[B] 2. Prozesstag: Wer stoppt die Rüpelkontrolleure? #weilwireuchhassen
Am Dienstag, den 12.01.2020, fand erneut ein Prozesstag gegen die Beschuldigten im BVG-Verfahren statt.
Begonnen hat dies damit, dass der Richter den dritten Beschuldigten nach erneuter Krankschreibung vom Prozess abgetrennt hat und ihn zukünftig einzeln verhandeln wird.
Die Anwält*innen der verbliebenen beiden Angeklagten haben beantragt als Pflichtverteidiger*innen beigeordnet zu werden, da es um einen nicht so einfachen Fall geht und das Urteil ausschließlich auf den Aussagen von Zeug*innen gefällt wird, da keine weiteren Beweise vorliegen und dementsprechend die Rekonstruktion des Geschehens kaum möglich ist. Dies lehnten sowohl der Staatsanwalt, als auch der Richter kurz und knapp ab, da sie meinen, dass die Sachlage keineswegs schwierig sei und Fragen des Wiedererkennens zu problematisieren keine Beiordnung als Pflichtverteidiger*innen rechtfertige.
Als das geklärt war, wurde die Anklageschrift durch den Staatsanwalt verlesen.
Nach einer kurzen Unterbrechung haben die Anwält*innen den Antrag gestellt, einen Wahrnehmungspsychologen zu laden, da die Zeug*innenaussagen sich mitunter widersprechen, die Situation chaotisch war und so keine zuverlässigen Beobachtungen möglich waren. Zudem gab es mal wieder Mängel in der Gegenüberstellung, bzw. dem Vorlegen von Lichtbildmappen durch das LKA. Auch diesen Antrag lehnten Staatsanwalt und Richter ab, da sie der Meinung sind, das Gericht besitze selbst die erforderliche Sachkunde zur Glaubhaftigkeit der Zeug*innenaussagen, auch bezüglich des möglichen Vorliegens eines Irrtums aufgrund von Wahrnehmungs- oder Erinnerungsfehlern. Es sei schließlich dessen „ureigenste Aufgabe“ und somit sei ein Sachverständiger unnötig.
Daraufhin kam der erste Zeuge, einer der drei Kontrolleure, welcher nicht viel zur Situation sagen konnte, da er vorerst damit beschäftigt war, selbst eine Person ohne Ticket zu sanktionieren.
Als er mitbekam, dass sein Kollege, der einer Person ohne Ticket hinterhergerannt ist, Probleme hat, ist er ihm zur Hilfe geeilt. Er selbst wurde laut eigener Aussage nicht angegriffen, hat selbst nur geschubst. Er berichtete aber vom „Chef des Clubs“, der mit einem Feuerlöscher verhinderte, dass sie in das Kalabal!k aka den Club eindringen konnten. Nach seiner Aussage haben alle Frauen, die hinzu kamen, nur rumgeschrien und eine „Dame“ wäre so dreist gewesen ihm den Tod zu wünschen.
Im Nachhinein hat er dann bei der Vernehmung beim LKA zwei Personen wiedererkannt, weil sie ihn angegrinst haben, als sie abgeführt wurden.
Er wurde gefragt, warum er nicht mehr bei der BVG arbeitet und sagte dazu: „Ich mach das nicht mehr, macht keinen Spaß, immer gibt es Ärger, immer müssen wir uns alleine kümmern“. Immerhin hat er noch das Mysterium darum aufgeklärt, ob Kontrolleure Menschen anfassen dürfen. Er sagt ja, alle dürfen zur vorläufigen Festnahme festgehalten werden.
Auf diese Aussage folgte eine erneute Pause. Kurz nachdem die Zuhörer*innen den Saal wieder betreten haben, wurde eine Person vom Richter des Saals verwiesen, da ihm die Körperhaltung missfallen hat und er dem Gericht gegenüber respektlos sei.
Die zweite Zeugin war eine Passantin, die auch nicht viel zu sagen hatte, da sie erst später hinzukam. Trotz dessen meinte sie eine Personen wiedererkannt zu haben und hat diese belastet. Ansonsten hat sie sich hauptsächlich über die schlechte Polizeiarbeit ausgelassen und darüber beschwert, dass die Aussagen, die sie sie angeblich laut Protokoll der Cops gemacht haben soll, nicht zutreffen würden. So wurde ihr die Aussage zugeschrieben: „Es kam ein vermummter Mob aus der Bibliothek mit Flaschen bewaffnet heraus und hat die Kontrolleure angegriffen“. Diese, so wie einige weitere Szenen, verneinte sie gesagt zu haben und wäre auch gar nicht in der Lage gewesen den Beginn der Situation zu beschreiben. Der offensichtlich eifrige Vernehmungsbeamte hierbei war wieder einmal der Kriminalkommissar Philip Warmuth vom LKA 521, der u.a. schon im Prozess gegen Isa „ermittelte“.
