Eine kleine Einschätzung der Proteste beim G7-Gipfel in Biarritz
Eine kleine Einschätzung der Proteste beim G7-Gipfel in Biarritz, im französischen
Baskenland im August 2019
Wir nahmen mit einer kleinen Gruppe aus der BRD am Protestcamp teil und haben unsere
Wahrnehmung und Einschätzung der Proteste in drei kurzen Texten zusammengetragen. Auch in der
Hoffnung, den Genoss_innen vor Ort bei einer guten Aufarbeitung zu helfen.
Das Camp
war gut organisiert. Für die vielleicht 2000 Menschen war ausreichend Platz und Infrastruktur
vorhanden. Das Gelände lag mitten in der schönen hügeligen baskischen Landschaft, irgendwo
zwischen Hendaya und Urunya, ca. 30km von Biarritz entfernt. Es war ein ehemaliges Ferienheim der
Firma Nestlé, für deren Nutzung der Bürgermeister von Hendaya gebürgt hatte. Die vorhandenen
Gebäude waren mit Klos und Duschen ausgestattet und mit diversen großen Räumen. Außerdem hatte
die Camp-Orga viele Trockenklos aufgebaut, ein großes Festzelt für Plena und abendliche
Kulturveranstaltungen aufstellen lassen, sowie zwei kleinere Bierzelte für die durstigen Nachtstunden.
Eines davon war vor allem für die trink- und singelustigen Gelbwesten-Aktiven. Diese waren zwar mit
dem Anti G7-Bündnis „Plataforma“ gemeinsam am Start, hatten aber auch eine eigene Struktur auf
dem Camp, eine leckere Küche für Alle, in der es auch Alles gab, d.h. nicht nur veganes ;-) Ebenso eine
Fotoausstellung ihrer Aktivitäten und einen Infostand, der allerdings nicht viel Aktuelles bot.
Auf der Wiese daneben hatten sich zwei vegane Küfas und ein internationaler Backwarenwagen
installiert, alles sehr lecker und ausreichend. Für Schichten, um das Essen vorzubereiten, für
Schutzschichten und Reinigung konnte mensch sich am zentralen Infopunkt in Listen eintragen.
Gefehlt haben uns dort aber Infos wie z.B. eigene Berichte von Aktionen zum G7 oder Zeitungsartikel
dazu.
Legalteams und medics hatten eigene Bereiche und waren ansprechbar. Verbreitet waren Aufrufe an
den Wänden, Sexismus und andere Diskriminierungen nicht zuzulassen und sich an eine
Notrufnummer zu wenden bei sexistischen, rassistischen oder anderen Übergriffen bzw.
Diskriminierungen. Jedoch schien uns die Stimmung im Allgemeinen nicht geprägt von Mackertum,
sondern auch von selbstbewussten Rednerinnen. Gefallen hat uns, dass nicht nur Typen sondern auch
einige wenige Frauen* sich ermächtigten, ohne Oberteil herumzulaufen.
Sprachlich war das Camp vor allem auf baskisch und französisch Sprechende ausgelegt. Alle anderen
Sprachen, auch das naheliegende Spanisch, mussten meist selbstorganisiert irgendwie integriert
werden. Also eine echte Herausforderung für Menschen wie uns, die auf internationalen Camps das
Englische gewohnt waren. Aber klar, der jahrzehntealte politische und kulturelle Kampf um den Erhalt
des Baskischen brauchte seinen prominenten Platz, und dass es auch mal ohne das imperiale Englisch
gehen muss, hat ja auch was.
Vor dem G7-Gipfel fanden noch diverse Gegenöffentlichkeiten ihren Platz in der Umgebung. In Irun,
gleich hinter der Grenze zum Spanischen Staat, war das Kongresszentrum Ficoba gelegen, in dem ein
sog. Gegengipfel stattfand, mit diversen Veranstaltungen der linken Gegenöffentlichkeit. In Hendaya
hatte die ZAD (Zone a defendre, aus Notre Dame des Landes) eine Art alternativer Botschaft installiert,
und es gab einen Ort von den in der Plataforma organisierten Jugendgruppen.
