A never ending story? Frankfurter Flughafen, Montagsdemos, Terminal 3 und Sommercamp

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Vom 19. bis 22. Juni wird im rodungsbedrohten Treburer Oberwald ein Sommeraktionscamp für den Rückbau des Frankfurter Flughafens stattfinden. Aus diesem Anlass rekapituliert reflektiert dieser Artikel die Proteste der letzten Jahre und versucht einen Ausblick zu geben. Der folgende Text ist eine gekürzte Vorabveröffentlichung aus der bald erscheinenden Sommerausgabe des Grünen Blatts.

 

Es gibt so Themen, mit denen wird sich die radikale Umweltbewegung wohl bis zur Revolution herumschlagen müssen. Der Frankfurter Flughafen gehört dazu. Hier soll schon wieder Wald für den Flughafenausbau fallen. Für den Juni wird mal wieder in bewährter Tradition zu einem Waldcamp aufgerufen – wenn auch erst mal nur für vier Tage. Geschichte wiederholt sich doch? Jein, denn seit Besetzung des Kelsterbacher Waldes 2008/09 ist viel passiert, ohne das überregionale Zusammenhänge mitgemischt haben. Werfen wir also erst mal einen Blick zurück...

 

 

 

Wenn wir wollten, könnte dieser Blick sehr weit zurückreichen. Es ließe sich über frühe Proteste schreiben schreiben, auch über Widerstand und Repression, die beim Bau der Startbahn West in den 80ern auf heute schwer vorstellbaren Niveau eskalierten. Daraufhin war in den 90ern ein Weiterbau außerhalb des Flughafenzauns zunächst undenkbar. Bis die Ankündigung einer weiteren Landebahn kam, die viele schockte. Nachdem unzählige Bürgerinitiativen (BIs) überall in der Region jahrelang den neuerlichen Kampf getragen hatten, sprangen ihnen überregionale UmweltaktivistInnen zur Seite. Im Sommer 2008 wurde der Kelsterbacher Wald, der für die Landebahn gerodet werden sollte, besetzt. Die Bilanz von 9 Monaten Waldbesetzung: Eine gewisse Resonanz in der radikalen Umweltbewegung und den Medien, aber keine wirklich großen lokalen Mobilisierungen. Nach der Räumung der Waldbesetzung kam es zu weiteren Aktionen und zu oft erfolgreicher Gegenwehr in zahllosen Strafprozessen. Die politischen Zusammenhänge, die dahinter standen, zeigten aber längst fortgesetzte Zerfallserscheinungen. Als bei der Einweihung der Landebahn am 21. Oktober 2011 beinahe tausend Leute zu einer Kundgebung kamen, konnte das als ein großer Mobilisierungserfolg verbucht werden. Ein Schlusspunkt schien gekommen zu sein. Und dann kam der nächste Tag.

 

 

 

Am 22. Oktober protestierten in Mainz 15.000 Menschen gegen die neue Landebahn. Es war die größte Demonstration gegen den Flughafenausbau seit den 1980ern, nur im Jahr 2000 hatte es mal eine Demo in ähnlicher Größenordnung gegeben. Die Überraschung war bei allen Beteiligten dementsprechend groß. Dabei war es erst der Anfang, denn an diesem Tag wurde das erste Mal zu wöchentlichen Montagsdemos im Flughafenterminal aufgerufen. Und die Leute kamen. Waren es auf der ersten Demo Mitte November noch 400, kletterte die Zahl binnen weniger Wochen auf mehrere Tausend. Daneben fanden weitere lokale Demos in einzelnen Städten statt, neue BIs schossen mal wieder wie Pilze aus dem Boden. Die Montagsdemos gehen bis heute weiter, meistens nehmen so grob um die tausend Menschen teil. Das geht jetzt schon 2,5 Jahre und über 100 Demos lang so, auch wenn die letzten Demos etwas schwächer besucht waren. Nimmt mensch TeilnehmerInnenzahl und Ausdauer als Kriterium, gehört die Bewegung am Frankfurter Flughafen ganz klar zu den größten Protesten, die dieses Land in den letzten Jahren erlebt hat.

 

 

 

Wer wie der Autor sich zur Zeit des Kelsterbacher Hüttendorfs aufrichtig gefreut hat, wenn Sonntags 100 Menschen aus der Region zum Kuchenessen kamen, wird sich sicherlich fragen: Wer sind diese Menschen? Wo kommen die auf einmal her? Und was wollen sie eigentlich?

