Statement einer Betroffenen von sexualisierter Gewalt

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Als Antifa-Wilhelmsburg wurde uns das nachfolgende Statement einer von sexualisierter Gewalt Betroffenen zugetragen. Innerhalb linker Strukturen in Hamburg ist es zu einem sexualisierten Übergriff gekommen, den wir hiermit veröffentlichen wollen. Mit der Veröffentlichung und Verbreitung des Textes kommen wir dem Wunsch der Betroffenen nach und wollen sie in ihrer Situation unterstützen. Wir sprechen der Betroffenen ausdrücklich unsere bedingslose Solidarität aus. Als Zeichen unserer Solidarität kommen wir den Forderungen der Betroffenen nach und werden die Konsequenzen gegenüber dem Täter ziehen. Wir wollen die Betroffene nicht alleine stehen lassen und plädieren für ein solidarisches Verhalten innerhalb der Hamburger Politszene. - Antifa-Wilhelsmburg -

Im Nachfolgenden das Statement der Betroffenen: 

"- Triggerwarnung für den folgenden Text.

Statement einer von sexueller Gewalt Betroffenen

Bevor ich auf das eingehe, was passiert ist, halte ich es für wichtig den Täter etwas genauer zu beschreiben.
Der Täter ist kein politisch unerfahrener und unreflektierter Mensch, sondern ein Mann Mitte 30. Er war 12 Jahre lang Scharfschütze bei
der Bundeswehr und studiert inzwischen Psychologie im Master. Zudem ist er bereits in einem der möglichen Aufgabenbereiche von Psychologen tätig,
unter anderem arbeitet er mit Kindern und Jugendlichen. Neben dieser Arbeit hatte er diverse Security-Jobs in Clubs und auf Festivals.
Außerdem engagierte er sich intensiv in der Fanszene des FC St. Pauli und in der linken Szene. Dort habe ich ihn vor 2 Jahren kennengelernt.

Der erste Kontakt entstand nach einer Solikneipe, welche meine Gruppe 2018 in Hamburg veranstaltete. Der Täter bekam meine Nummer über eine Freundin.
Wir hatten relativ schnell guten Kontakt, woraufhin er mich zu sich nach Hamburg einlud. Das Wochenende verlief zunächst sehr entspannt,
und wir waren im Südpol feiern. Als wir am nächsten Tag zu ihm nach Hause sind, fing es an unangenehm zu werden. Nachdem ich mich hingelegt hatte,
legte er sich an mich und fing an mich anzufassen. Ich sagte ihm, dass es mir unangenehm sei, und dass ich das nicht möchte.
Er redete sehr lange auf mich ein, erklärte mir immer wieder, dass z.B. "kuscheln" unter Freunden in Ordnung sei. Ich habe dann irgendwann nachgegeben.
Dabei ist es zu diesem Zeitpunkt auch geblieben und ich bin eingeschlafen. Als ich aufwachte, lag ich auf dem Bauch (was für mich absolut untypisch ist)
und bemerkte, dass er bereits dabei war mich zu vergewaltigen. Ich habe zu keinem Zeitpunkt mein Einverständnis gegeben, war dazu ja auch gar nicht in
der Lage, da ich fest geschlafen habe. Zudem hatte ich meine Tage, was ich ihm auch erzählt habe. Ich habe mich in dieser Situation nicht getraut etwas
zu sagen, da ich das Gefühl hatte, die Schuld würde bei mir liegen.
Als ich ihn nach dieser Vergewaltigung gefragt habe, was er gemacht hätte, wenn ich noch nie vorher Analsex gehabt hätte, antwortete er plump:
„Ich habe dich so eingeschätzt…"

Da ich direkt nach diesem Übergriff eine ganze Zeit nicht über das Geschehene nachgedacht und die Reflektion darüber auch erst einmal verdrängt habe,
hatten wir weiterhin engen Kontakt, und ich habe ihn danach mehrmals in Hamburg besucht. Er wusste, dass ich nach Hamburg ziehen wollte und hat mir in
dieser Zeit viele Türen „geöffnet“. Der Täter hat mich überall mit hingenommen, mich vielen Leuten vorgestellt, mir freien Eintritt bei Veranstaltungen ermöglicht
u.v.m. Alles Dinge, die ich mir mit 19 zu dem Zeitpunkt gewünscht habe. Doch er hat mir auch immer das Gefühl gegeben, dass ich ihm etwas schuldig bin dafür! 
Und das war in seinen Augen: Sex.
In dieser Zeit gab es etliche Situationen, in denen er sexuell übergriffig geworden ist, und ich kann mich an keinen Zeitpunkt erinnern, an dem ich vorher
nicht mindestens einmal „nein“ gesagt habe. Diesen Widerstand von mir hat er jedes Mal durch psychischen Druck in Form von ständigem Einreden und Nachfragen gebrochen.
Nach ca. 1-2 Monaten habe ich dann jemand anderen kennengelernt. Er hat trotz alledem weiterhin den körperlichen Kontakt zu mir gesucht. Erst nachdem ich
ihm wiederholt erklärt habe, dass mir diese Kontaktversuche unangenehm seien, hörte er auf. Dies war der erste Zeitpunkt, an dem er nachgab. Ich brauchte
also erst einen für ihn nachvollziehbaren Grund, und er respektierte weniger mein „Nein“ als den „fiktiven Anspruch“ einer dritten Person.
Danach wurde unser Kontakt weniger.
Als ich dann im August 2018 nach Hamburg gezogen bin, musste ich wegen meiner prekären Wohnsituation noch 3 Mal in der Wohnung des Täters übernachten.
Da ich in einem anderen Zimmer geschlafen habe, klopfte er mehrere Male an meine Tür und fragte, ob ich nicht doch zu ihm ins Bett kommen möchte.
Auch danach hat er mir des Öfteren geschrieben und gefragt, ob er nicht bei mir schlafen könne, was ich immer verneint habe.
Mittlerweile habe ich keinen Kontakt mehr zu ihm.