Auf den Plena kamen mehrmals kritische Anmerkungen zu den Aktivitäten, die vom Camp ausgingen
oder das Camp selbst betrafen. Z.B. der Konflikt zwischen Fotos machen oder nicht, die Wände
bemalen oder nicht („wir müssen das hinterher alles sauber zurückgeben“), Aktionen in der Nähe des
Camps (Selbstverteidigung gegen die Bullen versus unnötige action, die das Camp als Rückzugsort
gefährdet), Dominanzvorwürfe (wer entscheidet, ob Aktionen abgesagt werden?).Dabei war die Militanzdebatte das Hintergrundrauschen vieler gegenseitiger Vorwürfe. Die Plataforma
betonte immer wieder, wie mühsam sie den Konsens zwischen den vielen verschiedenen Gruppen
gefunden hatte, sich auf zivilen Ungehorsam zu beschränken, damit alle mitmachen können. Wie so oft
bei diesen Kompromissen ist der Effekt meist nicht, dass dann viel mehr bürgerlichere Gruppen aktiv
mitmachen. Im Gegensatz dazu klinken sich dann andere Aktive aus, weil sie den Aktionskonsens zu
eng gefasst finden.
Es war sicher auch eine Schwäche unsererseits, also von linksradikalen Aktiven, die den Konsens nicht
teilten, sich nicht separat mit eigenen Plena und Vorschlägen organisiert zu haben. Die Räume dafür
wären vorhanden gewesen.
Allerdings haben wir die Stimmung auf den Plena trotz teils hitziger Äußerungen und Kritik als nicht
unbedingt schlecht erlebt. Es musste mal gesagt werden und dann ging es weiter.
Kritisch fanden wir, dass oft nicht durchsichtig war, wie Entscheidungen zustande kamen. So wurden in
den großen Plena oft Vorschläge eingebracht, denen mensch folgen konnte, die aber kaum Zeit ließen
für eine Rücksprache mit der eigenen Bezugsgruppe.
Und dann wurden wohl noch zwei Spitzelpersonen enttarnt.
Warum das Camp so weit ab vom Schuss stattfand, können wir nicht gut einordnen. Sicher gab es
Versammlungsverbote rund um Biarritz und vielleicht wäre es nicht möglich gewesen, ein Camp näher
dran durchzusetzen. Aber es lag schon recht abgelegen und unsere Bewegungen in Richtung Biarritz
waren so leichter zu kontrollieren. Nur wenige kamen unbeschadet in die Nähe des Gipfelgeschehens.
Akteur*innen, Konflikte und Aktionen
Es war nicht einfach für uns Reisechaot*innen von außerhalb, die politischen Konflikte, die während
der Gipfeltage aufbrachen, zu verstehen. Das von der Plataforma EZ G7 (Nein zum G7)organisierte
Camp war unser logischer Anlaufpunkt, denn wir wollten gemeinsam mit vielen die Proteste
mitkriegen, erleben, besprechen.
Ausführliche Recherchen über die Hintergründe der Organisator*innen unternahmen wir nicht – auch
auf vielen anderen internationalen Camps wurde das allermeiste gemeinsam vor Ort entschieden und
der aktuellen Lage und den Anwesenden entsprechend umgesetzt, recht unabhängig von vorherigen
Planungen. (Genau das ist ja auch eine Stärke autonomer/anarchistischer Bewegungen, spontan
reagieren zu können und sich nicht vorher allzu sehr in die Karten gucken zu lassen.) Jedenfalls löste
deswegen die Info, dass zwei autonom/anarchistische bzw. antifaschistische Gruppen die Plataforma im
Vorfeld verlassen hatten, wenig Sorge aus. Wir rechneten (trotzdem) mit vielen angereisten
selbstorganisierten Gruppen und Aktivist*innen, wie z.B. auch in Genua, Gleneagles, Heiligendamm,
Hamburg...
