[B] Prozessankündigung und Auswertung der Besetzung der Teppichfabrik
Am 2.7. soll es in einem Berufungsprozess vor dem Landgericht Berlin (Saal 729) um eine Situation mit einem Secu, der mit einem Metallrohr vor dem Eingang der besetzten Teppichfabrik 2017 in Schach gehalten wurde, gehen.
Er will einen Menschen trotz dessen Vermummung wiedererkannt haben. In erster Instanz wurde vom Gericht entschieden, dass der klagende Seku entgegen jeder Fachmeinung in einer Stresssituation ein besonders gutes Erinnerungsvermögen haben muss. Er reduzierte den Kreis der potentiellen Täter*innen auf die sechs Personen, die sich laut Cops auf dem Gelände aufhalten durften, obwohl klar ist, dass es mehr Menschen auf dem Gelände gab, pickte eine davon und erstattete Anzeige. Dies ist einer von mehreren Prozessen, die die Besetzung der Teppichfabrik nach sich gezogen hat. Vor allem die eingesetzten Secus sind klagefreudig und nachhaltig empört über den Widerstand, den sie dort erfahren haben.
Eine solidarische Prozessbegleitung ist willkommen.
Die Verhandlung soll am 2.7. um 10:45 in Raum 729, Enigang Turmstraße 91 stattfinden. Raumverlegung und Kontrollen möchlich
Dass Besetzungen und unsere Ideen verteidigt werden müssen und Mensch sich von Cops,Secus oder anderen Aktivbürger*innen nicht einschüchtern lassen darf, steht ausser Frage. Daher wolen wir diese Gelegenheit aufgreifen, um einige Betrachtungen und Analysen zur Besetzung der Teppichfabrik, die leider nie ganz zu Papier gebracht wurden und kaum einen größeren Kreis erreicht haben, zu verbreiten.
In Anbetracht eines in unseren Augen immernoch mangelnden intensiven Austausches und Diskussionen darüber, warum Menschen besetzen wollen und müssen, welche Ziele Menschen gemeinsam über das Eröffnen von Räumen hinaus verfolgen wollen, was es reell bedeutet, sich auf eine Besetzung einzulassen, wie verschiedene Wege aussehen können, einen Raum zu halten und wovon das abhängig ist..., erscheint es uns wichtig zumindest Überlegungen und Erfahrungen, welche uns immer noch als relevant erscheinen, zu teilen und die Möglichkeit zu geben, sie in Diskussionen und Abwägungen einzubeziehen. Da es eine Vielzahl von Perspektiven und Sichtweisen auf die und aus der Teppichfabrik gibt, ist dies nur eine Sammlung einiger davon.
Eine gute Vorbereitung ist silber, Improvisation auch
Im Vorfeld der Öffnung gab es viele lange Diskussionen über das Ziel der Besetzung, mögliche Funktionen des Hauses, Taktiken .. am Ende lief natürlich vieles ganz anders.
Gleichweg welche Vorgehensweisen, Zielsetzungen und Prinzipien durchgesprochen werden, welche Eventualitäten bedacht, wie Infrastruktur, Öffnung, mögliche Barrikaden vorbereitet werden - Es wird fast immer Überraschungen geben. Mit mehr Praxis & Plan lässt sich damit allemal besser umgehn. Was uns aber am wichtigsten erscheint, ist es, sich darüber im Klaren zu sein, dass ungeplante Situationen auftreten werden und wie wir dann damit umgehen könnten. Gerade in Stresssituationen ist es unverzichtbar aufeinander zu achten und nicht den Kopf zu verlieren und grundsätzliche Ansprüche zu übergehen. Welchen Wert hat eine Besetzung, wenn Hierarchiefreiheit und Emanzipation nur auf dem Klingelschild stehen, von gelebten anarchistischen Werten jedoch nichts zu spüren ist!? Was machen diese Werte aus, wenn feministische Ansprüche nicht zumindest implizit mitbedacht werden?
Um die eigenen Kapazitäten zu respektieren, reicht es nicht, nur sich und anderen Auszeiten zuzugestehen, wenn die Verantwortungen nicht ebenso gemeinsam getragen werden und Raum gegeben wird, Bedenken, Kritik und Probleme anzubringen. Im Idealfall sollten wir wissen, wo Support herkommen kann. Zudem ist es zwar sicher nicht generell falsch in einer nicht hunderprozent eingespielten Gruppe zu agieren, aber dann ist es um so wichtiger, die Augen offenzuhalten, um keine Verhaltensmuster zu reproduzieren, die wir eigentlich überwinden wollen.
Um ein konkretes, wenn auch banales Beispiel zu geben, war bei uns zu beobachten, dass es vor allem Cis-Typen leicht fiel, besonders bei Bau und Technikfragen zu entscheiden, dass darüber nicht diskutiert werden muss bzw. dass nicht zwangsläufig alle in die Entscheidung einbezogen werden müssen, was aus ihrer Perspektive vielleicht eine unkritische Vereinfachung der Entscheidungsfindung ist, aber patriarchale Muster reproduziert.
