[Berlin] 8. Mai 45 – wir feiern die Befreiung!
Aufruf zum antifaschistschen Gedenken in Pankow, in Buch und zu Aktionen in euren Kiezen.
8. Mai 2020 – 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus
Am 8. Mai diesen Jahres jährt sich die Befreiung vom deutschen Faschismus zum 75. Mal.
Erst- und einmalig wird dies in Berlin sogar ein offizieller Feiertag sein. Mit diesem Tag endete ein verheerender Vernichtungskrieg, der über die Grenzen Europas hinaus Zerstörung, Leid und Tod für Millionen Menschen gebracht hatte. Der Tag der Befreiung bedeutet auch ein Ende des industriellen Massenmordes an Jüd*innen, Antifaschist*innen, Kommunist*innen und anderen Menschen, die im faschistische Weltbild als “nicht lebenswert” markiert wurden. Wir möchten an dieser Stelle den Befreier*innen danken, die dem – unter Einsatz unendlicher Verluste – ein Ende gesetzt haben. Dieser Tag steht für uns wie kein anderer, für eine geschichtliche Verantwortung.
Beängstigende Zustände
Dass diese Verantwortung aktuell mehr als notwendig ist, zeigen uns die erschreckenden, faschistischen Mordanschläge der letzten Monate in Kassel, Halle und Hanau. Das faschistische Weltbild hat Kontinuität und besteht immer noch in den Köpfen der Täter*innen und ihrer Nachfahren. Meldungen über rechte Netzwerke in Bundeswehr und Polizei zeigen den, dass die auch auf struktureller Ebene der Fall ist. Parteien wie die AfD nutzen das für sich, während in der politischen Debatte eine klare, antifaschistische Haltung und rote Linie ausbleibt. Stattdessen erhält die unsägliche Extremismustheorie neuen Aufschwung. Die Gleichsetzung von vermeintlichem Links- und Rechtsextremismus, in Abgrenzung zur vermeintlichen “Mitte” der Gesellschaft ist wissenschaftlich mehrfach widerlegt. Jede Gleichsetzung ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die sich für eine gerechte Welt ohne Ausbeutung und Diskriminierung einsetzen und eine Bestärkung der Täter und Unterdrücker. Der Angriff auf die Existenz der VVN-BdA durch den Entzug der Gemeinnützigkeit war genau so ein Schlag ins Gesicht. “Das Haus brennt – und sie sperren die Feuerwehr aus”, schrieb Esther Bejarano treffend.
Gleichzeitig erleben wir kriegsähnliche Szenen an den Außengrenzen der EU, wo auf flüchtende Menschen geschossen wird, die als geopolitischer Spielball herhalten müssen. Die wenigen, die es über das Mittelmeer geschafft haben, werden während der Corona-Pandemie unter den unwürdigsten Bedingungen in Lagern gefangen gehalten und ihrem Schicksal überlassen.
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus
Wie in den letzten Jahren, möchten wir euch am 8. Mai zur Kranzniederlegung und einer Gedenkveranstaltung vor dem Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Buch einladen. Ob und wie es stattfinden kann, steht allerdings noch nicht fest. Wir überlegen, welche Möglichkeiten und Alternativen das Internet dabei bietet.
Es wäre allerdings schade, keine physische Anwesenheit am Sowjetischen Ehrenmal in Buch zu zeigen, weil Parteien wie NPD und AfD den Pankower Norden als ihre Hochburgen begreifen. Deutlich wird dies durch die Präsenz der NPD Pankow auf den Straßen von Karow und Buch – immer wieder kommt es zu Übergriffen und Pöbeleien aus rassistischen Motiven und zu faschistischer Propaganda. Zwei Wochen nach dem rassistischen Anschlag in Hanau tauchten in Pankow-Heinersdorf Sticker auf, die den Anschlag verherrlichten. Zeitgleich hatte auch die AfD nichts besseres zu tun, als zu eine Hetzveranstaltung gegen eine geplante Unterkunft für Geflüchtete einzuladen.
Aber auch abseits von Parteien und Kameradschaften zeigt sich Geschichtsvergessenheit. So prangt auf dem Privatgelände des “Wohnpark Bismarck”, einem Alternsheim in Französisch Buchholz ein Klotz, für die “Opfer des alliierten Bombenterrors”. Es ist unbegreiflich, wie die Befreiung vom Faschismus auf so plumpe Art und Weise umgedeutet werden kann.