Vor Ort fragten wir uns manchmal, wie typisch deutsch eigentlich unser Wunsch nach ordentlich
ausgehängten Aktionsplanungen, Plenumsergebnissen oder einfach nur Übersichten der Geschehnisse
war... Jedenfalls war es – wie schon beschrieben – nicht ganz leicht, an Informationen zu kommen. So
versuchten wir unser Glück im Verstehen der Plena und Versammlungen und im Herumfragen. Andere
Gruppen kritisierten hinterher, dass es schon schwierig gewesen sei, überhaupt Vollversammlungen auf
dem Camp durchzusetzen. Das wäre bitter und es würde den Eindruck bestätigen, dass es schlicht
wenig Interesse an einer politischen (Aktions-) Autonomie der Campteilnehmer*innen gegeben hätte.
Andererseits fanden Diskussionen und Versammlungen ja durchaus statt und eigene Aktionen wurden
auch nicht unterbunden. Für uns ist dieser Streit schwierig zu bewerten und einzuschätzen. Einerseits
wirkte vieles so schön chaotisch-sympathisch-selbstorganisiert-solidarisch, wie wir es auf
Zusammenkünften Linksradikaler/Autonomer/Anarchist*innen überall auf der Welt wiedererkennen,andererseits kam auch der Eindruck auf, auf einem NGO-Camp eher der Spielball eines vorher
festgelegten Aktionsrahmens zu sein.
Der politische Streit um den Aktionskonsens hatte ja schon im Vorfeld begonnen. Die beiden Gruppen
Indar Beltza und IPEH Antifaxista hatten die Plataforma aus Kritik am Aktionskonsens, an der
pazifistischen Vorgehensweise und am Umgang mit Behörden verlassen: https://g7borroka.info/ipeh-
antifaxista-quitte-la-plateforme-g7-ez/ und https://bourrasque-info.org/spip.php?article1496 und auch
Gilets Jaunes-Aktivist*innen hatten zu Beginn des Gegengipfels in Irun ebenfalls eine deutliche Kritik
am Aktionskonsens formuliert: https://www.sudouest.fr/2019/08/21/g7-de-biarritz-les-gilets-jaunes-
fustigent-le-consensus-d-actions-non-violentes-fixe-par-le-contre-sommet-6467404-4018.php. Der
Streit nahm seinen Lauf auf den Vollversammlungen vor Ort, Parolen wie “Le pacifisme collabore”
prangten weit sichtbar an einer Mauer im Camp, aber auch im Netz und in Auswertungen/Kritiken
hinterher wurde viel kritisiert – soweit so üblich in fast allen breiteren politischen Bewegungen. Vor
allem im Nachhinein betrachtet schien es uns aber so, dass diese Auseinandersetzung die ohnehin nicht
starke Protestbewegung geschwächt hat. Manche wollten im Camp oder bei Plataforma-Aktionen
schlicht nicht mehr teilnehmen, sich nicht instrumentalisieren lassen. Offenbar fanden sie jedoch wohl
nur wenig bis keine anderen Orte / Anlässe für ihren selbstbestimmten Widerstand gegen das
Gipfelgeschehen – oder wir haben davon nichts mitbekommen. Die vorherig geplanten Blockaden
während der Gipfeltage selbst wurden von der Plataforma abgesagt. Das sorgte für Fragezeichen und
Unmut. Die auf einem großen Plenum beschlossene Demo ins kleine - an der Autobahn gelegene -
Bergdorf Urunya gegen die dortigen Straßen-Kontrollen durch französische Bullen erscheint im
Nachhinein wie ein kleiner spontaner Ausbruch aus dem, was viele KritikerInnen als starre
pazifistische Camp-Regularien empfunden hatten. Insofern gab es Möglichkeiten der autonomen Praxis
– vielleicht hätten wir alle hier dran weiter überlegen sollen.
Die erfolgreiche Verteidigung des Camps gegen den Bullenangriff, die kurz nach der Urunya-Aktion
stattgefunden hatte, löste unterschiedliche Reaktionen aus. Wir haben keine Angstsituationen vor einem
neuen Genua bzw. Diaz-Schulen-Szenario erlebt und die Situation auch nicht als sehr
besorgniserregend empfunden, offenbar gab es aber grosse Sorgen bei einigen Teilnehmenden.