Das passiert natürlich selten bewusst, sondern zum Beispiel, weil Mensch sich in einer generell stressgeladenen Stituation denkt, das sei ein Weg, um effizienter zu arbeiten. Abbau von Hierarchien, Bevormundung und Unterdrückung geht eben nicht von selbst und nicht ohne wiederkehrende Reflexion auch und besonders in kritischen Situationen.
Legal, Illegal ..?
Mit dem Ziel Erfahrungen zu sammeln und Neues auszuprobieren, haben wir uns auch auf ein legales Spiel eingelassen. Das Beispiel der besetzten Wohnung im Vorderhaus der Rigaer94¹ wohnähnliche Verhältnisse herzustellen, wollten wir austesten und ausreizen. Nach einer internen Weisung der Cops sollen Besetzungen und ähnliche Situationen nicht ohne ein gerichtliches Verfahren geräumt werden, wenn klar wird, dass es sich um den Lebensmittelpunkt eines oder einiger Menschen handelt. Das gibt Zeit, den Raum zu nutzen, bekannt zu machen und weitere Schritte zu gehen, statt die Besetzung gleich zu verlieren oder alle Energie in die Verteidigung gegen eine Horde Politiker*innen, Cops und Secus stecken zu müssen.
Im Klartext heisst das, wenn irgendwann die Cops die Besetzung von Innen zu sehen bekommen, sollte es wie eine regulär ausgestattete und belebte Wohnung ausschaun. Dann könnten die Cops willkürlich entscheiden, sich an den eigenen, rechtlich nicht bindenden, Vo rschlag zu halten. Sie könnten also versuchen zuzuordnen, wer dort wohnt und gegen diese Personen ein gerichtliches Verfahren einleiten. Neben dem Zeitgewinn steigt die Wahrscheinlichkeit, sich auf eine Räumung vorbereiten zu können. Solch ein Verfahren kann nicht gegen unbekannt geführt werden, die Staatsanwaltschaft und demnach die Cops müssen also herausfinden, wer in der Wohnung wohnt, wofür sie im Rahmen einer "Begehung" oder schlicht einer Razzia die Räume betreten müssten. Wenn das Verfahren nicht eindeutig ausgeht, weil die Eigentümer*In zB. Verfahrensfehler begeht oder nicht nachgewiesen werden kann, dass vor Ort festgestellte Menschen wirklich dort wohnen (zum Beispiel nur Gäste sind) kann es auch ohne Räumungstitel ausgehen. Im Gegenzug kann es natürlich diverse folgen haben, dass die Cops wissen, wer in einer Besetzung wohnt. Es könnten nach einer erfolgreichen Räumung, auch wenn diese Menschen nicht dort angetroffen werden, zum Beispiel Ersatzforderungen für Schäden, Miete ect. entstehen, usw.
Für uns war auch klar, dass wir zunächst im Stillen besetzen, einmal um herauszufinden, wie lange wir das hinbekommen und zum anderen, weil es viel mehr Zeit einräumt, Verteidigungsmaßnahmen vorzubereiten, sei es eine hübsche Einrichtung der Wohnung, Barrikaden oder eine angemessene Struktur (Zukunftspläne, Unterstützung, Organisierung, Infrastruktur, Ausweichpläne, Notfallpläne...)
In der Teppichfabrik kam dann ein Zeitpunkt, zu dem das Gelände von Hundertschaftsbullen und Zivischweinen umstellt war und uns über unseren Anwalt zur Wahl gestellt wurde, ob eine Hand voll Cops hereingelassen wird, damit sie sich umschaun könnten oder, so hieß es, wir gestürmt würden. Weniger als 10 Minuten, die uns zum Bedenken gelassen wurden, waren bei Weitem nicht genug, um auszudiskutieren, ob das nun ein Zeitpunkt sei, uns auf diesen absurden Kompromiss einzulassen, um die angesprochene legale Taktik auszuprobieren. Es hat sich natürlich nicht richtig angefühlt, die Cops hereinzulassen, auch wenn sie sich an Konditionen (keine Polit-Bullen, nicht mehr als 6) gehalten haben. Hier fehlten auch einige Überlegungen dazu, wer sich dort von den Cops finden lässt. Sollten es möglichst viele Namen sein, kann mensch mehr Personen angeben, die gerade nicht da sind, macht es Sinn und einen Unterschied, wenn Leute sich darauf einlassen, dass sie dort leben, wohnen oder nur zu Gast sind? Ist es überhaupt notwendig auch nur ein Wort mit den Cops zu wechseln?
An dieser Stelle wäre es also auch wichtig gewesen, diese Überlegungen zu Ende zu führen, um sich zum Einen im Klaren zu sein, worauf mensch sich einlässt. Zum anderen lässt sich diese Taktik sicher nur so voll ausschöpfen. Auch war das überraschende Auftauchen der Cops sicher nicht solch eine große Überraschung und wir hätten besser darüber kommunizieren können.
