Laufend gegen die Festung Europa /// machbare Soliaktion in Corona Zeiten
Am 13. April hat in Hamburg-Wilhelmsburg ein
antirassistischer Sponsored Run stattgefunden / Rund 70 Leute liefen dabei insgesamt ca. 600 Kilometer um den Spreehafen.
Im Folgenden eine Herleitung der Idee eines Sponsored Runs und Erfahrungswerte für die Nachahmung, explizit für Zeiten, in denen Veranstaltungen autoritär untersagt werden.
Thema
In der letzten Woche wurde von Seiten der Bundesregierung verkündet, dass Deutschland nun 50 unbegleitete Minderjährige aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria aufnehmen wird. Bei der katastrophalen Situation von über 20.000 Geflüchteten in dem Lager, wo sich 1300 Menschen einen Wasserhahn teilen, ist das nicht einmal ein Tröpfchen auf den heißen Stein. Währenddessen werden für die Einreise von 80.000 Erntehelfer*Innen Flugzeuge gechartert, damit der deutsche Spargel nicht zu teuer wird. Es zeigt sich also wieder einmal, dass die häufig eingeforderte Solidarität an nationalstaatliche Konstrukte gebunden werden soll, obwohl gerade der Corona-Virus diese Grenzen permanent überwindet und dabei sogar erste Klasse reist.
Doch nicht nur an den EU-Außengrenzen herrschen katastrophale Zustände, sondern auch innerhalb dieses Staates werden der Solidarität der nationalen Krisengemeinschaft Grenzen gesetzt, wenn es beispielsweise um die Unterbringungsbedingungen von Geflüchteten geht oder um Menschen, die über gar kein sicheres Zuhause verfügen. In Hamburg hat die Stadt als eine erste Reaktion auf die Corona-Krise das Lampedusa-Zelt, welches sieben Jahre am Steindamm stand, unter fadenscheinigen Gründen entfernen lassen. Seitdem wird auch jeglicher öffentlicher Protest von Seiten der Staatsmacht unterbunden, die nun mithilfe des Bußgeldkatalogs über ein unkontrolliertes Machtinstrument verfügt, das den autoritären Charakter der Corona-Krise unterstreicht.
Antirassistischer Sponsored Run
Als politische Reaktion auf diese autoritären Zustände und für die Generierung von Spendengeldern zugunsten antirassistischer Projekte gab es einen Sponsored Run in Wilhelmsburg. Denn gerade jetzt, wo andere Solidaritätsveranstaltungen nicht stattfinden können und regelmäßige Spendengelder wegfallen, braucht es kreative Formate um die Solizwecke am Laufen zu halten.
Der Sponsored Run basierte dabei auf der Grundidee, dass die Laufenden vorher Sponsor*Innen für jeden zurückgelegten Kilometer finden (siehe angehängte Musterliste). Im Gegensatz zu Laufveranstaltungen gab es bei der Aktion keine feste Startzeit, sondern einen losen Start-Zeitraum von acht Stunden mit dem Motto: „sich nicht vorbeizudrängeln, sondern stattdessen gemeinsam und solidarisch Ausdauer zu zeigen“. So wurden größere Menschenansammlungen vermieden. Gleichzeitig war die Fortbewegungsart nicht vorgegeben, sodass auch der Spaziergang oder das Inlinern am Deich ihren Beitrag geleistet haben. Darüber hinaus waren an dem Tag an mindestens zehn weiteren Orten Menschen dezentral unterwegs (siehe angehängter Aufruf). Um einer Ansteckung mit dem Corona-Virus vorzubeugen, konnten sichere Abstände eingehalten werden. Das Konzept zeigt insgesamt eine Herangehensweise auf, inwiefern Menschen aus dem allgemein verkündeten „Social Distancing“ ein verantwortungsvolles, gemeinsames „Physical Distancing“ praktizieren können. Sichtbar waren an dem Tag zahlreiche politische Meinungsäußerungen und Statements, sei es auf der Kleidung der Laufenden, auf Transparenten oder in der näheren Umgebung der Laufstrecke (siehe angehängte Fotos).
Anknüpfend an andere kreative Protestformen wie den Fahrrad-Corso durch St.Pauli oder das gemeinsame Schlangestehen in Potsdam bietet ein antirassistischer Sponsored Run die Möglichkeit verantwortungsbewusst und solidarisch im öffentlichen Raum sichtbar zu sein und dabei sogar Soligelder zu sammeln. Räumlich verteilt auf einer mehrere Kilometer langen Laufstrecke, aber in der solidarischen Idee vereint.
Umsetzungstipps
Für die Umsetzung braucht es eine niedrigschwellige Organisierung, um in der Außenwirkung keinen Veranstaltungscharakter zu erwecken, deshalb hat sich die Idee ausschließlich über private Kontakte verbreitet. Die Route ist eine bekannte und mittel frequentierte Laufstrecke mit breiten Wegen und damit bestens geeignet um sich unauffällig fortzubewegen: Die Laufenden waren über eine längere Strecke im öffentlichen Raum verteilt und ständig in Bewegung. Darüber hinaus liegt es in der Eigenverantwortung aller, Ansteckungen mit dem Virus zu vermeiden.
An der Strecke gab es Checkpoints, an denen die Läufer*innen sich am Anfang als Mitlaufende erkenntlich machen konnten. Außerdem zählten die Checkpoints mit jedem Vorbeikommen der Laufenden aus sicherer Entfernung ihre Runden. So war ein gemeinsames Laufen ohne Infektionsgefahr möglich.
Im Laufe des Tages fuhr die Polizei regelmäßig die Strecke ab und hatte nichts zu beanstanden (siehe Foto).
Erfahrungswerte
Die Aktion lohnt sich als ein Soli-Format! Rechnet nur einmal als Beispiel: 50 Leute laufen mit je 5€ Sponsoring pro km durchschnittlich 10 km pro Person… Zudem werden mit dem Run auch Leute erreicht, die eher selten an einem Soli-Tresen landen. So oder so braucht es andere Konzepte, da aktuell jegliche Veranstaltungen verboten sind. Deshalb bietet es sich an, politische Inhalte mit dem zu verbinden, was noch möglich ist: Joggen, Inliner, Skateboard, Fahrrad, Kinderwagen, Hund … Wir hatten auf jeden Fall einen richtig guten Tag, weil wir mal wieder gemeinsam mit antirassistischen Inhalten auf der Straße waren!
Die angehängten Dokumente, Fotos und Aufrufe sind eine Inspiration ähnliche Aktionen anzugehen.
Gegen eine Corona-Lethargie! Für aktive Solidarität und neue Formate!
Let the fortress europe fall!