Wenn versucht worden sein sollte, das Camp als garantierten Schutzraum der Aktivist*innen zu
organisieren, war der Bullen-Angriff sicherlich bedrohlich. Wir wissen aber auch, dass im Ernstfall
weder Absprachen mit Behörden noch eigene Pazifismus-Garantien Sicherheit vor Bullengewalt bieten
können, Ehrlichkeit untereinander in diesen Fragen wäre nötig...
Kommen wir zur Bewertung der Demonstration am Samstag von Hendaya über die französisch-
spanische Grenze nach Irun. Verglichen mit den uns bekannten großen baskischen Demos war diese
leider klein. Gleichzeitig fand z.B. in Bilbo (wo am selben Wochenende die große Fiesta stattfand)
sowohl eine Solidemo mit den baskischen Gefangenen sowie eine gegen Stierkämpfe statt, mit
zusammen einigen hunderten linken Leuten oder mehr – diese Leute haben wir vor Ort vermisst. Es hat
uns aber auch gezeigt oder zur Diskussion gebracht, was es mit der linken baskischen Politik so alles
auf sich hat. Wir sind dafür keine Expert*innen und können deshalb nur unsere Wahrnehmungen und
Meinungen aufgrund unserer relativ wenigen Kenntnisse und Kontakte formulieren. Aber ja, es hat uns
befremdet, dass in dieser politisch bewegten geographischen Lage des Baskenlandes und angesichts der
weltweiten neoliberalen Verschärfungen, der endlich politisierten Klimakatastrophe und des weltweiten
Aufschwungs nationaler und faschistischer Bewegungen so wenige Leute auf der Straße waren. In
einer Region, die wir als hoch-politisiert erleben, werden offensichtlich viele Leute vor allem dann
aktiv, wenn es um politische Gefangene und den Kampf um Selbstbestimmung geht und nicht per se
darüber hinaus.
Im Zusammenspiel jedenfalls mit der massiven Polizeipräsenz und repressiven Kontroll-,
Abschiebungs- und Festnahmemaßnahmen der Bullen und Behörden, bedeutete der selbstgewählte
Verzicht auf Blockadeversuche und andere Aktionen in der Nähe des Gipfelortes ein Eingeständnis
eigener Schwäche, Ideenlosigkeit und vielleicht auch Mutlosigkeit. Die internen und lokalen Gründedafür können wir nicht komplett ermessen und bewerten. Wir hätten jedenfalls gern mehr versucht,
womit wir kein aussichtsloses Anrennen gegen Bullen meinen, aber mehr Ideen für andere Aktionen,
vielleicht im Umfeld, auf und an den Strassen, Touristenstränden, Hotels, in denen Bullen beherbergt
waren oder oder oder. Insofern fassen wir uns auch an unsere eigene Nase und kommen wieder, keine
Frage!
unvollständiger Überblick
18.12.2018:
große Gegendemo von Gilets Jaunes und weiteren Aktiven zum ersten Vorbereitungsbesuch des
französischen Außenministers in Biarritz (eine Frau wird dabei schwer, andere leicht verletzt durch
Flashball- und Tränengasgranaten)
Di 13.7.2019:
sehr viel kleinere Vorfeld-Demo in Biarritz
Sa 17.8.2019
kleine Anwohner*innen-Demo im Dorf Ascain gegen die Bullenpräsenz im Ort
So 18.8.2019
nach Aktionsaufruf aus dem autonomen Zentrum im nordbaskischen Ustarritz versammelt sich eine
Demo vor der dortigen Schule, in der Anti-Riot-Bullen (CRS) untergebracht sind, Paletten brennen,
Transparente, Parolen
Mo 19.8.2019
Start des Gegengipfels in Irun und Beginn des Camps
Di 20.8.2019
eine aus Holz gebaute “Botschaft” der ZAD in Notre-Dame-des-Landes wird zunächst im Camp
aufgebaut, später nach Hendaya transportiert, um von dort aus autonome Aktionen zu planen und zu
starten
Do 22.8.2019
- Blockade, Kundgebung und alternativer Veggie-Burger-Imbiss vor McDonald-Filiale Hendaya zur
Unterstützung von Arbeitskämpfen – schönes Zusammenspiel von Gewerkschaften und VoKü-
Aktivist*innen
- Demo vom Camp nach Hendaya, Parolen in vielen Sprachen, am örtlichen Krankenhaus gibt's
Solibekundungen zum dort stattfindenden Streik
- feministische Aktion in Irun: eine symbolische Mauer aus Bausteinen des Patriarchats wird zum
Einsturz gebracht; anschließend feministische Demo ohne CIS-Männer unter dem Motto “No borders
no gender” über die Grenze von Irun nach Hendaya und gemeinsames Baden mit Riesentransparent
und Böller am Touristenstrand unter der Parole: “Wer macht den Abwasch? Wir machen Revolution!”
