Von Parkbänken und nervösem Ermittlungseifer in Hamburg
In der Nacht zum 8.Juli wurden drei Personen von zivilen Einsatzkräften der Hamburger Polizei in einem Park in Eimsbüttel kontrolliert. Ihre Sachen wurden durchsucht und dabei angeblich Gegenstände gefunden, die darauf hindeuteten, dass sie einen Brandanschlag hätten verüben wollen. Alle drei wurden daraufhin in Haft genommen. Im Anschluss erfolgten die obligatorischen Hausdurchsuchungen bei den 3en, die seit dem von allen nur noch ‚Die 3 von der Parkbank‘ genannt werden. Eine Person von ihnen kam schon am nächsten Tag gegen Auflagen wieder frei. Die anderen beiden sitzen seit dem in Untersuchungshaft im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis in Hamburg. Vorgeworfen wird ihnen die gemeinsame Vorbereitung einer schweren Brandstiftung. Die andauernde Haft wird mit einer angeblichen Fluchtgefahr wegen der Höhe der zu erwartenden Strafe begründet, der dringende Tatverdacht mit der Einbindung in die autonome/ anarchistische Szene.
Von Parkbänken und nervösem Ermittlungseifer
Zu den Ermittlungen gegen 3 Hamburger_innen
In der Nacht zum 8.Juli wurden drei Personen von zivilen Einsatzkräften der Hamburger Polizei in einem Park in Eimsbüttel kontrolliert. Ihre Sachen wurden durchsucht und dabei angeblich Gegenstände gefunden, die darauf hindeuteten, dass sie einen Brandanschlag hätten verüben wollen. Alle drei wurden daraufhin in Haft genommen. Im Anschluss erfolgten die obligatorischen Hausdurchsuchungen bei den 3en, die seit dem von allen nur noch ‚Die 3 von der Parkbank‘ genannt werden. Eine Person von ihnen kam schon am nächsten Tag gegen Auflagen wieder frei. Die anderen beiden sitzen seit dem in Untersuchungshaft im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis in Hamburg. Vorgeworfen wird ihnen die gemeinsame Vorbereitung einer schweren Brandstiftung. Die andauernde Haft wird mit einer angeblichen Fluchtgefahr wegen der Höhe der zu erwartenden Strafe begründet, der dringende Tatverdacht mit der Einbindung in die autonome/ anarchistische Szene.
In mehreren Artikeln in der Hamburger Presse, die den Zeitungen ziemlich deutlich vom Staatsschutz und der Staatsanwaltschaft direkt in die Feder diktiert wurden, stand zu lesen, dass es schon länger andauernde Observationen gegeben haben soll. Ob gegen alle drei oder einzelne wurde nicht deutlich formuliert. So soll aber zumindest eine Person den betreffenden Tag über observiert worden sein. Angeblich soll er dabei beobachtet worden sein, wie er Benzin kauft und in einer Kleingartenanlage verschwindet. Im Laufe der Veröffentlichung weiterer Artikel wandelten sich Einzelheiten in der Darstellung. So wurde später nichts mehr davon geschrieben, dass die drei schon seit längerem observiert wurden, oder, dass sie beim Vorbereiten von Brandsätzen beobachtet worden seien, nachdem gerade dies anfangs ein großes Thema war. Auffällig war in allen Veröffentlichungen, dass von Beginn an vor allem ein Beschuldigter in den Medien zu einem Hauptbeschuldigten aufgebaut wurde, zu einem berüchtigten autonomen Rädelsführer mit internationalen Kontakten. Gleichzeitig wurden zumindest in einem Artikel demonstrativ Szenetreffpunkte, Läden und Zentren benannt. Diese direkt aus den Büros des Staatsschutzes und der Staatsanwaltschaft stammende Presseberichterstattung ist zum einen natürlich die propagandistische Begleitmusik und das Abfeiern des eigenen Erfolgs. Zum anderen bereiten sie aber auch die Öffentlichkeit auf verschiedene Verfahrensvarianten vor und verkaufen die Festnahmen als Schlag gegen die gesamte radikale Linke.
