[Aachen] Für den Frieden?
Ein etwas sarkastischer Bericht über die Kundgebung der »Friedensbewegung 2014« am 14. Juni 2014 auf dem Markt in Aachen.
Frieden ist eine feine Sache. Deshalb machte ich mich am 14. Juni 2014 auf den Weg zur Kundgebung der »Friedensbewegung 2014« auf dem Aachener Marktplatz. Auch ich bin selbstverständlich für den Frieden, aber mal ehrlich: Wer ist das denn bitteschön nicht? Selbst die Menschenfeinde Nummer 1, die allseits unbeliebten Neonazis rufen auf ihren Demonstrationen zum »Nationalen Antikriegstag«: »Nie wieder Krieg!« Nun ja, darauf folgt dann zwar immer ein »Nach unser'm Sieg!«, aber geschenkt! Stellt sich da nicht vielleicht die Frage, wer denn eigentlich was mit dem Wort »Frieden« meint? Die »Friedensbewegung 2014« hat bei unzähligen Kundgebungen in verschiedenen Städten bereits sehr deutlich gemacht, was sich für sie dahinter verbirgt: Jürgen Elsässer beispielsweise fabulierte in Berlin fröhlich von der Macht der Familie Rothschild und Ken Jebsen durfte sich in mehreren Städten über die – selbstverständlich von den bösen Massenmedien herbei konstruierten – Antisemitismus-Vorwürfe gegen seine Person beschweren. Tja, so einfach geht das. Einmal kräftig mit der Antisemitismus-Keule geschwungen und schon ist ein völlig harmloser Radiomoderator seinen Job los. Und das nur, weil er darüber aufklären wollte, »wer den Holocaust als PR erfunden« habe. Mensch, richtig gemein, diese zionistische Lobby!
Weil ich auch in Zukunft ungern auf ein sicheres Monatsgehalt verzichten möchte, musste ich natürlich etwas unternehmen gegen die Diffamierungen über meinen Arbeitgeber. Und so unterbreitete ich den Friedensfreund_innen in Aachen den zugegebenermaßen etwas unkonventionellen Vorschlag, wie der Frieden meiner Meinung nach zu erreichen sei und stellte mich mit einem Plakat in Sichtweite der Kundgebung auf: »Für den Frieden: Zionistische Weltverschwörung vorantreiben!« Eine der ersten Fragen, die ich als Reaktion auf mein Plakat erhielt, lautete: »Sind Sie ein Nazi?« In der sich daraufhin entwickelnden Diskussion über den Antisemitismus der »Friedensbewegung 2014« wurde ich mit der Feststellung erhellt, es sei gar nicht antisemitisch, die »Macht der Familie Rothschild« zu benennen. Denn die Rothschilds seien nunmal eine sehr reiche und mächtige Familie und da spiele es keine Rolle, welcher Religion sie angehörten. So weit so schlecht. Doch das sollte es noch nicht gewesen sein.
Am Anfang der Kundgebung wurde in vorauseilendem Gehorsam der Polizei für ihre freundliche Mitarbeit gedankt. Die dort auftretende Band sang in einem Lied vom »blauen Himmel ohne diese Chemtrails« und zitierte »den Ken«. Dass damit wohl kaum der Lebensgefährte von Barbie gemeint war, liegt auf der Hand. In einem Redebeitrag, in dem auf die Vorwürfe gegen die »Friedensbewegung 2014« eingegangen wurde, verteidigte ein Redner von der »Würselener Initiative für den Frieden« besagten Ken. Doch nicht nur Ken Jebsen wurde in Schutz genommen, auch Lars Mährholz erhielt Rückendeckung vom Redner. Er zitierte eine Aussage von Mährholz, die unter anderem für die Antisemitismusvorwürfe herangezogen werde: »Die Federal Reserve ziehe seit über hundert Jahren die Fäden auf diesem Planeten und die jüdische Familie Rothschild sei Teilinhaber dieser Bank«. Das kann aber laut des Redners gar nicht antisemitisch sein, denn: »Letzteres und die Verwicklung der Federal Reserve in die Finanzierung der Kriege der letzten hundert Jahre kann jeder in der Fachliteratur nachlesen.« Ach so. Dann sind also alle Vorwürfe völlig unbegründet. Wenn es in der »Fachliteratur« steht, dann kann diese Aussage ja gar nicht antisemitisch (konnotiert) sein. Toll.
