Besetzerinnen
Ein neues selbstorganisiertes Projekt macht in Bilbo, aber auch im gesamten Baskenland von sich reden: OIHUK, das feministische Besetzungs-Projekt im bilbainischen Stadtteil Rekalde (dort wo vor 4 Jahren noch das legendäre besetzte Zentrum Kukutza stand). Nach der Besetzung eines ehemaligen Fabrikgebäudes im Sommer 2015 gingen Räumungsbefürchtungen durch die Szene, seither ist es ruhiger geworden, weil die rechtlichen Grundlagen für eine Räumung nicht gegeben sind. Der 9. Geburtstag eines anderen Besetzungsprojekts – des 7Katu in der Altstadt – war Anlass für die Frauen von OIHUK (baskisch: Schrei), sich bei einer öffentlichen Diskussion vorzustellen und möglicherweise in Frage stellen zu lassen. Weil genau das bisher eine der wesentlichsten Erfahrungen war, die die Besetzerinnen in sechs Monaten gemacht haben. Denn feministische Projekte, die darauf setzen, Räume allein für Frauen zu schaffen, gibt es im Baskenland erstens so gut wie nicht, und zweitens sind sie – auch innerhalb der Linken – nicht gern gesehen. Sie gelten als spalterisch.
Doch wussten die OIHUK-Frauen ziemlich gut was sie machten. Alle hatten Erfahrungen aus „gemischten“ selbstverwalteten Projekten, die nicht gerade positiv waren. Ihre Bilanz war, dass sich in solchen Projekten letztlich wieder Männer durchsetzen, bzw. dem Projekt den Stempel aufdrücken. In der Diskussion – vor einem „gemischten“ Publikum – berichteten die Frauen von positiven Erfahrungen im OIHUK, die allein dadurch möglich waren, dass es sich um ein feministisches Projekt handelt, angefangen bei Kommunikationsformen bis hin zu handwerklichen Tätigkeiten, für die sich normalerweise ausschließlich Männer zuständig und befähigt fühlen.
Aus anderen Gaztetxes (wie besetzte Zentren im Baskenland genannt werden), kamen eher negative Rückmeldungen, berichteten die Frauen, der als „Ausschluss“ empfundene Charakter des OIHUK wird nicht verstanden bzw. nicht akzeptiert. „Schade, dass die Kritiker heute nicht gekommen sind“, kommentierte eine OIHUK-Aktivistin, „heute wäre eine gute Gelegenehit zur Diskussion“. Nach der Vorstellung des Projekts entstand eine lebendige Gesprächsrunde mit verschiedenen Erfahrungen. Eine Teilnehmerin berichtete von Handwerks-Kursen, die sie ursprünglich für ein gemischtes Publikum gab. Die Besserwisserei von Kursteilnehmern sei derart nervig gewesen, dass sie irgendwann den Schlussstrich gezogen habe und nun nur noch für Frauen anbiete. Über Erfahrungen aus anderen Ländern wurde berichtet, wo es pädagogische Projekte parteilicher Mädchen- aber auch Jungen-Arbeit gibt, die von unterschiedlichen Seiten her feministische und anti-patriarchale Erziehung zu entwickeln und leisten versuchen.
Für deutsche Verhältnisse spielen sich Frauenthemen im Baskenland auf einer ganz anderen Ebene ab: am 8.März gibt es eine Demo mit großer männlicher Beteiligung, der 25.November spielt sich ähnlich ab. Nach Fällen von Gewalt gegen Frauen werden regelmäßig Protest-Kundgebungen gemacht, zu denen sich ebenfalls beide Geschlechter einfinden, bis hin zu den (männerdominierten) Gemeinderäten der jeweiligen Orte.
Wer die Idee verteidigt, dass Frauen eigene Freiräume brauchen bzw beanspruchen, um ihre Situation analysieren zu können und sich selbst gemeinsam aktionsfähig zu machen, wird mitunter verglichen mit reaktionären oder ultrareligiösen Kreisen, die Geschlechtertrennung fordern oder praktizieren. Fundamentalisten also. Das sei ein Rückfall in Francos Zeiten, moderne Praxis sei das gemeinsame Arbeiten und Kämpfen. Linke Gruppen und Parteien tragen alle das feministische Siegel vor sich her, neben den üblichen anderen: antikapitalisch, antifaschistisch, antirassistisch; oder: sozialistisch und feministisch. Doch ist die Praxis eine andere. Auch wenn es fast überall starke Frauen gibt – die abertzale Gewerkschaft LAB hat eine Generalsekretärin – so markieren dennoch Männer die politische Szenerie. „Feministisch“ ist weitgehend zum obligatorischen Attribut geworden. In diesem Sinn war ein Beitrag aus dem Kreis der bei der Diskusson Anwesenden zu verstehen: „Wenn auf der Straße mobilisiert wird, ist alles ziemlich klar: alle sind wir sozialistisch, feministisch und für die Unabhängigkeit. Was Unabhängigkeit bedeutet, daran besteht kein Zweifel. Sozialistisch, da bewegen wir uns schon auf unsicherer Bahn. Feministisch – davon hat niemand eine konkrete Vorstellung“.
Der eine oder andere hat sich schon verirrt ins OIHUK-Zentrum von Rekalde und wurde freundlich darauf hingewiesen, dass es ein Projekt für Frauen sei. Ob jene Männer denn zum Stören gekommen seien? Eher nicht, sie wussten einfach nicht Bescheid, fragten dann aber auch nicht weiter.