 

Eine Parole gegen die Landebahn hieß: Wer jetzt noch schläft, kann bald nicht mehr schlafen. Auch wenn es etwas zynisch ist - prägnanter lassen sich alle drei Fragen nicht beantworten. Denn die meisten der frischgebackenen DemonstrantInnen haben die sehr existentielle Erfahrung gemacht, selbst in ihren eigenen 4 Wänden am Tag keine Ruhe und in der Nacht keinen Schlaf zu finden. Viele haben sich vorher weder groß um den Flughafen geschert noch je aktiv Politik gemacht. Hinzu kommt, dass die neuen Flugrouten auch einige eher gehobene Wohngegenden betreffen. Dementsprechend sind Geschäftsleute und Eigenheimbesitzer keine ganz unbedeutende Gruppe innerhalb des Protests. Das Bild wird abgerundet von der Altersstruktur: Auf den Montagsdemos sind viele über 60 und einige zwischen 40 und 60, aber nur wenige unter 40 Jahren alt.

 

 

 

Falls bis hier das Bild einer sehr bürgerlichen Protestbewegung entstanden ist, dann ist es zutreffend. Trotzdem: Wer sein Urteil über diese Menschen fällt, weil sie nicht im Kelsterbacher Wald waren und/oder keine Linksradikalen sind (und beide Positionen gibt es tatsächlich in der Region), macht es sich ganz schön einfach. Denn was wollen diese Leute? Die erstaunlich einfache Antwort: „Die Bahn muss weg!“ Realpolitische Machbarkeit hin, Kompromissbereitschaft her – bei den unzähligen Demos und Aktionen der letzten 2,5 Jahre war keine andere Forderung so präsent, wie die Stilllegung der Landebahn. Sicherlich, den allermeisten ist gar nicht bewusst, in was für einen Konflikt sie sich da mit den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen begeben. Die Überzeugung, der Staat werde einem schon beispringen, wenn mensch nur laut genug die eigenen Rechte einfordert, ist weit verbreitet. Ob diese Menschen aber ihre Illusionen in Demokratie und Marktwirtschaft, den Kampf gegen die Landebahn oder aber beides zusammen aufgeben werden – das ist noch nicht entschieden. Irgendwann aber wird eine Entscheidung fallen.

 

 

 

Auch der Ablauf der Montagsdemos macht deutlich, was sich für eine ungeheure Wut angestaut hat. Diese Demos sind vor allem eins: Laut. Manchmal bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus. Und genau wie ihr „Die Bahn muss weg“, lassen sich die Leute ihr Lärmen nicht einfach so ausreden – weder von der Polizei, noch von eigenen Autoritäten. Die hinter dem Krach stehende Wut nimmt bei einzelnen auch reaktionäre Formen an und entlädt sich dann etwa in Bestrafungsfantasien gegen tatsächlich oder vermeintlich Schuldige. Vor allem aber ist die Wut der Masse weitgehend kanalisiert. Die Montagsdemos sind schon lange zum Ritual geworden, auf das sich beide Seiten bis ins kleinste Detail eingestellt haben. Anfangs war auf den Demos noch eine gewisse Lust und Bereitschaft zu spüren, die Abläufe im Terminal ordentlich durcheinanderzubringen. Heute herrscht hier eher Routine vor.

 

 

 

Während sich diese Montagsdemokultur entwickelt hat, ist rund um den Flughafen natürlich noch sehr viel mehr passiert. Zwei Dinge sind für die weiteren Auseinandersetzungen besonders zentral: Die Pläne für ein drittes Terminal und die Landtagswahlen in Hessen.

 

 

 

Terminal 3 und Landebahn NordWest gehören zusammen und wurden auch im selben Planfeststellungsbeschluss genehmigt. Der Flughafenbetreiber, die Fraport AG, will mit der Landebahn die jährlichen Flugbewegungen steigern, kann die Bahn aber nur dann voll ausnutzen, wenn auch die Abfertigungskapazitäten am Boden ausbaut werden. Mit dem Terminal 3 würden die sich von 65 Millionen auf 90 Millionen Passagiere im Jahr erhöhen. Allein dieser Kapazitätszuwachs entspricht beinahe dem jährlichen Passagieraufkommens des Münchner Flughafens. Die Anzahl der Flüge ließe sich dann auch über die offiziell angepeilte Zahl hinaus erhöhen, ja sogar der Bau weiterer Bahnen wäre technisch gesehen eine Option.

 

Mittlerweile lässt die Fraport keinen Zweifel mehr daran, dass sie mit dem Bau 2015 offiziell beginnen will. Die Betonung liegt auf offiziell – denn obwohl der Bauantrag noch bei der Stadt Frankfurt liegt, laufen schon seit 2011 alle möglichen vorbereitenden Bauarbeiten. Ob vor Ort oder per Satellitenbild – es sieht dort längst nach Großbaustelle aus.

 

 

 

Der Lernprozess hat eine Weile gedauert, aber mittlerweile gehört auch der Verzicht auf das 3. Terminal zu den Kernforderungen von BIs und Montagsdemos. Anfang des Jahres haben zwei Rundgänge auf dem vorgesehenen Baugelände stattgefunden. Der erste führte etwa hundert Menschen mitten auf die Baustelle. Beim zweiten zogen etliche hundert TeilnehmerInnen in den bedrohten Treburer Wald. Hier soll ein Waldstück für einen neuen Autobahnzubringer zum Terminal gerodet werden. Da hier vorher schon eine Baustraße für die weiteren Arbeiten geschaffen werden soll, ist eine Rodung schon ab September denkbar.