- “Concierto salvaje”: nachts spielt eine Punk-Band laute Musik nahe der Schule in Ustarritz, um die
CRS-Bullen um den Schlaf zu bringen
Fr 23.8.2019
- Anti-Kontrollen-Demo nach Urunya: “Welcome to paradise”; Bullen am Kreisverkehr hauen ab,
kleinere Barrikaden
- Stress am CampEingang- Blockade einer Bayer-Monsanto-Fabrik durch NGOs und Pflanzung eines Öko-Gartens vor dem
Eingangstor
Sa 24.8.2019
- Demo von Hendaya nach Irun
- Demoversuch und Auseinandersetzungen in Bayonne: “Nieder mit dem Staat, den Bullen und den
Faschos”; Bullen greifen an Brücke zur verrammelten Innenstadt mit Tränengas und Wasserwerfern an
So 25.8.2019
- “Marsch der Porträts” in Bayonne als Aktion gegen das Klima-Geschwafel von Macron (die Macron-
Porträts waren vorher in Rathäusern geklaut worden)
- durch Bullensperren und Kessel verhinderte Demoversuche Richtung Biarritz
- Demo in Irun gegen Repression / für die Gefangenen
in den folgenden Tagen mehrere Demos für Freilassung der Gefangenen, z.B. in Hendaya, Donostia,
Bilbo
Gipfelhopping? Gipfelhopping!
Natürlich sind die Hoch-Zeiten einer – wie sie um das Jahr 2000 rum genannt wurde –
Antiglobalisierungsbewegung längst vorbei. Mit dem Abflauen eben dieser wurden auch die
Mobilisierungen gegen internationale (EU/G7/G8/NATO/Weltwirtschafts-) Gipfeltreffen weniger.
2009 in Strasbourg (NATO) und 2017 in Hamburg (G20) waren da Ausnahmen.
Ein wichtiger Aspekt der Antiglobalisierungsbewegung war ihre internationalistische Ausrichtung und
ihr Wunsch, sich global zu vernetzen (Stichworte Via Campesina, globale Aktionstage, Weltsozialforen
). Nicht zuletzt auch viele Linksradikale, Autonome und Anarchist*innen waren und sind Teil davon.
Mit dem Schwung von Hamburg (G20) sind wir dann etwas blauäugig ins Baskenland zum Gipfel der
G7 gefahren, in der Hoffnung, Gipfelhopping könnte wieder eine Form des internationalen
Zusammenkommens sein oder werden. Häufige Kritik am Gipfelhopping war: politischer
Gemischtwarenladen, wenig Nachhaltigkeit, symbolisches Hinterherrennen statt längerfristiger Aufbau
lokaler Widerstandsnetze, Ausbrennen lokaler Strukturen (selbst grössere Städte wie Hamburg sind
noch beschäftigt, die Scherben des Widerstands aus Repression und Hetze zusammenzukehren).
Wir finden es immer noch wichtig und auch für die Zukunft diskussionswürdig, bei guten Bedingungen
(Vorhandensein & Bereitschaft lokaler Strukturen, geographische Lage) den Herrschenden bei ihren
Gipfeln keine Ruhe zu lassen.
2 Aspekte, die uns wichtig sind:
1) gerade dieser politische Gemischtwarenladen sorgt dafür, dass alle Bewegungen (von ökologisch,
antifaschistisch, antirassistisch, feministisch etc bis Gelbwesten) sich auf dieses Ziel einigen könnten:
mal wieder aus unseren Teilbereichskämpfen rauskommen und zusammenkommen, voneinander lernen
und gemeinsame Stärke entwickeln.