Einmal auf diesem Weg haben sich weitere legale Spielchen aufgetan, bei denen es uns schwer gefallen ist zu entscheiden, inwiefern wir uns darauf einlassen wollen (zB. Verwaltungsklagen auf Besuchsrecht, Strom & Wasser). In der Hoffnung viele Erfahrungswerte sammeln zu können, haben wir uns auf einiges eingelassen ohne die Diskussion über Integrität und Sinnhaftigkeit zu Ende zu führen. Also schlussendlich der Frage, ob und wann es Sinn macht von einer Herangehensweise, die allen Ansprüchen gerecht wird, abzuweichen für Kompromisse, die allemal Teilerfolge versprechen können.
Schlussendlich haben wir versucht, mehrere Karten mit einer Hand zu spielen, da jede Verwaltungsklage Geld verschlingt. Unsere Einwände wurden mit dem Widerspruch gegen das Räumungsbegehren eingereicht, statt als eigenständige Verwaltungsklagen. Ein Kompromiss, der uns clever erschien, legales Spielchen ohne noch mehr Geld zu verbraten. Aber natürlich kommt es vor Gericht wenig auf den Inhalt an, sondern mehr auf Formulierungen und kleine Spitzfindigkeiten und wir sind auf dem schleimigen Parkett der Justiz ausgerutscht. Die Punkte wurden gar nicht beachtet, da der gesamte Widerspruch auf Grund seiner Formulierung abgelehnt wurde.
In unserem Fall hatten wir generell großes Glück keine Kommunikationsprobleme mit den Anwält*innen gehabt zu haben und nur auf für uns sinnvolle und akzeptable Eigenmotivation zu stoßen, das war enorm hilfreich, auf diesen Umstand sollte sich aber niemand verlassen. Sicher wäre es sinnvoll und notwendig gewesen, bei vorangehenden Diskussionen zur Taktik darüber zu sprechen, wie weit wir gehen wollen, welche Kompromisse wir mit welchem Ziel einzugehen bereit sind etc. Zugleich hätte uns bewusst sein müssen, dass das gesamte Projekt sehr kostspielig wird. Wir haben uns zu wenig auf Repressionsfälle in diesem Zusammenhang vorbereitet und zu wenig Diskussionen über den eingegangen Versuch einer irgendwie gearteten Legalisierung geführt.
Die Selbstverständlichkeit sich zu verteidigen
Sobald eine Besetzung als Bedrohung angesehen wird, und das bedeutet Normen und Werte wie zB. Eigentum, Kapitalismus, Patriarchat und Diskurse wie Rassismus, Dominanz, Krieg infrage stellt, wird sie angegriffen werden. Auf juristischem Weg, mit physischer Gewalt, Verleumdung .. Dagegen gilt es, sich nicht nur zur Wehr zu setzen, um die Existenz des Projektes und damit auch seine Bedrohung des Bestehenden zu schützen, aber auch weil es zeigt, dass es Möglichkeiten gibt, für die eigenen Vorstellungen einer anderen möglichen Realität und gegen Marginalisierung und Verdrängung aufzustehen, also ein Riss in der repulsiven Realität zu sein, den wiederum auch andere mit ihren eigenen Mitteln ausweiten können.
Eine Hausbesetzung als reiner Protest, wenn wir dem nicht seine Sinnhaftigkeit absprechen wollen, funktioniert auch nur dadurch, dass ihr auf Grund der Annahme, sie sei eine tatsächliche Bedrohung des Eigentumsprinzips, größere Sichtbarkeit eingeräumt wird. Diese Annahme beruht sicherlich nicht nur auf der vagen Befürchtung, dass die beteiligten Menschen irgendwann auf den Gedanken kommen könnten, in einem Haus bleiben zu wollen und erst dann auch andere Menschen Eigentum hinterfragen könnten. Vielmehr gibt es zumindest Kenntnis davon, dass Menschen in der Vergangenheit besetzt haben, um zu bleiben, den Raum auch als Möglichkeit des Austauschs über Ideen und Praxen und zur unabhängigen gemeinschaftlichen Organisierung zu nutzen und auch weiter zu besetzen. Und die sichtbare Existenz von bloßen besetzten und auch öffentlich auftretenden Häusern, Räumen und Gebieten bestätigt Menschen, dass Eigentum als oberstes Gut nicht absolut und unangreifbar ist. Demnach sollte sich nicht auf symbolischen Besetzungen ausgeruht werden, solange es keine greifbare Praxis von haltbaren Besetzungen gibt. Der Umkehrschluss wiederum bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass mensch es lieber bleiben lassen sollte, wenn sie keinen Plan für eine längere Besetzung haben, sondern vielmehr, dass es eine bessere Verständigung unter interessierten Gruppen und Zusammenhängen geben sollte und gegenseitige Unterstützung, welche auch mittels solidarischer Kritik geschehen kann.
Der tolerierte gesellschaftliche Konsens erlegt uns eine generelle Akzeptanz von Autorität auf. Sprechen wir von institutionalisierter Autorität, dann sprechen wir von einer gesellschaftlichen Zuschreibung einer erhabenen Machtposition als Rolle (also nicht von einer persönlichen Zuschreibung von großem Fachwissen und Erfahrungsschatz auf Grund von Spezialisierung (obgleich der Umgang damit auch hinterfragt werden sollte).
