3000 gegen AfD in Mülheim an der Ruhr (MH)
Rund 3000 Menschen haben am Dienstag den 29.10.2019 gegen eine Veranstaltung der AfD in der Mülheimer Stadthalle demonstriert. Die AfD hatte zu einem sogenannten „Bürgerdialog“ eingeladen. Neben den NRW Landtagsabgeordneten Martin Vincentz, Markus Wagner und Gabriele Walger-Demolsky, war auch Alice Weidel, Vorsitzende der Bundestagsfraktion angekündigt. Es war die erste Veranstaltung der AfD in Mülheim die offen mit Veranstaltungsort angekündigt wurde.
Nachdem Anfang Oktober die Anmietung der Stadthalle bekannt wurde, gründete sich unter dem Namen „Mülheim stellt sich quer“ ein neues, gesellschaftlich breit aufgestelltes Bündnis um Gegenprotest zu organisieren. Das Bündnis mobilisierte zu einer Demonstration durch die Mülheimer Innenstadt zur Stadthalle. Parallel riefen antifaschistische und antirassistische Gruppen unter dem Motto „Kein Dialog mit Nazis!“ dazu auf, die Veranstaltung zu sabotieren, blockieren und zu stören.
Trotz des noch jungen Bündnisses und der relativ kurzen Vorbereitungszeit versammelten sich um 17 Uhr ca. 3000 Menschen auf dem Kurt-Schumacher-Platz und zogen gemeinsam zur Stadthalle bevor die AfD Veranstaltung um 18 Uhr ihre Türen öffnete. Die Polizei war mit Hundertschaften vor Ort und hatte im Vorfeld den Vorplatz der Halle teilweise abgegittert. Dadurch wollte sie die Kundgebung von den anreisenden AfD Freund*innen trennen, die von der gegenüberliegenden Seite über einen Parkplatz zur Halle gebracht werden sollten.
Blockade am Parkplatz
Um das zu verhindern blockierte eine Gruppe von ca. 25 entschlossenen Leuten gegen 18 Uhr die Zufahrt zum Stadthallenparkplatz, was etliche ankommende Veranstaltungsbesucher*innen davon abhielt diesen zu nutzen. Mehrere Autofahrer stiegen aus, sodass es immer wieder zu Konfrontationen kam.
Rechter fährt in Sitzblockade
Dabei kam es zu einem Zwischenfall, bei dem ein Rechter mit seinem Auto mehrere Meter in die Blockade fuhr. Er nahm dabei schwere Verletzungen der Blockierer*innen in Kauf oder zielte sogar auf diese ab. Die Betroffenen berichten davon, dass der Mensch zunächst langsam an die Blockade ranfuhr und dann plötzlich beschleunigte. Schwerere Verletzungen konnten glücklicherweise durch schnelles Reagieren verhindert werden, so dass es "nur" zu leichten Verletzungen kam. Leider war zu diesem Zeitpunkt nur rechte, AfD-nahe Presse mit einer Kamera vor Ort, weshalb hierzu weitergehend leider keine neutrale Berichterstattung zu erwarten ist.
Unterdessen spricht die Polizeipresse (1) lediglich von Sachschäden, die "bei einem Tumult" am Auto entstanden seien - und das, obwohl die Polizei selbst vor Ort war. Dadurch entkontextualisiert sie die Situatuion: Sie lässt den krassen Übergriff auf linke Aktivist*innen unerwähnt und startet ihre Berichterstattung erst mit Sachschäden am Auto. Zudem lässt die Polizei unerwähnt, dass die verletzten Aktivist*innen und mehrere Zeug*innen Anzeige gegen den besorgten Bürger erstattet haben.
Erst nachdem sich mehrere Zeug*innen auf Eigeninitiative bei der Presse meldeten um gegen die unzureichende Berichterstattung zu intervenieren, berichtete zunächst die WAZ auch darüber, dass die Blockade angefahren wurde. Mehrere linke Gruppen, zum Beispiel RiseUp Duisburg, hatten schon vorher berichtet (3).
