik (und da gerne ne fundierte Kritik am Patriachat mit rein! Materialistisch und so...), Antirassismus, Internationale Solidarität. Oder vielleicht einfach auch mal nem Fascho die Karre abfackeln oder sich vor ein Asylantenheim stellen...

Diese critical whitness Kacke ist das neue Antideutsch-hört auf mit dieser Spalterei und verpisst Euch wieder in Eure Lesekreise!

Mit Feminismus hat das überhaupt nix zu tun!