Wenn wir ein solidarisches Zusammenleben auf Augenhöhe ohne Unterdrückung, Fremdzuweisungen, Ausgrenzung und Machtpositionen aufbauen wollen, dann brauchen wir diese externalisierten Kontrollpositionen nicht, sie stehen obendrein unserer Entwicklung im Weg. Als solche sind Secus und Cops nicht nur unnötig, sondern vertreten ein System der Menschen, die am Bestehenden festhalten und das Joch von Herrschaft und Dominanz, und im besonderen Überwachung, Lohnarbeit, Rollenbilder und gruppenbezogener Menschenverachtung aufrecht erhalten wollen. Selbst wenn sie im einzelnen einmal persönliche Zugeständnisse zu Menschlichkeit eingehen sollten, bleiben sie absolute Feind*innen einer emanzipatorischen, solidarischen und selbstbestimmten Gesellschaftsentwicklung und müssen als solche angegriffen, delegitimiert und abgeschafft werden.
In der Praxis kann das viele Wege gehen. Es ist in unseren Augen aber nötig, solange in der reellen Situation der Einzelnen umsetzbar, nicht zu buckeln und sich einschüchtern zu lassen, sondern mit allen vorstellbaren Mitteln für die gewünschte Realität einzustehen.
Das Haus das könnt ihr haben, nur die Tür und Treppen nicht
Die Teppichfabrik ist ein freistehendes Gebäude auf einem umzäunten Areal, wir haben uns auf die Fabrik und sogar darin auf einige Etagen konzentriert. Nachdem Cops und Eigentümer*in irgendwann Wind von uns bekommen haben, wurde uns zugestanden, dass das Haus in unserer Hand sei, aber nicht das Gelände. Also wurde eine Bande schmieriger Secus auf dem Gelände rundherum abgestellt, die den Zugang zum Gelände sichern sollten, damit nur die im Haus einmal von Cops festgestellten Personen aufs Gelände gelangen und natürlich nicht noch mehr Raum eingenommen wird. Es gab durchaus Überlegungen auch mehr Arbeit in das wunderschöne Areal rund um die Teppichfabrik zu stecken, es hätte sich prima für einen Wagenplatz geeignet, hätte sicher Platz für Gärten, Veranstaltungsräume, Sportmöglichkeiten, ect. geboten. Wir waren dem allen gegenüber nicht abgeneigt, aber haben unsere Prioritäten anders gesetzt. Mit dem heutigen Wissen hätte das anders laufen können, sodass auch das Aussengelände sichtbar in Benutzung und demnach "in unserer Hand" gewesen wäre. Natürlich war das im Fall der Teppichfabrik auch ein Abwägen mit dem unsichtbar bleiben, um nicht gleich aufzufliegen. Für andere Besetzungen aber kann mensch sicher den Schluss ziehen, dass es unheimlich wichtig ist, sich soviel anzueignen, dass es einen direkten Zugang gibt, sofern die Strategie der wohnähnlichen Verhältnisse oder ähnliches verfolgt wird.
Wie sich zum Beispiel auch in der Großbeerenstraße zeigte, ist das eine wichtige Lektion.
Einige Worte zu den Secus
Abgesehen von ihrer Funktion als Handlanger von Eigentum und Kapital, haben sich die eingesetzten Secus durch ihr persönliches Engagement hervorgetan. Neben mehrmaligen Vergewaltigungsdrohungen und anderen widerlichen Kommentaren, ließen sie es sich natürlich auch nicht nehmen, ihre Entscheidungsgewalt mit willkürlichen Entscheidungen auszuschöpfen, Hinzuziehen der Cops, Durchsuchungen, etc. Selbstverständlich kann Mensch in einer ähnlichen Belagerungssituation erst einmal versuchen den Secus klarzumachen, wozu sie gerade eingesetzt werden und dass sie sich nicht hinausreden können mit der Begründung, es sei ja nur ein Job. Vielleicht gibt es ein paar, die es sich dann nochmal überlegen, letzten Endes ist aber klar, dass sie ein weiterer Feind eines Zusammenlebens in unserem Sinne sind.
In erster Instanz des einleitend erwähnten Prozesses wurde vom Gericht entschieden, dass der klagende Secu entgegen jeder Fachmeinung, in einer Stresssituation ein besonders gutes Erinnerungsvermögen haben muss. Obendrein soll er sich bei der Wiedererkennung auf 6 Personen, sie sich laut Cops auf dem Gelände aufhalten durften, beschränken können, obwohl klar ist, dass es mehr Menschen auf dem Gelände gab. Zudem verkaufte der Secu die Geschichte, es hätte nie irgendwelche Animositäten gegeben, die für ein Eigeninteresse an einer Verurteilung sorgen könnten, da hat er wohl so einiges vergessen. Unser Hass bleibt ihm hoffentlich noch lange im Gedächtnis.
