Fotorückblick: Der § 88a und die Kriminalisierung der AGIT-Drucker

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Im November 1977 wurden vier AGIT-Drucker in Berlin verhaftet. Sie saßen neun Monate in U-Haft, weil sie die linksradikale Wochenzeitung INFO BUG gedruckt hatten. Dass Drucker für Inhalte kriminalisiert wurden, die sie nicht selbst verfasst hatten, setzte neue Maßstäbe im Strafrecht. Der § 88a StGB, ein Gummiparagraph, der verfassungsfeindliche Befürwortung von Gewalttaten unter Strafe stellte, machte dies möglich. Ein Komitee und eine Theatergruppe stellte einiges auf die Beine, um die Genoss*innen wieder aus dem Knast zu holen: "Kann denn drucken Sünde sein? Freiheit für die AGIT-Drucker!"

Ein Foto - Rückblick unter: http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/agit_drucker_1978.html

"AGIT-Druck" war ein selbstverwaltetes Druckerkollektiv in den 1970er Jahren. Neben vielen anderen Publikationen druckte AGIT das "Info Berliner Undogmatischer Gruppen" (Info BUG) und unterstützte zahlreiche Projekte und Gruppen in West-Berlin. Ihr Selbstverständnis war es, auch Drucksachen mit linksradikalen, unbequemen Inhalten zu ermöglichen, denn traditionelle Druckereien lehnten das Drucken dieser Publikationen meist ab. Das Info BUG war ein wöchentliches Diskussionsorgan der undogmatischen, autonomen Linken. Hier wurden Berichte, Termine, Aktionen und Ähnliches unzensiert veröffentlicht. Es gab keinen festen Redaktionsstamm, wer mitschreiben wollte war im Rotationsprinzip willkommen.

Komitee zur Befreiung der Agit-Drucker
Die AGIT-Drucker waren für den Staatsapparat die einzig fassbaren beteiligten Personen, denn das Info-BUG erschien ohne Impressum. Ihnen wurde vorgeworfen das Info-BUG unzensiert gedruckt zu haben und damit für die zum Teil Gewalt befürwortenden Inhalte verantwortlich zu sein. Das Verfahren wurde in der liberalen Öffentlichkeit mit Empörung aufgenommen, da mit der Anwendung des § 88a StGB erstmalig Drucker für nicht selbst verfasste Inhalte mit hohen Gefängnisstrafen bedroht wurden. Da der § 88a zudem nicht die tatsächliche Anwendung von Gewalt unter Strafe stellte, sondern die "verfassungsfeindliche Befürwortung von Straftaten", sahen nicht nur Drucker das Recht auf Meinungsfreiheit ernsthaft gefährdet. Autor*innen, Verlage, Buchläden, Professoren, Medienschaffende aller Richtungen solidarisierten sich mit den inhaftierten AGIT-Druckern.
Einige Autonome gründeten das "Komitee zur Befreiung der Agit-Drucker", das eine sofortige Einstellung aller Ermittlungsverfahren forderte. Das Komitee organisierte viele Solidaritäts- Aktionen, verbreitete Flugblätter, erstellte Theaterstücke, Filme und vieles mehr. Die Theatergruppe "Freiheit für die Agit-Drucker" spielte innerhalb der linken Szene und auf der Straße. Ihr Motto: "Kann denn drucken Sünde sein".

Die Agit-Drucker saßen neun Monate im Sicherheitstrakt des Moabiter Gefängnisses in U-Haft und wurden im Prozess zu Freiheitsstrafen von 9 bis zu 13 Monaten ohne Bewährung verurteilt. In der Urteilsbegründung legte man ihnen verfassungsfeindliche Befürwortung von Gewalt und öffentliche Aufforderung zu Straftaten auf Grundlage der §§ 88a, 129a, 11 und 140 zur Last. Der § 88a sollte als "Gesinnungsparagraph" in die Geschichte eingehen. Nach anhaltenden Protesten wurde der umstrittene Paragraph im August 1981 wieder abgeschafft.

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