Nach der Mittagspause begannen erneut die Schikanen gegen die Zuschauer*innen, da im Flur vor dem Saal neue Kunstwerke entstanden sind, die sowohl den Justizangestellten, als auch dem Richter sehr missfallen haben, beide waren authentisch porträtiert worden.
Die Zuschauer*innen wurden weggeschickt, damit die Wände gereinigt werden können, hierfür kam extra eine Putzkolonne von Wisag. Diejenigen mit Bleistiften (der einzige Gegenstand, den man jenseits der Sicherheitskontrollen behalten darf, abgesehen von Papier, welches man sich von den Justizangestellten erbetteln muss) wurden dazu aufgefordert diese abzugeben. Daraufhin haben alle das Gebäude verlassen. Eine Person ist gegangen, da die Beobachtung ohne Notizen für sie keinen Sinn ergab. Die anderen sind nach erneuter Kontrolle, die es auch gegeben hätte, hätten sie das Gebäude nicht verlassen, wieder reingegangen. Die Anwält*innen beanstandeten diese spontane Verfügung und sahen darin eine Verletzung der Öffentlichkeit. Bereits zu Beginn des Prozesses wurde dies bemängelt, weil durch die langen Kontrollen nicht alle Zuschauer*innen von Anfang an im Saal sein konnten.
Der Richter sieht den Grundsatz der Öffentlichkeit natürlich nicht verletzt, obwohl Menschen wegen seiner Zwischenverfügung den Prozess nicht weiter verfolgt haben. Nun wurden wieder einmal alle rausgeschickt, um dem Richter Zeit zu geben einen Vorschlag, den die Zuschauer*innen längst gemacht hatten (von dem er aber glaubte, es sei seiner) zu überdenken und dann umzusetzen:
Im Saal werden nun Stifte und Papier ausgeteilt und wieder abgenommen, bevor die Zuschauer*innen den Saal verlassen.
Nun kam der dritte Zeuge in den Saal. Auch er sagte, dass das Geschehen zu unübersichtlich war, um klare Aussagen treffen zu können. Laut ihm gab es viele Fäuste und Tritte, aber wer was gemacht hat konnte er nicht zuordnen. Seine Sympathien hat er jedoch klar geäußert: Er findet es gut, dass es in Deutschland Kontrolleure auch im Bus gibt und die Leute aus dem Kalabal!k hatten mit der Sache gar nichts zu tun, haben aber die Person ohne Ticket unterstützt.
Die letzte Zeugin wohnt gegenüber und hat von ihrem Balkon aus gefilmt und später am Abend das Bürgertelefon angerufen, ihre Aussage bei sich zu Hause gemacht und der Polizistin das Video übergeben. Sie meinte, sich einigermaßen erinnern zu können und erklärte alles detailreich. Hierbei gab es einige Abweichungen vom Protokoll aus der Akte, aber alle waren verständnisvoll, dass man nach so langer Zeit nicht mehr weiß, als noch vor zwei Jahren.
Nach einer letzten Unterbrechung verkündete der Richter die Umladung einiger Zeug*innen. Die zwei anderen Kontrolleure, Yagmur und Hamdi, die im Auftrag der BVG bei der Sicherheitsfirma B.O.S. (Berliner Objektschutz und Service) angestellt sind, werden schon am nächsten Dienstag aussagen, sofern sie erscheinen. Die Geladenen vom Dienstag werden auf den 28.01. verlegt.
Somit konnten dann nach sieben Stunden und vielen Unterbrechungen und Kontrollen alle nach Hause gehen. Das PMS vor der Tür hat schon vor der Mittagspause aufgegeben und die Leute vor dem Gericht (sichtbar) nicht weiter behelligt.
Die weiteren Termine:
Dienstag 21.01.20 – 9 Uhr
Dienstag 28.01.20 – 9 Uhr
Donnerstag 20.02.20 – 12 Uhr
Donnerstag 12.03.20 - 12 Uhr
1. Verhandlungstag/Prozessbericht August 2019
Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung
Pressespiegel:
Tagesspiegel - „Weil wir euch hassen“ Linke Szene wendet sich gegen die BVG
Morgenpost - „Weil wir dich hassen“: Angriff auf Kontrolleure vor Gericht
Welt - Linke erklären den Berliner Verkehrsbetrieben den Kampf