Räumung kommt bestimmt, .. oder auch nicht
Gerade in einer Zeit wie der Heutigen, in der es zwar wieder ansatzweise eine Praxis des Besetzens gibt, aber nur einen eingeschränkten Pool an aktuellen Erfahrungen und kaum Kontinuität, muss mensch natürlich damit rechnen, rasch geräumt zu werden. Nicht nur die Teppichfabrik, sondern auch viele neuere Öffnungen wie die Großbeerenstraße und die Platzbesetzung in der Rummelsburger Bucht der Gruppe DieselA rufen in Erinnerung, dass wir auch nicht damit rechnen können, dass eine Neubesetzung an der Berliner Linie scheitert oder in den ersten Tagen geräumt wird. Dann sollten wir auch in der Lage sein, die Situation und den damit eröffneten Raum zu nutzen. In einer Stadt mit einem solch hohen Wohnungsmangel ist es schwer zu rechtfertigen, warum ein Haus zum Beispiel nur symbolisch besetzt wird, wenn es so viele Menschen, Gruppen und Strukturen mit akutem Raummangel gibt.
Generell halten wir es für notwendig, sich mehr Gedanken darüber zu machen, zu welchem Zweck mensch ein Haus besetzen will. Eine öffentliche Besetzung, die keine Perspektiven schafft, den Ort zu halten, macht nicht nur eine erneute Besetzung des gleichen Ortes deutlich schwieriger, sondern macht es oft auch unmöglich für Menschen mit weniger Infrastruktur, den Ort auf eine andere Weise zu nutzen.
Bei der Teppichfabrik war ein wichtiger Ansatz das Ausprobieren. Wie lange wir das tun können, hätte zu dem Zeitpunkt keine*r gedacht. So kamen schnell das "Sommerloch" und der G20 auf die Stadt zu, die Grenzen des vorher geplanten wurden erreicht, andere Pläne überkreuzten sich, sodass wir nicht alle anwesend sein konnten und damit wurden viele Kapazitäten ausgereizt und an ihre Grenzen gebracht.
Die Möglichkeiten, welche die Lage auf der Strahlauer Halbinsel bot, waren schwer einzuschätzen. Die meisten hätten in der sehr neuen, reichen und spießigen Nachbarschaft nie auf Unterstützung gesetzt und natürlich haben wir so einige naive und unsolidarische Kommentare gehört, es gab aber durchaus Menschen, die Hilfe anboten und mehrfach Essen vorbei brachten oder uns sogar ein Stromkabel anschließen wollten. Ganz zu schweigen vom Support von menschen, die nicht aus der Nachbarschaft kamen. Auf jeden Fall haben wir die Lage nicht in Gänze ausgeschöpft, auch weil sowohl unklar war ob, wem und wann wir uns öffnen wollen, als auch inwiefern wir weitere Kämpfe einbeziehen können.
Zwei Fliegen in einer Platte?
Obwohl das Gebäude wochenlang beobachtet und ausgecheckt wurde, fiel nicht auf, dass eine andere Gruppe offensichtlich das Gleiche tat und so konnten wir nach "unserer" Öffnung feststellen, dass sich schon andere Leute im Haus befanden. Eine Gruppe zuvor zeitweise auf der Straße lebender junger Menschen hatte, nachdem sie den Ort wechseln mussten, kurz vorher entschlossen auch einzuziehen. Wir finden es wichtig nicht andere Menschen mit einer Besetzung zu vertreiben, die dort auch ihr Schlupfloch gefunden haben, auch wenn sie andere Vorstellungen und Ansprüche haben.
In der Praxis bedeutete diese "gemeinsame" Besetzung, dass wir uns am Anfang einmal zusammengesetzt haben, um zu diskutieren, ob und wie das funktionieren kann. Heraus kam der Wunsch sich auf eigene Etagen zu beschränken und uns gegenseitig Raum und Luft zu lassen, unser eigenes Ding zu machen. In der Praxis ergaben sich Schwierigkeiten daraus, dass wir schnell eine deutlich bessere Infrastruktur aufgebaut hatten. Versuche dem Abhilfe zu verschaffen, indem Hilfe beim Aufbau eigener Strukturen angeboten wurde, scheiterten oft an mangelnder Teilhabe unserer neuen Nahbar*innen, können aber durchaus auch auf unterschiedlichen Gewohnheiten und mangelnder Geduld gefußt sein.
Es war schwierig sich auf die Selbsteinschätzung der uns bis dato fremden Gruppe zu verlassen und unseren Erwartungen und Wünschen wurden wir gegenseitig nicht ganz gerecht. So war es uns z.B. unverständlich, wenn Menschen mitgebracht wurden, denen die Nachbar*innen selbst nicht völlig vertrauten. Im Gegenzug waren wir ihnen zu wenig bereit miteinander rumzuhängen.
Auch fiel es uns schwer uns nicht auf geforderte Hilfestellungen einzulassen, die unsere Kapazitäten überstiegen hätten oder Verständnis für einen weniger solidarischen Umgang miteinander aufzuweisen. Zusammengefasst hieß es also natürlich Kompromisse einzugehen, die nicht immer zufriedenstellend waren, aber zu guter Letzt war es für uns nicht allzu schlecht. Nicht ausblenden können wir jedoch, dass unsere Anwesenheit die Lage für die andere Gruppe verändert hat. Wir haben uns zu Anfang darüber ausgetauscht und versucht abzuwägen, wer wen mehr gefährdet und ob das akzeptabel ist und haben uns schließlich beidseitig geeinigt, den Ort bis auf weiteres zu teilen.
