[Kolumbien] Spannungen und Militarisierung in La Macarena
Der Artikel beschreibt die aktuelle Situation in der zentralkolumbiansichen Region La Macarena, die derzeit von starker Militarisierung, aber auch sozialen Kämpfen geprägt ist.
Die Region La Macarena sowie ihre Naturparks Tinigua und Picachos im südwestlichen Teil der Provinz Meta sind seit jeher Regionen, die von einer starken Organisierung der Bauernschaft und auch als dominiertes Territorium der Guerilla gelten. Viele Jahrzehnte lebte die lokale Bevölkerung und mit ihr die Guerilleras und Guerilleros der FARC-EP vom Staat verlassen in dieser Region und setzten mit ihrer Organisierung und dem Aufbau eigener halbstaatlicher Strukturen sowie Regeln des Zusammenlebens eigene Akzente. Zu diesen Organisationen zählt heute zum Beispiel ASCAL-G. Ab den 1980er Jahren war die Region stark vom Koka-Anbau geprägt. In einer vom Staat verlassenen Region häufig das einzige Anbauprodukt – neben der Viehzucht, das Geld erwirtschaftete.
Die Organisationen der Bauern und Kolonisten, die dieses Land besiedelten, sahen dies kritisch, versuchten aber ebenso wie die Guerilla den Geldfluss auch in eine soziale Infrastruktur zu lenken. Die Guerilla zum Beispiel besteuerte den Kokaverkauf und nutzte die finanziellen Mittel zum Bau von Wegen und Straßen sowie für soziale Einrichtungen. Zudem gaben sie Handlungsanweisungen für das Zusammenleben heraus. Bäume durften nicht gefällt werden oder mussten bei Fällungen in dreifacher Zahl wieder angepflanzt werden, juristische Streitigkeiten wurden geregelt, die Bauern angehalten, durch den Anbau von Obst und Gemüse für die Selbstversorgung zu sorgen und durch freiwillige Arbeit dem Gemeinwohl zu dienen.
Immer wieder kam es zu Angriffen von Polizei und vor allem des Militärs auf diese Regionen, die diese als Bastion der Guerilla ansahen, ohne jedoch für positive sozioökonomische, ökologische und politische Entwicklungen zu sorgen. Der Staat war einzig und allein durch seine Militarisierung präsent, die besonders in der Zeit unter dem rechten Präsidenten Uribe für starke Konflikte, Kriegszustand und Repression sorgte. Das Militär wurde als ein Besatzungsheer angesehen, die sich wiederum nicht um die Rechte der lokalen Bevölkerung scherte. Stattdessen vertraute die Bevölkerung auf die eigenen Regeln des Zusammenlebens und auf die Guerilla als Schutzmacht.
Aktuell gibt es wieder Angriffe von Polizei und Militär auf die lokale Bevölkerung. Klar, auch die Guerilla ist weiterhin in dieser Region präsent und verteidigt ihr Territorium. Doch in den Medien wird propagandistisch von Waldbränden berichtet, die kämpfende Einheiten der dissidentischen FARC gelegt hätten. Ziel der Brände wäre die Rodung von großen Waldflächen, um Anbauflächen für Koka zu schaffen. Natürlich kann im Einzelfall auch so etwas nicht ausgeschlossen werden, doch die Vernichtung großer Flächen steht im Widerspruch zu den Zielen der lokalen Bevölkerung und der aufständischen Bewegung, die damit ihre Lebensgrundlage (reichhaltige natürliche Ressourcen) und ihren Schutzraum (Wald und Savannen als Schutz der Guerilla) vernichten würden.
Unter dem Namen Plan Artemisa gibt es einen Militärplan der kolumbianischen Armee, der laut eigener Propaganda dem Umweltschutz dient. Es darf nicht vergessen werden, dass Kolumbien tatsächlich von großen ökologischen Problemen und Waldvernichtung betroffen ist. In Wirklichkeit ist es jedoch ein Militärplan, der auf Angriffe gegen die Guerilla zielt und Gebiete unter die Staatsgewalt bringen soll, die nach ihrer Auffassung an die Guerilla sowie an autonom handelnde Bauernorganisationen gefallen sind. Die militärischen Auffassungen stehen dabei konträr zu den Interessen und Gepflogenheiten des Zusammenlebens der lokalen Bevölkerung.
