Ein paar Gedanken zu den ersten Tagen um den Prozess gegen drei Freund*innen

Am 08.01.2020 startete nun endlich der Prozess am Hamburger Landgericht gegen unsere Freund*innen und Gefährt*innen. Nachdem nun mehr als ein Monat vergangen ist, haben wir ein paar Gedanken gesammelt, um einen weiteren Blick auf den Prozess zu geben. Alle Protokolle und weitere Infos zu der Situation findet ihr auf parkbankprozess.blackblogs.org und parkbanksolidarity.blackblogs.org.

 

 

In den ersten Tagen wurden unsere Freund*innen von der Vorsitzenden Richterin freundlich, fast schon fürsorglich adressiert. Beispielhaft war dafür der Hinweis, dass sich darum gekümmert werden würde, dass beide ihre Mahlzeiten (Frühstück und Mittag) [16.1.] trotz der Verhandlungszeiten bekommen und das „Essen“, wenn nötig noch einmal aufgewärmt werden würde. Das es dann zum Mittag eine Kiwi ohne Löffel gab, sei hier nur nebenbei und als Anekdote erwähnt. Aber....

Vielen Dank Frau Richterin, ist ja fast wie im Hotel.

Wir sprechen von Knast!

Wir sprechen von Gefangenschaft!

Über organisatorische Fragen hinaus wird der Ton jeden Verhandlungstag etwas schärfer, der Verteidigung gegenüber, dem Publikum gegenüber. Bei Anträgen, bis auf Anträge auf Unterbrechungen,wurdebisher immer der Generalstaatsanwaltschaftnachgekommen. Mit jedem Tag wird auch klarer, dass bisher nicht das Gericht das Sagen hat, sondern die Bullen. Laut der Verteidigung haben diejenigen die Macht, welche im Besitz der vollständigen Akte sind. Das ist normalerweise das Gericht. Die Bullen verfügen in der Regel über eine Verfahrensakte und können im Gericht Einsicht in die Originalakte nehmen. In diesem Fall scheint es so, als läge die Akte nach wie vor bei den Bullen, die sie mit nachträglichen Berichten füttern und bei Anfrage fleißig Seiten für ihre Kumpels bei der Presse kopieren. Soviel zu dem Geplänkel um juristische Ungenauigkeiten und unterschiedliche Rechtsauffassung...

Unglaublich widerlich ist es, in einer solchen Situation ein Kümmern und Sorgen von Staatsseiten zu suggerieren und freundschaftlich darauf hin zu weisen, dass „niemand eine Aussage machen muss und niemand MUSS eine Aussage verweigern, jede Person kann etwas sagen, wenn sie will“ - als wäre es ein Meeting oder lockerer Gesprächskreis. Die Personen die das sagen, meinen das wahrscheinlich ernst, aber das ist nicht der Punkt.

Denn wir haben nicht das gleiche Interesse und nicht die gleiche Perspektive auf Sachen. Wir sitzen nicht an einem Tisch um auf Augenhöhe miteinander zu sprechen, um den ‚vorliegenden Sachverhalt` aufzuklären. Es ist absolut perfide, Vertrauen zu suggerieren und sich gleichzeitig wie in einem Männerklub auf die Schultern zu klopfen, sowie über jeden Zweifel erhaben zu sein, wenn beispielsweise plötzlich weitere Akten auftauchen (28.1.) und das mit einer "Unterschiedlichen Auffassung des Rechts" begründen. Und so nimmt auch in diesem patriarchalen Theaterstück auf der großer Bühne, wie gewohnt, jede Person ihren Platz ein. Die Kammer (Schöff*innen, Richtende), die Generalstaatsanwaltschaft, das Publikum, die Angeklagten, die Verteidigung.