Was hier vielleicht ok lief, scheint aber immer mindestens eine Herausforderung zu sein. Uns sind wenig Erfahrungen von vergleichbaren Arrangements bekannt, bei denen Menschen nicht bevormundet werden und es eine barrierefreie Kommunikation zwischen zwei bestehenden Gruppen mit unterschiedlichen Anforderungen, Privilegien und Lebensrealitäten gibt.
Häuser besetzen sowieso
Eine unterschätzte Diskussion unter uns war es, ob es richtig ist, einen Ort für sich zu behalten. Sicherlich ist es auch völlig angebracht, Wohnraum als solchen zu besetzen, selbst wenn es hier keine sichtbare Praxis ausserhalb von Szenezusammenhängen gibt. Als Zusammenhang von Menschen mit bestimmten "politischen" Ansprüchen liegt es nahe, eine Besetzung auch als Knotenpunkt bzw. Bezugspunkt für eine über Wohnpolitik und Eigeninteressen hinausgehende Arbeit zu sehen und zu nutzen. Es kann sehr attraktiv sein, mit seinem Wohnzusammenhang auch einen aktiven Alltag zu teilen und gemeinsam politischen Output zu produzieren und Aktionen zu planen und kann eine sehr starke Dynamik kreieren. Dazu sollten sich aber alle von Beginn an bewusst machen, ob sie so etwas auch mit dem Zusammenhang, mit dem besetzt wird, tun möchten. Schließlich ist das nicht nur eine prinzipielle Frage, sondern auch eine Frage der Gruppenzusammensetzung und des Vertrauens.
Bei so einem großen Gebäude kommt natürlich schnell die Idee eines öffentlichen Raums.
Die Frage nach noch einem weiteren Veranstaltungsraum in einer Stadt mit einer ausgeprägten "Alternativkultur" und vielen politisierten Räumen, in denen mehr Veranstaltungen stattfinden könnten, erledigt sich in unseren Augen spätestens mit der Feststellung, dass immer mehr Räume bedroht sind, wenn sie es nicht schon immer waren. Wir halten es für notwendig auch neue Räume zu öffnen, um nicht in die Enge getrieben zu werden, aber auch um nicht in Bestehendem zu verharren, sondern neue Perspektiven und Zusammenhänge zu schaffen.
Eine Diskussion ob bzw. warum es wichtig ist auch Räume zu haben, in denen Szeneblasen existieren können, als auch Räume mit einer radikalen, wenn auch dadurch nicht sehr nachbarschaftsoffenen Position, haben wir leider nie zu Ende geführt.
Für die Bewegung
Es fliegt wieder öfter ein Begriff von Bewegung umher, um es greifbarer als ein blosses Gefühl zu machen, würden wir es als einen gelebten Austausch, sich aufeinander beziehen und gegenseitige Unterstützung von unterschiedlichen Zusammenhängen und Einzelpersonen mit einem gemeinsamen Ziel oder Affinität nennen. Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir so etwas nicht, wohl aber die Möglichkeit und einige Versuche darauf hin zu arbeiten. In unseren Augen kann das funktionieren, wenn Informationen und Erfahrungen zugänglich gemacht werden, Aktionen durchdacht und ernst gemeint werden und es einen offenen Austausch auf Augenhöhe gibt (also nicht unbedingt nur offen im Sinne einer für alle zugänglichen Veranstaltung) über Ideen, Ziele, Vorgehensweisen...
Erst dann kann sich auch eine Diskussion und ein Gefühl dafür entwickeln, was gerade gemeinsam erreichbar und sinnvoll sein kann.
Was in unseren Augen fehlt, ist einmal eine Kontinuität in der Bezugnahme auf andere Gruppen und Aktionen und in den Ansätzen ein Verständnis von Gemeinsamkeit und Solidarität aufzubauen. Konkret denken wir zB: Warum gehen auch wir und unsere unterschiedlichen Kontexte so selten zu Veranstaltungen, die uns offensichtlich oder zumindest erwartet konträre Positionen vertreten - um gerade dann zur Diskussion zu kommen? Warum fällt es immernoch vielen so schwer Kritik anzunehmen und auch zu formulieren und trotzdem so leicht über Gerüchte zu sprechen und die Bemühungen anderer Gruppen und Zusammenhänge abzutun, ohne zu versuchen sie zu unterstützen?
Dadurch nehmen wir uns die Chance einer weitergehenden Bezugnahme aufeinander, eines konkreteren Verständnisses dafür, was uns voneinander trennt und damit auch dessen, was uns dennoch zusammenbringt und eben einander durch und über Kritik hinweg zu unterstützen. Warum nehmen "wir" so viele Angriffe durch die Büttel der Herrschenden hin, wo es schon lange so viele Konzepte gibt, um dem etwas entgegenzusetzen wie z.B. das alte TagX Konzept mit einem Treffen im Bethanien und einer anschließenden Demo? Wiederbesetzungen;
Mit Freude sehen wir aber auch, dass einige Zusammenhänge weiter neue Räume besetzen und daran arbeiten auch starke Positionen einzunehmen und zu halten. Der offensive Ansatz der Wagengruppe DieselA 2019, die Versuche von #besetzen trotz des Massenansatzes hier weniger verbreitete Taktiken wie die Identitätsverweigerung auszuprobieren und auch die kontinuierlichen Besetzungen der Wagengruppe Schlagloch in Kiel und der WG in Freiburg, die Besetzung des Volhöfner Waldes 2019 oder die anhaltende Verteidigung des Hambacher Forsts, all das gibt uns Hoffnung, dass es trotz der fortlaufenden Bemühungen von Eigentümer*innen und Politik den Besetzungen, radikalen Projekten und unkontrollierbaren Räumen das Leben schwer zu machen, weiter Orte aus und mit denen für ein solidarisches, selbstbestimmtes, rebellisches Leben gekämpft werden kann, geben wird.