Wir gehen davon aus, dass es schon seit längerem, zumindest temporäre sich über Monate hinziehende Observationen, gegen verschiedene Strukturen in Hamburg gab und gibt. Sowohl vom Staatsschutz als auch vom Verfassungsschutz hat es solche Überwachungsmaßnahmen in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Diese Maßnahmen richten sich vor allem gegen Strukturen, denen unterstellt wird, sie könnten eine militante Praxis verfolgen. Die Versuche der Infiltration durch verdeckte Ermittler in den letzten Jahren hatten im Wesentlichen genau diese Zielrichtung. Solche Maßnahmen laufen in der Regel nicht im Zusammenhang mit einem Strafverfahren, sondern im Rahmen des Polizeigesetzes zur Gefahrenabwehr. Die Begründung der Gefahrenabwehr wegen militanter Aktionen ist auch immer wieder das Zauberwort, wenn die G10 - Kommission des Senates geheimdienstliche Überwachungen durch den Verfassungsschutz in Hamburg genehmigt. Gerade im Vorfeld von größeren Ereignissen oder zu Jahrestagen, an denen es erfahrungsgemäß zu symbolischen militanten Aktionen kommt, fährt der Repressionsapparat die Intensität solcher Überwachungsmaßnahmen nach oben. Mit dem Ziel mögliche militante Aktionen zu verhindern und um endlich einmal einen Ermittlungserfolg im Zusammenhang mit militanten Interventionen vorweisen zu können. Nachdem es schon 2018 zu Aktionen zum 1. Jahrestag des G20 gekommen war, lag es für den Staatsschutz dementsprechend nahe, auch 2019 von Aktionen auszugehen. Observiert wurden vermutlich alle diejenigen, von denen polizeiliche und geheimdienstliche Erkenntnisse vorliegen, dass sie möglicherweise an militanten Aktionen beteiligt sein könnten. Auch wenn im Zusammenhang mit den Festnahmen von verschiedenen Seiten immer wieder vermutet oder spekuliert wurde, dass es einen direkten Bezug zum G20 gäbe, gehen wir nach allem was bisher bekannt ist, nicht davon aus, dass es ein schon länger andauerndes Ermittlungsverfahren gegen bekannte und konkrete Personen im Zusammenhang mit G20 gibt. Abgesehen von den Ermittlungen, die sich aus den Fotofahndungen der SoKo Schwarzer Block ergeben haben. Auch wenn die Festnahmen vom Juli 2019 immer wieder im Zusammenhang mit G20 betrachtet oder gestellt werden, ergibt sich für uns der Zusammenhang zum G20 aus der zeitlichen Nähe zum Jahrestag des G20, vor allem aber auch aus den klandestinen militanten Aktionen, die sowohl in der Mobilisierung gegen den G20 und danach stattgefunden haben. Den Bullen sind diese inhaltlichen Zusammenhänge aber vermutlich erst einmal egal, denn für sie stehen die militanten Strukturen an sich im Fokus, egal mit welchen Themen diese sich gerade beschäftigen.
Das Hauptinteresse der Polizei ist jetzt den dreien die Planung einer militanten Tat und weitere Beteiligungen an militanten Aktionen der letzten Zeit und vor allem die Bildung einer größeren Struktur nachzuweisen. Der Staatsschutz steht dabei deutlich unter Druck. Die Hamburger Polizei tappt seit fast 25 Jahren weitestgehend im Dunkeln, was militante Aktionen in Hamburg angeht. Die Geschichte des Misserfolgs der Hamburger Polizei ist es, nicht geschafft zu haben, an Strukturen und Aktivist_innen wie die autonome zelle zum gedenken an ulrike meinhof, Akteure militanter Antifaaktionen oder die verschiedenen Gruppen, die kontinuierlich Aktionen gegen Politikerinnen und Repräsentanten der Wirtschaft oder den Polizeiapparat selber durchgeführt haben, heranzukommen. Flächendeckende Ermittlungen aller möglichen Behörden incl. geheimdienstlicher Operationen und der wiederholte Einsatz von verdeckten ErmittlerInnen haben zu nichts geführt. Neben der öffentlichen Kritik an dieser Praxis in Hamburg selbst gab es schon mehrfach ein öffentliches Abwatschen durch Bundesbehörden wie die Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt, so etwa nach den militanten Interventionen in der Mobilisierung gegen den G7 Gipfel in Heiligendamm oder nach dem Angriff auf die Lerchenwache.
Der Beschluss des Bundesgerichtshofes von 2009 im Verfahren gegen die militante gruppe hat dem Staatsschutz den § 129a als vorrangiges Ermittlungsinstrument gegen linke Organisierungen aus der Hand genommen. Der § 129a als Ermittlungsparagraf gegen terroristische Vereinigungen hatte der Polizei in Ermittlungsverfahren fast unbegrenzte Möglichkeiten an die Hand gegeben. Seit 10 Jahren werden zu diesem Zweck immer häufiger die Polizeigesetze der Länder genutzt, die dem Apparat von Verschärfung zu Verschärfung mehr Möglichkeiten auch geheimdienstlicher Art und vor allem außerhalb jeder richterlichen oder politischen Kontrolle verschaffen.