Um nicht mit den Friedensfanatiker_innen in einen Topf geschmissen zu werden, hatte ich mich etwa 30 Meter von der Kundgebung entfernt aufgestellt. Das schien aber nicht weit weg genug zu sein und so wurde ich von den Friedensfreund_innen aufgefordert, mein Plakat einzupacken. Da ich dies nicht tat, wurde mir mit der Polizei gedroht, die auch nach einiger Zeit gehorsamst anrückte und meinen Ausweis zu sehen verlangte. Auf die Frage nach dem Grund für diese Maßnahme bekam ich zu Antwort, ich sei »eine Gefahr für die öffentlich Sicherheit und Ordnung«. Dieses Kompliment nahm ich gerne an. Nach der Personalienfeststellung kamen die Ordnungshüter_innen offenbar zu dem Schluss, die »Gefahr« sei gebannt und so konnte ich an Ort und Stelle verbleiben.
Zwischendurch sprachen mich immer wieder Passant_innen an, darunter viele Tourist_innen, um mich nach meinen Beweggründen zu befragen. Ich erklärte ihnen beispielsweise, dass die »Friedensbewegung 2014« unter anderem von Lars Mährholz initiiert wurde, der nicht müde wird, die US-amerikanische »Federal Reserve Bank« in antisemitisch konnotierter Manier als »das Krebsgeschwür des Planeten« zu bezeichnen. Ich ging auch auf die kruden Theorien ein, die auf den Kundgebungen in Aachen verbreitet wurden, so zum Beispiel der Auftritt der Querfront-Band »Die Bandbreite«, die unter anderem behaupten, HIV/AIDS sei eine Erfindung der US-Regierung zur gezielten »Ausrottung der Afrikaner« (Zitat aus dem Lied »AIDS«). Alle Passant_innen, mit denen ich redete, waren freundlich und zeigten Verständnis für meine Aktion.
Ein weiterer Redner benannte zwar einen »Klassenkampf von oben« und kritisierte, »mit dem schlechten alten deutschnationalen Reflex, das ideelle Gesamtböse in Amerika zu verorten« sei »wenig gewonnen«, jedoch nur, um später eine Warnung auszusprechen gegen die »globale Diktatur, also die NWO«.
Dass ich dann irgendwann zu frieren begann, passte ganz gut zu dem ein oder anderen kalten Schauer, der mir bereits bei den Reden über den Rücken gelaufen war. Und so verließ ich die Kundgebung vor deren Ende, nicht aber, bevor ein Redner noch kundtat, woran ihn die aktuelle Situation in der Ukraine erinnere: »Es ist in meinen Augen ähnlich wie damals, als die Wehrmacht im Osten einmarschiert ist, wo auch zuerst, die Wehrmacht macht quasi das Feld frei und dahinter kommen SS und andere Truppen, die gezielt auch Zivilisten töten und da ihre Säuberungen durchziehen.« Gemeint war damit das Vorgehen von »Prawyj Sektor« (deutsch: Rechter Sektor), einer faschistischen, paramilitärischen Organisation. So wichtig eine Kritik an den faschistischen Akteur_innen in der Ukraine ist, so wenig hilfreich ist es meines Erachtens, »Prawyj Sektor« mit der SS zu vergleichen. Denn in der Ukraine wird kein Vernichtungskrieg geführt.
Selbstverständlich wäre es falsch, allen Beteiligten an den neuen »Montagsdemos« pauschal zu unterstellen, sie seien antisemitische Verschwörungs-Theoretiker_innen. Doch wenn wir uns ansehen, in welchem Kielwasser die Aachener Kundgebungen schwimmen und welche – mindestens – höchst problematischen Aussagen dort getroffen werden, dann müssen sich die Teilnehmer_innen wirklich nicht über meine Kritik wundern.