Darüber hinaus inszenieren sich GstA Bornemann und Schakau als die wahren Väter und Schützer des Vaterlandes. Neben plumpen und einfältigen Kommentaren, wie beispielsweise am 28.1. zu einer Verteidigerin, welche ihn unterbricht, um etwas zu erklären „Lassen sie mich ausreden. Sie schaffen das“ (ihm jetzt einmal zuzuhören) und “das ist keine Gerichtsshow“ oder am 20.1/04.02.. „linksextremistische Straftaten und fehlendes Unrechtsbewusstsein im Publikum“, oder auch am 28.01. einen Kommentar an die Verteidigung, welche vermeintlich ein linksextremistisches Narrativ verbreitet, da sie einen Antrag auf Prüfung beamtlicher Begleitung des Prozesses stellt. Sie zeigen eine Erhabenheit die weder Sinn noch Verstand hat und schon gar keine Berechtigung für ihre Selbstwahrnehmung bietet. Da weder die ihnen unterstellten Bullen noch irgendwer sonst einen feuchten Furz auf sie geben. Doch passen sie perfekt in das Bild klassisch konservativer, weisser, mittelständischer Männer, welche nicht nur die Verfassung, sondern auch ihre Männlichkeit verteidigen müssen. In gut inszenierten Kontrollverlusten hält Schakau schützend die Hand vor Presse und Polizei, denn es liegt "Linksextremismus" in der Luft und jede Person die sich aus seiner Ansicht von 'law and order' nicht angemessen benimmt hat den Stempel weg.

Für uns ist aber schön zu beobachten, wie sich verschiedene Rechtsauffassungen, gepaart mit infantiler Männlichkeit, schützend vor den Rechtsstaat werfen. Das alles für den Kampf gegen den "Linksextremismus"!

Besonders zynisch wird die ganze Geschichte, wenn wir uns die Ärsche in ihren Gerichtssälen platt sitzen, während gleichzeitig alle paar Tage irgendein Faschist in enger Vernetzung mit den Bullen mordend durch die Städte läuft.

Hamburg- super! Diese Logik ist eine Farce!

Aber an wen richten wir hier eine Kritik, denn wir erwarten von diesem Rechtsstaat eh schon nichts mehr.

Für uns ist dies ein Beispiel dafür, dass: die Thesen des kleinen Mannes immer weiter funktionieren. Wie auch in Dresden, jeden Montag, seit nunmehr 5 Jahren.  Klar bleibt, dieser Prozess soll, von Seiten der Bullen, nicht nur Schauprozess, mit einer harten und Symbol trächtigen Strafe sein. Sondern jedes Mittel, was dafür gut genug ist, wird dabei auch angewendet. Die Presse, als viertes Staatsorgan, erledigt den Rest und übertrumpft sich mit Schlagzeilen. Diese juristische Sprache in der hier gesprochen wird, hinterlässt mehr Fragezeichen, als dass sie Antworten gibt. Sie ist ein künstliches Instrument. Sie ist weder die der Gefährt*innen, noch unsere eigene. Gefangenen wird ein Leben aufgezwungen, was nicht das eigene ist.  Je mehr sich Menschen mit dieser juristischen Sprache beschäftigen müssen, umso mehr kann es passieren, dass sie anfangen in der Sprache zu denken.  „Es kann passieren, dass du nicht mehr von dir selbst ausgehst, sondern von deinem Recht.“ (Wege durch den Knast, Kapitel juristische Sprache). Die Gefahr laufen nicht nur Gefangene, sondern auch all diejenigen, die sich mit der Situation von Gefangenschaft und Repression beschäftigen müssen. Und während Behörden Akten zurück halten, welche plötzlich wieder auftauchen, und ein Tag nach dem anderen verstreicht, sitzen Menschen in Haft. Wir sprechen hier bewusst von Menschen, denn hier trifft es unsere Freund*innen, doch das ist nur einer der unzähligen Prozesse die so oder so ähnlich gegen Menschen geführt werden. Im Gegensatz zu den drei Gefährt*innen sind das häufig Menschen, die über eine 'niedrige' Ausbildung verfügen, Illegalisierte, Menschen, die Rassismus erfahren , Menschen, die von Armut betroffen sind oder Menschen, die Eigentumsverhältnisse in Frage stellen (Broschüre „Freiheit für Alle!!!“).

Der Knast ist ein Klassensystem, der Knast ist abscheulich und hässlich und wir hassen ihn.

Deshalb kämpfen wir! Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die so eine Logik nicht benötigt und die dem kleinen Mann mit seinen kruden Auffassungen den Mittelfinger zeigt! Für uns spiegeln sich hier nicht nur alltägliche, sondern auch staatliche, gewaltvolle Machtstrukturen wieder. Und damit wir uns nicht falsch verstehen, für uns ist jegliche andere staatlich organisierte Vertreter*innen Struktur oder auch ein Matriarchat keine Lösung des Problems.

Wir kämpfen für eine von Hierarchien befreite, solidarische Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die für Führungs- und Machtpositionen keinen Platz hat.

Viel Kraft, Freiheit und Glück allen Gefangenen.

 

 

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