2) der Kapitalismus ist transnational. Genauso müssen wir uns transnational vernetzen, austauschen
und kennenlernen. Gemeinsame Ziele, Kampagnen, kurz: Kämpfe, bereichern uns und geben uns
Stärke und Sichtbarkeit.
Letztendlich war die internationale Mobilisierung gegen den G7 in Biarritz dann doch sehr gering.
Vielleicht sind solche Gipfel zur Zeit nicht interessant für viele, aber vielleicht können Diskussionen
auch in dieser Richtung etwas verschieben.Für uns war es vorab ein wenig unklar, wie sehr z.B. in Spanien oder in Frankreich mobilisiert wurde.
Speziell aus militanten Kreisen war wenig zu hören, seien es Aufrufe oder militante Vorabkampagnen.
Eine Vielzahl militanter Aktionen hatte z.B. vor Heiligendamm 2007 (G8) und Hamburg 2017 den
Gipfelwiderstand früh auf die Agenda gesetzt. Auch kulturelle Anlaufpunkte, vorab
mobilisierungsstiftend oder während der eigentlichen Protestwoche, gab es unseres Erachtens nicht,
dabei hat unsere Szene nicht zuletzt auch in dieser Region da einiges zu bieten. Auch wenn wir hier
nicht unbedingt für eines oder mehrere große Musikfestivals während des Protestes plädieren, waren
diese doch immer mobilisierend.
Bei Biarritz waren wir dann insgesamt einfach zu wenige, um auf diese Art Polizeistaat angemessen
reagieren zu können. Die Plattform „Ez G7“ hat mit ihrem gewaltfreien Aktionskonsens für
zusätzlichen Spaltungsstoff gesorgt und generell einen eher unkämpferischen Eindruck der kommenden
Proteste erwecken wollen, was auch bestimmt nicht dazu führte, dass mehr Militante kamen. Wohin
auch, wenn eine Demo kilomterweit vom Gipfelgeschehen auch noch über die Grenze nach Spanien,
also wohlgemerkt noch weiter weg, geht. Wenn schon derart entfernt, warum nicht wenigstens in
umgekehrter Richtung, von Spanien nach Frankreich, um wenigstens das Problem mit den
Grenzübertritten für Aktivist*innen zu vereinfachen. Und, um zumindest symbolisch in Richtung
Gipfelsturm zu blasen. Welcher Gedanke ritt die organisierende Plattform da? Wir wissen es schon:
familienfreundlich ein friedlich demonstrierendes Baskenland zu zeigen, das der Gewalt abgeschworen
hat. Das mag für die ETA stimmen, bestimmt hat sich in der Gewaltfrage im Baskenland etwas
verschoben und Militanz ist auch in der Bevölkerung geächteter (weil einfach die Schnauze voll von
habend oder keine Hoffnung mehr damit verknüpfend). Auf der Demo jedoch hat sich die „Ez G7“-
Plattform zu einer Art Hilfssheriff gemacht, samt Ordner*innen, die Militante in Schach halten sollten.
Die meisten Militanten kamen dann auch gar nicht zur Demo oder spalteten sich schon vorab von
besagtem Bündnis und bevorzugten einen Sturm auf Bayonne als nächstgelegenen Ort nahe Biarritz.
Leider waren die Bullen in und um Bayonne derart aufgestellt, dass nur wenige, gut gekleidete
Aktivist*innen durchkamen und nur kurzzeitig zu einem Mob zusammenfanden. Außer zu ein paar
Scharmützeln mit der Polizei reichte es leider nicht, auch konnten die Bullen hier einige Festnahmen
machen.
Wir möchten an dieser Stelle allen von Repression betroffenen Aktivist*innen unsere Solidarität
aussprechen, ihr seid nicht allein!
Grüße gehen auch an die 3 von der Autobahn – Nürnberger Aktivisten, die bei einer Autobahnkontrolle
festgenommen wurden, im Schnellverfahren verurteilt wurden, und nun endlich "frei" sind. Free them
all!