Ermittlungserfolge und Zugriff auf militante Strukturen zu bekommen war seit langem das vorrangige Ziel beim Hamburger Staatsschutz. Nach den Festnahmen der drei im Juli 2019 sind Polizei und Staatsanwaltschaft jetzt in der Situation weiter erfolgreiche Ermittlungen und eine schlüssige Anklage zu liefern, die zu einer Verurteilung führen.
Der Aufbau eines Beschuldigten zum Rädelsführer und wichtigen Oberanarchisten auch jenseits der konkreten Beschuldigung dient einer doppelten Strategie. In den Ermittlungen und propagandistisch wird der Staatsschutz weiterhin versuchen, internationale Zusammenhänge einer militanten Szene zu entwerfen und nach größeren Strukturen suchen oder sie schlicht behaupten, die sie mit in das Verfahren ziehen können. Zudem ist die Behauptung der Einbindung der Beschuldigten in Strukturen und ihre Wichtigkeit innerhalb einer Szene und damit die Konstruktion einer angeblichen Gefährlichkeit der Beschuldigten ein ganz entscheidender Grund für die andauernde Untersuchungshaft.
Andererseits bereiten Polizei und Staatsanwaltschaft gleichzeitig auch eine Anklage und Verfahrensführung vor, die auf eine sichere Verurteilung nur wegen der angeklagten Vorwürfe hinauslaufen soll.
Bis jetzt allerdings scheint alles, was der Staatsschutz präsentiert, auf äußerst wackeligen Füßen zu stehen. Offensichtlich fällt es ihnen schwer nur aus dem angeblichen Besitz von Brandsätzen eine schwerwiegende Anklage zusammen zu zimmern. Im Moment begibt sich die Staatsanwaltschaft auf das dünne Eis der Vorfeldkriminialisierung und des Feindstrafrechts, in dem sie gegen eine Straftat beschuldigt, die gar nicht stattgefunden hat bzw. eine Verabredung behauptet, die nicht zu belegen ist. Gerade deshalb hat die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren an sich gezogen und nicht wieder an die untergeordneten Strukturen zurückgegeben, wie es bei anderen Staatsschutzverfahren normalerweise der Fall ist. Den Behörden ist die Brisanz des Verfahrens durchaus bewusst, wenn der oberste Staatsanwalt der Stadt die Hoheit über die Ermittlung und Verfahrensführung behält, der nur der politischen Instanz des Senates rechenschaftspflichtig ist.
Eine erste Ermittlungspraxis, wenn es darum geht gegen Strukturen zu ermitteln, ist, die bekannten Kontakte von bereits Beschuldigten intensiv abzuscannen. Telefonverbindungen, Mailkontakte, sowie soziale Netzwerke und Observationsergebnisse werden auf weitere Verdächtige hin geprüft. Das bedeutet, dass bis jetzt vermutlich eine Vielzahl von Menschen aus linken Strukturen, aber auch durchaus den Bullen Unbekannte überprüft werden und im Fokus stehen. Die drei von der Parkbank werden als Einstieg in die Ermittlungen benutzt.
Und wenn wir davon ausgehen, dass die drei im Rahmen einer Observation zur Gefahrenabwehr festgenommen wurden, bedeutet das auch, dass an dem betreffenden Abend weitaus mehr Menschen als Zielpersonen auf den Listen der Observationstrupps gestanden haben als die drei Festgenommenen.
Durch die andauernde U-Haft, begründet mit einer angeblichen Fluchtgefahr trotz Arbeitsplätzen (die wider besseren Wissens von der Polizei geleugnet wurden), festen Wohnsitzen und einem festen sozialen Umfeld, hängen Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen höher, als die Erkenntnisse es hergeben und begründen das Ganze nur mit der Bedeutung der einzelnen Beschuldigten.
Es liegt durchaus nahe, dass die Behörden auf weitere Ermittlungsergebnisse hoffen, die dann im Ergebnis die Haft rechtfertigen könnten und unter Umständen noch andere Vorwürfe gegen möglicherweise weitere Beschuldigte hergeben. Das Suchen nach angeblichen, unbekannten Mittäter_innen ist bekanntlich die Zauberargumentation, um erfolglose Ermittlungen am Laufen zu halten.
Also gilt weiterhin: Passt auf Euch auf
Alles Liebe und 1000 Grüße den Gefangenen
Einige solidarische autonome