Zum damaligen Zeitpunkt habe ich sein Verhalten nicht hinterfragt, da er in Hamburg die einzige Bezugsperson für mich war, und er mir viele Türen geöffnet hat.
Anfangs habe ich die Schuld bei mir gesucht und mir eingeredet, dass ich ihm Signale gesendet haben muss und nicht deutlich genug meinen Willen klar gemacht habe.
Außerdem hatte ich Angst, dass mir nicht geglaubt wird, da ich ja solange weiterhin Kontakt zu ihm hatte. Erst nach dem ich mit etwas Abstand die Situation
reflektiert habe, ist mir bewusst geworden, wie er mein Abhängigkeitsverhältnis immer wieder ausgenutzt hat. Er hat mir das Gefühl gegeben, dass ich ihm das
schuldig sei, für all das, was er für mich getan hat.

Vor kurzem habe ich mich dann dazu entschlossen, diese Tat öffentlich zu machen. Am Sonntag, den 12.04.2020 habe ich mich mit einem kleinen Kreis von Menschen
getroffen und mich ihnen anvertraut. Gemeinsam beschlossen wir, weitere Personen darüber zu informieren.
Ein*e Genoss*in traf sich am darauffolgenden Dienstagnachmittag mit einer Person aus seinem engeren Freundeskreis, um auch diese Person darüber zu informieren.
Auf ihren Wunsch wurde dieser Person nur erzählt, dass es ihm gegenüber einen Vorwurf gibt, aber nicht, was damals genau passiert ist. Wir gehen davon aus,
dass der Täter durch diese Person, von meiner Entscheidung andere über die Tat zu informieren erfahren hat. Am gleichen Abend erstellte er eine Gruppe mit knapp
60 Mitgliedern, um sie ohne mein Wissen über seine Sicht zu informieren.
In seinem Text geht es ausschließlich um ihn und um seine nächsten Schritte. Zwar zeigte er sich oberflächlich kooperativ, doch betont er gleich zweimal,
dass er der Situation damals ganz anders erlebt habe.Er spricht davon, dass er eine sogenannte „Klärung“ anstrebt, als wäre das alles nur ein Missverständnis.
Zeitgleich kontaktierte er diverse Personen aus seinem Umfeld und versuchte sich als Unschuldslamm darzustellen. Inzwischen schickt er Statusupdates an
ausgewählte Personen, um sie über seine nächsten Schritte zu informieren. Daher wissen meine Vertrauenspersonen und ich, dass er plant ehemalige
Sexualpartner*innen zu kontaktieren, um sie zu fragen, ob sie ähnliche Situationen, wie die von mir geschilderte, mit ihm erlebt haben.
Als Psychologiestudent, der sich jahrelang mit Themen wie sexuelle Gewalt beschäftigt hat, sollte er am besten wissen, dass kaum eine betroffene Person
dem Täter gegenüber eine solche Frage mit „Ja“ beantworten würde. Vielmehr schüchtert er so (potenzielle) Betroffene ein. Während der Täter also alles tut,
um sein Ansehen wiederherzustellen und den Vorwurf "aufzuklären", hat er nicht einmal versucht Kontakt zu mir oder zu meinen Vertrauten aufzunehmen,
um sich überhaupt erst einmal ein Bild von meinem Erleben und Empfinden machen zu können. Vielmehr hat er es bereits geschafft, dass mehr über seine Reaktion,
als über seine Tat selbst gesprochen wird. Wie also kann er ernsthaft behaupten an einer Aufarbeitung interessiert zu sein?

Ich möchte mit diesem Statement jegliche Missverständnisse beseitigen und meine Sicht klar machen.
Mein Ziel ist es nicht, Menschen an den Pranger zu stellen, weil sie Täterschutz begangen haben, sondern dass sie sich dessen bewusst werden
und in Zukunft reflektierter handeln. Es ist wichtig, dass mit solch einem Thema sensibel umgegangen wird. Ich wünsche mir, dass betroffenen Personen
geglaubt wird und Täter nicht geschützt werden, damit auch andere Betroffene den Mut haben, sich zu äußern. Des Weiteren sollte jedem bewusst sein,
dass es wichtig ist, Täter zu benennen und nicht die betroffenen Personen.

Meine Forderungen sind, dass der Täter keinen Fuß mehr in linken Zusammenhängen und Fußballkreisen fassen kann, sowohl in Hamburg als auch anderswo.

Dieses Statement kann und soll weiterverbreitet werden! -"

Antifa Wilhelmsburg
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