Abtreibung muss man NICHT selber machen müssen! Statement in Solidarität mit den Protesten in Polen
In Polen steht mal wieder eine noch krassere Verschärfung des Abtreibungsverbots zur Debatte. Wir stehen solidarisch mit den Kämpfen in Polen. Wir fordern: Das Recht auf sexuelle Aufklärung und körperliche Selbstbestimmung überall!
In Polen steht mal wieder eine noch krassere Verschärfung des Abtreibungsverbots zur Debatte. In den letzten Jahren hatten es Aktivist*innen durch massenhafte Proteste geschafft, diese zu verhindern. Die Covid-19-Krise und die damit einhergehenden Einschränkung von Versammlungen erschweren es lauten Protest auszuüben. Hinzu kommt die Schwierigkeit den Fokus der Öffentlichkeit gerade auf andere Themen als das Virus zu richten. Genau das spielt in die Karten der rechtspopulistischen Regierungspartei PiS und ihrem autoritären, anti-emanzipatorischen Kurs: Erst kürzlich änderten sie trotz starker Proteste der Opposition das Wahlrecht, um sich für die kommenden Wahlen einen Vorteil zu verschaffen. Jetzt steht besagte Verschärfung des Abtreibegesetzes und die Kriminalisierung von Sexualaufklärung an. Das bisherige Abtreibungsgesetz in Polen ist schon eines der restriktivsten in Europa. Es erlaubt Schwangerschaftsabbrüche nur im Falle von Vergewaltigung, Inzest, Gefährdung des Lebens der Mutter* [1] oder Missbildungen des Fötus. Mit dem neuen Entwurf soll die letzte Option ebenfalls wegfallen. Der aktuelle Stand ist bereits ein Skandal und viele Frauen* kämpfen seit Jahren um ihr Recht auf Selbstbestimmung. Die Verschärfung ist ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen. Seitdem die PiS Partei 2015 erneut an die Macht kam, ist das Thema Schwangerschaftsabbrüche besonders präsent. Es haben zahlreiche Proteste gegen die Verschärfung der Gesetze stattgefunden, darunter die sogenannten "schwarze Märsche" ("czarny protest") von schwarzgekleideten Frauen*. Auch in den vergangenen Tagen gab es trotz Quarantäne viele Proteste gegen die erneuten Gesetzesvorhaben: In Einkaufsschlangen wurden Transparente gehalten, es wurden schwarze Regenschirme getragen und in Warschau wurde zeitweise an einer wichtigen Kreuzung der Verkehr mit Autos, die mit Transparenten bestückt waren, aufgehalten. Wir stehen solidarisch mit den Betroffenen und den Aktivist*innen in Polen! Gleichzeitig wird gerade noch ein zweiter Gesetzesentwurf diskutiert: Dieser könnte Sexualaufklärung unter Strafe stellen. Das homo- und transfeindliche Bündnis "Stop Pedofilii" hat die Gesetzesinitiative eingebracht. Unter der Bezeichnung "Kinderschutzgesetz" soll das Strafrecht auf perfide weise ergänzt werden: "Wer als Erzieher, Pfleger oder Lehrer Geschlechtsverkehr oder andere sexuelle Handlungen durch Minderjährige propagiert oder lobt, muss demnach mit drei Jahren Gefängnis rechnen". In ihrer Argumentation warnen sie vor der vermeintlichen Gefährdung Minderjähriger durch queere Aufklärung. Dass damit niemand geschützt wird, ganz im Gegenteil, sollte klar sein: Die Ausführung des Gesetzes könnte Sexualaufklärung an Schulen und die Beratung zu Coming-Outs, Verhütung und Schwangerschaft gefährden. Auf Twitter äußern sich Aktivist*innen: "I can't believe we still need to fight for this". Der Entwurf ist ein Schlag ins Gesicht für Kämpfer*innen um Emanzipation! In Polen ist in den letzten Jahren die Hölle los - die Zunahme von autoritären und repressiven Maßnahmen bereiten den Weg hin in eine Diktatur. Aktivist*innen vor Ort versuchen, die Kämpfe für körperliche Selbstbestimmung trotz der aktuellen von Covid-19 ausgelösten politischen Krise, zu führen. Über beide oben geschilderten Gesetzesentwürfe muss erst in den Ausschüssen beraten werden. Danach werden sie dem Parlament wieder vorgelegt. Das können wir nicht unkommentiert passieren lassen! Lasst uns zeigen, dass die polnischen Aktivist*innen nicht alleine sind!Es geht um Selbstbestimmung, freie Aufklärung und darum, eigene Entscheidungen über den eigenen Körper zu treffen! Auch in Deutschland bietet die Covid-19-Zeit viele Herausforderungen. Neben der Pandemie selbst sind auch hier häusliche Gewalt, der erschwerte Umgang mit psychischen Problemen aufgrund von Isolation, oder das Trennen von Familien durch Grenzen nur eine kleine Auswahl an akuten Problemen. Und wie sieht es mit Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland zurzeit aus? An der untragbaren Situation hat sich nichts geändert: Sie sind weiterhin strafbar. Mit den Paragraphen 218 und 219a werden Menschen , die sich in der Notlage einer ungewollten Schwangerschaft befinden und die Ärzt*innen, die ihnen aus der Notlage helfen wollen, kriminalisiert [2]. Für Menschen, die jetzt auf einen Schwangerschaftsabbruch angewiesen sind, ist vor allem relevant, inwieweit oder gar ob dies möglich ist. Auch in der jetzigen Krisensituation gelten weiterhin die Einschränkungen der 13-Wochen-Frist und des nachgewiesenen Beratungsgesprächs. Doch die Krise selbst kommt als Einschränkung hinzu: Die Maßnahmen, die die Ausbreitung der Pandemie verlangsamen sollen, erschweren den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Die Beratungsstellen versuchen, ihr Angebot aufrecht zu erhalten und bieten teilweise Video-Termine an [3], einige mussten aber wegen Personalmangels ihr Angebot einschränken. Es wird teilweise unmöglich gemacht rechtzeitig alle Vorraussetzungen zu erfüllen und einen Termin zu bekommen unter Anderem da einige Ärzt*innenpraxen bereits geschlossen haben. "Die Anweisung der Bundesregierung ist derzeit, alle Operationen, die planbar sind, zu verschieben – um Platz für dringliche Corona-Fälle zu schaffen" [4]. Ein Schwangerschaftsabbruch ist ein Notfall und muss mit entsprechender Dringlichkeit behandelt und ermöglicht werden!
Wir hoffen für alle Betroffenen auf möglichst geringe Konsequenzen und danken allen aktiven Unterstützer*innen.Wir fordern einen Abbau der unnötigen Hürden und insbesondere die Abschaffung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen! In Polen, in Deutschland, überall! Mein Körper, meine Entscheidung!My body, my choice!Moje ciało, mój wybór! [1] Das Sternchen steht hier, um zu verdeutlichen, dass Kämpfe um sexuelle Selbstbestimmung nicht nur von cis*-Frauen geführt werden. Schwangerschaftsabbrüche können alle Menschen betreffen, die schwanger werden können, also auch Trans*-, Inter* und Nicht-binäre Personen.[2] Ein Beitrag zu einer Aktion gegen Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch im vergangenen Herbst in Erfurt https://de.indymedia.org/node/38443[3] https://www.profamilia.de/ueber-pro-familia/aktuelles-zu-corona.html[4] Offener Brief von Gynäkolog*innen und Fachverbänden https://doctorsforchoice.de/2020/03/covid19-und-schwangerschaftsabbruch/