Diese Orte sind nicht nur wichtiger unkontrollierbarer Wohnraum, sondern auch Orte für ein Zusammenkommen, einen Austausch und eine Organisierung gegen die Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismen des bestehenden Gesellschaftssystems und mögliche Bezugspunkte für emanzipatorische und stadtpolitische Kämpfe die vielerorts sonst schwerer greifbar und fragmentiert erscheinen.
Grüße an Andreas, Lisa, Επαναστατικού Αγώνα, die drei von der Parkbank , die Besetzer*innen der Dragi und Dervenion.. und alle Widerständigen auf der Suche nach unserer gemeinsamen Freiheit
Gegen die Stadt der Reichen
Peninsula
¹Text zur Strategie des Vorderhauses der R94 im linksunten.indy Archiv
Ergänzungen
Unveröffentlichter Bericht zur ersten Prozessinstanz
Häuser besetzen... und die Revolution verteidigen(?!)
In den letzten Jahren werden in verschiedenen Städten im deutschsprachigen Raum wieder leerstehende Häuser besetzt – zum Wohnen, als Protest gegen hohe Mieten und Gentrifizierung, als direkte Aktion gegen die vermeintliche Logik von Eigentum und der Stadt der Reichen, um soziale und kollektive Zentren zu eröffnen und um Räume zu schaffen, selbstorganisiert und autonom zu Leben.
Besetzen? Voll 80er!
Berlin ist in den 80er Jahren bekannt geworden für seine Vielfalt besetzter Häuser und Plätze (www.berlin-besetzt.de). Der deutsche Staat griff die Strukturen an, die sich außerhalb seiner Gesetze organisierten und antwortete mit Räumungen, Repression und Spaltung provozierenden Legalisierungsangeboten. Von der starken internationalen Hausbesetzer_innenbewegung der 80er und 90er Jahre leben heute (nur) noch Legenden.
Lebendige Überbleibsel dieser Zeit sind die Kämpfe um jene verbliebenen Strukturen und Räume, die kämpferisch geblieben sind oder in ihrer jetzigen Lage eine kämpferische Position entwickeln – und jüngere Projekte, die aus den Debatten der Zeit den Schluss gezogen haben, dass eine bloße Verhandlungsstrategie weder erfolgsversprechend noch besonders anknüpfungsfähig ist.
Die Verteidigung dieser Projekte vor Angriffen des Staates und antiemanzipatorischen Teilen der Gesellschaft, wie Räumungsgebahren z.B. gegen die Rigaer94, die Luftschlossfabrik 2016 in Flensburg und im gleichen Jahr das Kollektive Zentrum in Hamburg, sind Erfahrungen heutiger Generationen, die präsent sind und Einklang finden in aktuelle Auseinandersetzungen um Besetzungen und die Verteidigung bedrohter Projekte wie dem anarcha-feministischen Hausprojekt Liebig34, des Autonomen Zentrums Köln, die Hasi in Halle und verschiedener Wagenplätze.
Zu den bekanntesten Projekten aus diesen Zeiten zählen außerdem die Rote Flora in Hamburg und die KTS in Freiburg. Sie werden aktuell im Nachklang der G20-Revolte als wichtige Infrastrukturen linker, autonomer und anarchistischer Strukturen bezeichnet, in Medien und Parlamenten öffentlich angegriffen und ihre Räumung gefordert. Diese Drohgebärden des Staates sind Kampfansagen an alle Nutzer_innen, Bewohner_innen, Unterstützenden und Nachbar_innen, die über Deutschland hinaus nicht unbeantwortet blieben und bleiben.
Hausbesetzungen sind Realität und politische Praxis gerade in von Austerität betroffenen Regionen Europas. Im deutschsprachigen Raum ist dieses Werkzeug seit der Topf und Söhne- Besetzung in Erfurt und der erfolgreichen Besetzung des Hamburger Gängeviertels wieder von Staub befreit worden. Verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Konzepten kämpften seitdem um Häuser, mit und ohne Verhandlungen, nachbarschaftlich orientiert, militant verteidigt, mit und für Geflüchtete, still und offensiv. Sogar Rentner_innen besetzten die „Stille Straße“ in Berlin, um ihren Raum zu erhalten. Für das Beispiel Berlin sind Social Center 4 All-Besetzungsaktionen und Konferenzen, das Häuserpanel auf dem „Selber Machen“-Kongress, die Verteidigung und Räumung der Friedel54, die #Besetzen-Aktionen mit unterschiedlichem Charakter, sowie der andauernde Kampf um Häuser der Rigaer Straße als relevante Punkte aktuellerer Besetzungsgeschichte zu nennen. Verschiedene Intersquat-Treffen und die Hamburger SquattingDays von 2014 gehören neben vielen Diskussionsveranstaltungen und einzelnen Besetzungsaktionen ebenfalls dazu.