Auch hier in der La Macarena gibt es ökologische Probleme und das wissen die dort beheimateten Organisationen. Es ist jedoch nicht die lokale Bevölkerung für die Schäden verantwortlich zu machen, sondern vor allem Großgrundbesitzer und transnationale Konzerne. Diese Aspekte werden von der Regierung und der Armee verschwiegen. Oftmals zahlen Großgrundbesitzer arme Leute in anderen Landesteilen Kolumbiens, damit sie sich in Regionen wie La Macarena aufmachen, dort Land in Besitz nehmen und es urbar machen, um Koka anzubauen oder exzessive Viehwirtschaft zu betreiben. Nach Jahren sollen dann die Ländereien mit ihren Einnahmen per Titel an die Großgrundbesitzer gehen. Es sind jene, die später häufig Paramilitärs für ihre Interessen einsetzen.
Auch wirtschaftliche Interessen der Konzerne spielen eine große Rolle. Auch sie versuchen, häufig über Strohmänner, Land zu kaufen, um vor allem die natürlichen Ressourcen auszuplündern. In der La Macarena betrifft es vor allem das Erdöl. Die lokale Bevölkerung wird vor vollendete Tatsachen gestellt und oftmals bleiben sie mit den sozioökologischen Problemen allein. Diese Ursachen spielen in der öffentlichen Darstellung aktuell keine Rolle. Stattdessen werden die Guerilla und die lokale Bevölkerung gebrandmarkt und werden ökologische und militärische Interventionen durchgeführt, ohne die Realitäten der lokalen Bevölkerung anzuerkennen. Naturschutz kann auch mit Menschen geschehen, die Guerilla hat es in ihren Gebieten jahrzehntelang bewiesen. Studien zeigen, dass mit der Waffenniederlegung und Aufgabe ihrer Gebiete erst der Weg zur Umweltzerstörung frei wurde, da nun die Schutzmacht fehlte.
Seit dem 18. Februar wurden massive Landungen von Armee und Polizei in der Region beobachtet. Sie führten wahllose Kontrollen auf den Landstraßen durch und schikanierten die Bevölkerung. Am 20. Februar gab es in dem Dorf El Rubi schwere Kämpfe, wobei unter anderem zwei Soldaten getötet wurden. Die Kämpfe fanden mit Guerillaeinheiten der 40. Front der FARC-EP statt. Anschließend folgten wahllose Verhaftungen in der Zivilbevölkerung, seit Jahren ein repressives Mittel des Staates zur Einschüchterung der Bevölkerung. Oftmals wird ihnen Kollaboration mit der Guerilla angedichtet. Am 22. Februar versammelten sich rund 300 Bauern in Caño Juan und El Tapir, um über Proteste gegen die Militarisierung zu beratschlagen. Diese Versammlungen wurden massiv von Polizei und Militär angegriffen. Hinzukommende großflächige Brände, durch kämpferische Handlungen ausgelöst, sorgten für die erste große Berichterstattung.
Am folgenden Tag, am 23. Februar, kamen mehr als 1500 Personen der Region zusammen und in den folgenden Tagen erreichte die Zahl sogar 3500 Personen. Sie blockierten Wege, es gab Demonstrationen und Aktionen sowie große Versammlungen zum Diskutieren. Es solidarisierten sich hunderte von Personen aus San Vicente del Caguán sowie anderen Orten der Provinzen Meta und Caquetá. Doch immer wieder gab es Festnahmen und Überflüge von Hubschraubern und Bombern in den Dörfern. Zwischenzeitlich wurden von der Zivilbevölkerung Soldaten festgenommen. Vielen Einwohnern sind die Zeiten aus den 2000er Jahren bekannt, als die Region Kriegsgebiet war und die Armee Tausende von Bauern verschwinden ließ. Später tauchten sie in Massengräbern wieder auf, wie zum Beispiel rund 2000 Leichen auf dem Friedhof des kleinen Städtchens La Macarena. Seit dem 26. Februar ist eine Menschenrechtskommission angekommen, die die Situation etwas beruhigen konnte.
Mittlerweile wird die Solidaritätswelle für die Bauern immer größer. Zu den Aktionen in der Provinz Caquetá, wie in den Gemeinden El Doncello und Puerto Rico, kommen auch Spendenaktionen und Versammlungen in der Hauptstadt Bogotá hinzu. Vor allem wird auf eine Umsetzung des Friedensabkommens hingewiesen, was unter anderem eine Agrarreform und Programme zur Substitution von illegalen Pflanzen wie Koka enthält. Nur Investitionen in die soziale und wirtschaftliche Infrastruktur, sowie das Anerkennen der lokalen Selbstverwaltung, können die Situation befrieden. Sonst werden die Spannungen weiter zunehmen und sich auch die dissidentischen Guerillaeinheiten weiter positionieren und Zulauf in ihren hier aktiven Fronten 1, 7 und 40 haben.