Es gibt aber auch Bestrebungen, sich aktiv mit Geschichte auseinander zu setzen. So wird gefordert, die Robert-Rössle-Straße in Pankow-Buch umzubenennen. Nicht weiter zu schweigen und hinzunehmen, dass ein Faschist durch einen Straßennamen gewürdigt wird, der schon vor dem Nationalsozialismus maßgeblich am pseudowissenschaftlichen Unterbau der menschenverachtenden “Erblehre” beteiligt war. Obwohl er nie selbst gemordet haben soll, haben auf Grundlage seiner Theorien überall Verbrechen stattgefunden – auch in Buch. In der sog. “Heil- und Pflegeanstalt” wurde der Tod vieler Menschen durch Mangelernährung, Vernachlässigung und dem vorsätzlichen spritzen einer Überdosis Schlafmittel hingenommen, während zusätzlich Tausende Menschen in Tötungsanstalten “verlegt” wurden, von denen die meisten starben.
Für uns ist und bleibt der 8. Mai 1945 das “Morgenrot der Menschheit”, wie Perter Gingold, jüdischer Antifaschist und Widerstandskämpfer diesen Tag nannte. Wir möchten einerseits den Befreier*innen danken, aber auch unsere Verantwortung für die Gegenwart wahrnehmen und für eine menschenwürdige Welt einstehen.
Wir rufen euch darum auf aktiv zu werden – am 8. Mai aber auch in den Tagen davor!
Werdet kreativ in euren Vierteln, beteiligt euch am Tag der Befreiung an Gedenkaktionen und lasst den Nazis keinen Meter wenn sie versuchen diesen Tag politisch zu verunglimpfen und zu vereinnahmen. Unseren Kampf widtmen wir den Ermordeten von Hanau und schließen und dem Aufruf der MIGRANTIFA an, den 8.Mai zum "Tag der Wut" zu machen!
Erinnern heißt kämpfen!
-------- INFOS --------
Berlin-Buch: Kundgebung (10.00 – 20.00 Uhr)
Das Gedenken an die Befreiung findet wie geplant statt. Das Bündnis aus antifaschistischen Gruppen, Nacbarschaftsvereinen, VVN-BdA und Die Partei Die LINKE halten an den Planungen fest. Die aktuelle Gesetzeslage erlaubt genehmigungsfreie Anmeldungen mit 50 Teilnehmer*innen.
Antifaschistische Spurensuche
Am 8. Mai wird es eine antifaschistische Spurensuche geben. Gemeinsam werden wir Ort des historischen Widerstandes gegen die Nazis und des Naziterrors aufsuchen. Unser Ziel ist es die antifaschistische Geschichte in unseren Vierteln sicht- und erfahrbar zu machen. Infos dazu folgen.
Was machen die Rechten am 8. Mai?
Nach aktuellem Kenntnisstand (Mitte April) sind keine Anmeldeversuche oder Aufrufe auf rechten Medien bekannt. Die NPD Pankow hat in den vergangenen Jahren auch immer wieder spontan Kundgebungen angemeldet. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die NPD oder andere neonazistische Akteure für den 8. Mai kurzfristig etwas anmelden. Die Versammlungsbeschränkung hat auch bei den Nazis den Demonstrationsalltag eingeschränkt. Eine Nazikundgebung am 8. Mai wäre daher wahrscheinlich, nicht nur wegen dem historischen Datum, ein rechter Publikumsmagnet.
Des weiteren sollte auf die Querfront-Demos am Rosa-Luxemburg-Platz ein Auge geworfen werden. Obwohl die Aufläufe regelmäßig an Samstagen (um 15 Uhr) stattfinden, haben die Veranstalter*innen ihre nächste Demo auf den 1. Mai verlegt. Es ist also denkbar, dass der 8. Mai ähnlich instrumentalisiert wird. Ken Jebsen und auch die Veranstalter*innen vergleichen die Coronakrise gerade oft mit der Ermächtingung der Nazis 1933. Die Phantasie dieses Spektrums Themen und Daten für sich umzudeuten ist bekanntlich unbegrenzt. Haltet die Augen also offen!
Auf dem Laufenden bleiben
Aktuelle Informarionen findet ihr in den kommenden Tagen unter
www.instagram.com/erinnern_und_kaempfen