Protestkundgebung vor der Stadthalle
Nachdem der Demonstrationszug an der Stadthalle angekommen war, verteilten sich die Teilnehmer*innen um die Absperrungen und vor den Fenstern und Eingängen der Halle. Ankommende Rechte wurden mit viel Lärm durch mitgebrachte Lärmgeräte und Parolen wie „ganz Mülheim hasst die AfD“ oder „es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ empfangen. Drinnen störte der Lärm von draußen den Ablauf der Veranstaltung – Aktivist*innen hämmerten auch gegen die Scheiben der Stadthalle. Außerdem spielte eine Band aus Mülheim, eine Sambagruppe und Redebeiträge wurden verlesen. Es kam mehrmals zu Konflikten mit Nazis, die sich in oder um die Kundgebung herum bewegten, um zu provozieren. Zusätzlich war die Stadthalle kurz vorher markiert worden - Menschen hatten sie besprayt. Die Graffitis waren bis zur Kundgebung zwar entfernt worden, aber noch immer leicht sichtbar.
Durchbruchsversuch
Von der Kundgebung aus kam es zu einem Durchbruchsversuch. Dabei überwanden einige Aktivist*innen die Polizeiabsperrung und rannten mit Bannern und Fahnen über den Vorplatz der Halle auf den Eingang zu, um diesen zu Blockieren. Bis hierhin war die Polizei an diesem Tag recht zurückhaltend gewesen, griff nun aber aggressiv und teils gewaltsam durch. Die Aktivist*innen wurden umgestoßen, teils mehrmals ins Gesicht geschlagen, obwohl sie schon gestoppt worden waren. Die Polizei fesselte die Personen und führte sie ab, um sie zu kontrollieren und ihnen Platzverweise zu erteilen.
Veranstaltung drinnen mehrmals gestört
Kurz nach 19 Uhr begann die AfD Veranstaltung etwas verspätet. Sie wurde aber nicht nur vom dauerhaften Lärmkonzert vor der Halle begleitet, sondern auch drinnen mehrmals gestört, als Leute immer wieder laute Taschenalarme auslösten. Die Störer*innen wurden im Anschluss teils gewaltsam von der AfD Veranstaltungssecurity und der Polizei aus der Halle geschmissen. Im Laufe des Abends wurden neben der „Security“ im Umfeld der Halle auch Nazi Grüppchen u.a. mit Kadern von „Die Rechte“ gesehen.
Um 20:30 löste das Bündnis Mülheim Stellt Sich Quer ihre Kundgebung auf. Doch aufgrund des vorherigen Übergriffs auf die Sitzblockade, und da die AfD Veranstaltung immer noch lief, meldete die Gruppe Aufstehen gegen Rassismus eine anschließende Spontankundgebung an, die die AfD Veranstaltung bis zu ihrem Ende weiter störte.
Resümee
Auch wenn es nicht gelungen ist die Veranstaltung der AfD in der Mülheimer Stadthalle zu verhindern, wurde sie doch erheblich erschwert und gestört. Daher bewerten wir die Beteiligung an den verschiedenen Formen des Gegenprotests positiv. Jeder Akt des Unbequemseins, des Störens, des Protestierens usw. trägt dazu bei, faschistische Strukturen als das zu markieren was sie sind und ihre Ausbreitung zu erschweren. Der breite und diverse Protest gegen die AfD am 29.10.2019 zeigt uns, dass es auch in Mülheim und im Ruhrgebiet möglich ist, kurzfristig viele Menschen gegen (parlamentarische) Nazis auf die Straße zu bringen. Ebenso freuen wir uns zu sehen, dass verschiedene Aktionsformen, Gruppierungen und Spektren parallel zueinander oder sogar in Zusammenarbeit gegen faschistische Umtriebe funktionieren und sich gegenseitig ergänzen können. Das macht Mut, ist aber sicher für die Zukunft auch noch ausbaufähig. Und das wird auch nötig sein, denn natürlich gibt es auch in Mülheim zu viele AfD Anhänger*innen und die gestrige erste öffentliche Veranstaltung der AfD in einem städtischen Gebäude ist mit Sicherheit auch im Zusammenhang mit dem Wahlkampf zur Kommunalwahl 2020 zu sehen.
Kein Dialog mit Nazis!
Keinen Raum der AfD!
(1) https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/11562/4418036
(3) https://www.nationalismusistkeinealternative.net/muelheim-ruhr-besorgert...