Die „Platte“ wird besetzt
Die Besetzung der alten Teppichfabrik auf der Stralauer Halbinsel in Berlin, die sogenannte Platte, begann im Frühjahr 2017. In den Monaten zuvor gab es neben vielen Diskussionen über Hausbesetzungen und Kritik an fehlender Stärke der Bewegung generell die verbreitete Position, dass Neubesetzungen vermeintlich nicht mehr möglich seien. Aus diesem Hintergrund ging es zur Tat über: die Teppichfabrik wurde still besetzt. Ziel war es, einen Schritt hin zu einer neuen Praxis zu tun, aber auch Lebensraum für ein solidarisches und kämpferisches Miteinander zu schaffen, in dem abseits von kapitalistischem Druck und Logik agiert werden kann.
Der Multimillionär Bernd Freier, Gründer und Besitzer der Modemarke s.Oliver, kaufte das Gelände der ehemalige Teppichfabrik während der Besetzung Mitte Juni 2017. Er setzte alles daran, seine neu getätigte Immobilieninvestition zu schützen und den einstigen Leerstand des Privatbesitzes wieder durchzusetzen. So wurde eine Gruppe von Arbeitern eines Sicherheitsunternehmens auf das Gelände losgelassen, um den Besetzer_innen und Besucher_innen den Zugang zu erschweren und sie zu belästigen. Nach einigen Wochen erlangte Freier durch ein Eilverfahren eine gerichtliche Bestätigung seines Besitzanspruches und einen Räumungstitel für „seine“ Immobilie. Mit einem Sondereinsatzkommando und 371 zusätzlichen Cops wurde dieser am 15.08.17 vollstreckt.
Die Secus wurden von Seiten der Cops dazu angehalten, möglichst jeden Widerstand gegen ihre Kontrollen zur Anzeige zu bringen. So gibt es gegen eine/n Besetzer*in eine Anzeige wegen Nötigung, die am 14. August in erster Instanz vor Gericht verhandelt wurde. Einer der Secus sah sich durch eine vermummte Person mit Stahlstange in der Hand davon abgehalten, zwei Menschen auf dem Gelände zu kontrollieren und diese vom Betreten des besetzten Hauses abzuhalten. Diese „weder kleine noch kräftigere“ Person will er später wiedererkannt haben, mithilfe einer Namensliste der Polizei mit sechs Namen. Dabei bestätigte er im Prozess selber, dass sich jederzeit mehr als diese sechs Personen durch über den Zaun Klettern unidentifiziert auf dem Gelände aufhalten konnten. Auch an anderer Stelle schrieben die Behörden von zeitgleich 20 Anwesenden.
Die Richterin jedoch war sich sicher, den Fall erledigt zu haben: Ihrer Auffassung nach sei sich der Secu ja absolut sicher, den Richtigen gefunden zu haben, warum sollte er nicht die Wahrheit sagen, diese sei somit einwandfrei belegt. Sie verurteilte die angeklagte Person wegen Nötigung.
Nicht stoppen lassen
Um dem Druck und der Vereinzelung durch Repression entgegenzuwirken, gibt es immer wieder den Aufruf, auch den Umgang mit Gerichtsprozessen zu kollektivieren. Damit wird es einfacher, einzelne Prozesse in Verbindung zueinander und in ihren politischen Kontext zu bringen. Wenn wir auch vermeintlich kleine Prozesse nicht unter dem Tisch abwickeln, sondern die Vorgehensweise des Staates und seine Angriffe auf uns und unsere Strukturen auch an diesem Punkt thematisieren, wird es einfacher, sich gegen entpolitisierende Konstrukte des Staates zu stellen, sich nicht auf etwaige Angebote einzulassen und der Vereinzelung mit Solidarität entgegenzuwirken.
Insofern hoffen wir nicht nur von den Prozessen anderer von Repression und Räumungen Betroffener zu hören, sondern auch von der nächsten Besetzung, der nächsten Debatte um Aneignung von Leerstand, Plünderungen, dem Aufbau selbstverwalteter Strukturen und vielfältigen Aktionen gegen die Stadt der Reichen, wenn schon nicht von der hiesigen Revolution.
Besetzungen öffnen Räume, der kapitalistischen Moderne, dem Staat und der patriarchalen Realität eigene Konzepte entgegenzusetzen, und diese nicht nur theoretisch zu erörtern sondern sie tatsächlich zu leben und zu verteidigen. Besetzte Räume, Plätze, temporäre autonome Zonen und Territorien stellen sich den Herrschenden entgegen und sind vielmals auch Experimente einer selbstorganisierten Gesellschaft im Kleinen. Deswegen werden sie weltweit angegriffen, und deswegen verteidigen wir sie.