 

 

 

Während die Debatte um das Terminal Fahrt aufnahm, wurde sie gleichzeitig von der hessischen Landtagswahl Ende September 2013 überlagert. Von den BIs war sie zur „Landebahnwahl“ ausgerufen worden. Falsch war dabei insbesondere die Vorstellung, ein Wechsel der Regierungskoalition würde die Situation nennenswert verändern. Am Ende lief es darauf hinaus, dass sich die Grünen zwischen SPD-Linke oder der CDU als Koalitionspartner entscheiden konnten. Bekanntlich koalieren sie inzwischen mit der CDU.

 

 

 

Eine Stilllegung der Landebahn stand nie auf der Agenda der Grünen. Dafür setzten sie im Wahlkampf auf eine andere klare Forderung: Kein Terminal 3! Von dieser deutlichen Ansage ist im schwarz-grünen Regierungsprogramm praktisch nichts übriggeblieben. Die Fraport soll vor Baubeginn noch einmal selbst prüfen, ob das Terminal wirtschaftlich notwendig ist. Seitdem dieses Verhandlungsergebnis bekannt wurde, hat die Fraport nicht eine Sekunde Zweifel aufkommen lassen, dass sie das Terminal für notwendig hält. In gewisser Weise hat sie sogar recht: Denn während die Grünen und nicht wenige BIs gebannt auf die seit ein paar Jahren eher stagnierenden Flugbewegungen starren, geht es der Fraport um etwas ganz anderes: Das Terminal ist zum einen Teil einer Strategie, andere internationalen Drehkreuze niederzukonkurrieren und so für mehr Flüge zu sorgen. Zum anderen ist es ein Immobiliengeschäft. Denn schon lange machen Ladenmieten einen großen Teil des Firmengewinns aus. Im Grundriss des 3. Terminals schlägt sich dieses Geschäftsmodell noch stärker als in den Terminals 1 und 2 nieder.

 

 

 

Während die Grünen also versprechen, der Markt würde es schon richten, haben sie längst alle Positionen besetzt, die für den Bau des Terminals maßgeblich sind. Und es wird immer klarer, dass sie das Projekt einfach durch winken werden. So hat das grüne Planungsdezernat in Frankfurt schon vor Eingehen des Bauantrags deutlich gemacht, dass es das Terminal genehmigen wird – obwohl die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr in dem Antrag völlig offen bleibt. Da sich die Stadt Trebur weigert, ihren Wald der Fraport zu verkaufen, wird ein grün geführtes Regierungspräsidium Darmstadt über eine vorläufige Besitzeinweisung zugunsten der Fraport entscheiden. Richtig bitter wird es aber bei jenen Funktionären, die damals noch öffentlichkeitswirksam die Waldbesetzung in Kelsterbach unterstützten: Da wäre Frank Kaufmann, Flughafenexperte der Landtagsfraktion und heute Aufsichtsratsmitglied der Fraport AG. Und schließlich Tarek Al Wazir, der noch 2009 im Wald gegen die Räumung des Hüttendorfs protestierte.

Heute ist er hessischer Minister für Verkehr und Wirtschaft und setzt die nächste Etappe des Flughafenausbaus durch.

 

 

 

Eines ist klar: Weder die unsichtbare Hand des Marktes noch die wundersame Machtübernahme der Grünen wird ein Terminal 3 verhindern. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn überhaupt, dann kann nur ein breiter und vielfältiger Protest und Widerstand vor Ort erfolgreich sein. Hartnäckigkeit und Größe der Montagsdemobewegung sind so beeindruckend, wie ihre soziale Basis und inhaltliche Ausrichtung beschränkt ist. Eine radikale Umweltbewegung muss sich fragen, wie diese Auseinandersetzung auf eine nächste Stufe gehoben werden kann. Gerade auch angesichts der noch in diesem Jahr drohenden Rodung im Treburer Wald.

 

 

 

Ein Resultat dieser Überlegungen ist die Idee für ein Sommercamp gegen den Flughafenausbau, dass vom 19. bis 22. Juni in dem rodungsbedrohten Waldstück stattfinden wird. Es soll ein deutliches Signal gegen das 3. Terminal sein, vor allem Dingen aber auch eine Gelegenheit, zusammenzukommen und sich zu vernetzen, sich mit dem Gelände vertraut zu machen, Pläne zu schmieden und vielleicht auch gleich umzusetzen. Hier könnten AusbaugegnerInnen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen Gemeinsamkeiten entdecken, Unterschiede diskutieren und gemeinsame Schritte planen. Denn eins ist klar: Die Auseinandersetzung um den Frankfurter Flughafen ist noch lange nicht vorbei. Ein Flughafenrückbau muss her – ist aber ohne tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen nicht denkbar!

 

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