Demokratie heute: Drei junge Leute aus Nürnberg werden vom französischen Staat zur gewalttätigen Gruppe umgelogen

 

Am vergangenen Mittwoch wurden drei junge Leute aus Nürnberg von den französischen Behörden festgenommen. Am Freitag wurden sie dann in einem Schnellverfahren zu drei- bzw. zwei Monaten Haft verurteilt. Die Grundlage für das Urteil ist ein Gesetz aus dem Jahr 2010. Dieses Gesetz ist in Frankreich stark umstritten, denn es ermöglicht bereits die Verurteilung von Menschen, denen vorgeworfen wird eine Gruppe spontan gebildet zu haben, die möglicherweise gewalttätig wird. Weiter standen die drei auf einer Liste, die anlässlich des G7-Gipfels in Biarritz von den deutschen Repressionsbehörden den französischen überlassen wurde. Auch die Umstände des Verfahrens sind umstritten und sorgen in Frankreich für Wirbel. Sie wurden vor einer Art Sondergericht verurteilt ohne ihre Verteidiger frei wählen zu können. Obwohl die WahlverteidigerInnen anwesend waren, durften sie die drei nicht vertreten. Gleich nach dem Urteil wurden sie auf verschiedene Haftanstalten verteilt.

 

 

 So skandalös der Fall auch auf den ersten Blick anmutet, gehört er in Europa schon fast zu Normalität.

 In den letzten Jahren ist europaweit zu beobachten, dass die „Demokratien“ zu Polizeistaaten umgebaut werden. In Frankreich existiert schon seit längerer Zeit ein Quasi-Notstand. In Deutschland werden die Bürgerrechte systematisch u.a. durch Polizeigesetze beschnitten. Auch in anderen europäischen Staaten werden die Befugnisse der Repressionsbehörden systematisch zu Lasten der Menschen ausgebaut. Neue Überwachungstechniken ergänzen die ausgeweiteten Befugnisse und formen daraus einen Staat der seine Bürger bis ins intimste Überwacht. All dies geschieht im Interesse des europäischen Kapitals, um die Interessen der Herrschenden, der KapitalbesitzerInnen gegen die Interessen der Mehrheit abzusichern. Gerade Deutschland und Frankreich haben eine wichtige Rolle für das europäische Kapital: Wirtschaftliche Interessen politisch und militärisch nach Innen und Außen durchsetzen. Zur Interessensdurchsetzung nach Innen gehört es, politischen Bewegungen zu kriminalisieren oder sogar Individuen staatlich unter Druck zu setzen, bevor daraus eine Bewegung werden kann. Charakteristisch für diese Entwicklung ist es, dass die staatliche Repression zunehmend ausufert. Die Grenzen des Machbaren werden für den Staat dadurch vergrößert, dass im „demokratischen“ Alltagsgeschäft zwar Kritik vorkommen darf, die Gesetze, egal wie menschenverachtend, jedoch zu befolgen seien. Die Interessen einer sehr kleinen Anzahl von Herrschenden werden durchgesetzt unter Berufung gerade darauf, dass der Staat sich nicht der Bevölkerung beugen dürfte. Die bürgerlichen Medien helfen größtenteils mit, in dem sie unhinterfragt die Sichtweise des Staates, also der Polizeien, der InnenministerInnen, der Regierungen veröffentlichen. Kritische Informationsplattformen, wie in Deutschland z.B. linksunten.indymedia werden unter abenteuerlichen Vorwürfen kriminalisiert. All dies natürlich im Namen des „Rechtsstaates“. In allen kapitalistischen Demokratien werden soziale Bewegungen mit genau diesen Mitteln unterdrückt. Polizeigewalt, Überwachung, Klassenjustiz und immer weitere Gesetze stehen in der kapitalistischen „Demokratie“ stets bereit um die Interessen des Kapitals durchzusetzen. Das Demokratieverständnis von Macron, Merkel und allen anderen „FührerInnen“ der demokratischen Welt ist genau diese Repression, die häufig am deutlichsten genau dann beobachtet werden kann, wenn sie sich zu ihren Gipfeln treffen. „This is what democracy looks like!“ - „Das ist, wie Demokratie aussieht!“ ist ein Sprechchor der globalisierungskritischen Bewegung. Wie Demokratie aussieht konnte in Biarritz beobachtet werden – entgegen dem Protest auch der dort lebenden Menschen wurde Biarritz zur Polizei- und Militärfestung ausgebaut. Die Interessen der dortigen Bevölkerung sind dabei egal. 15.000 PolizistInnen sicherten den Gipfel der Herrschenden und dessen reibungslosen Ablauf. Den umfassenden Einschränkungen von Menschenrechten, die mit solch einer staatlichen Machtdemonstration einher gehen, fielen nicht nur zahlreiche Protestaktionen zum Opfer sondern auch Dutzende DemonstrantInnen. Und eben auch die drei jungen Nürnberger, deren gemeinsame Fahrt über Frankreich nach Spanien nun zur Bildung einer gewalttätigen Gruppe umgelogen wird. Dass der Staat als „Beweis“ das Mitführen linker Schriften anführt, zeigt, dass es sich um politische Repression handelt.

Keine Befreiung durch diese „Volksvertreter“, keine Freiheit in diesem Staat - wir müssen uns schon selbst bewegen!

Das Bedürfnis unzähliger Menschen, frei von Ausbeutung und Unterdrückung zu sein, hat das Entstehen von bürgerlichen Demokratien ermöglicht. Ihre großen Versprechungen - wie die der französischen Revolution, von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (heute sagen wir Solidarität) – sie sind bis heute unerfüllt. Die TagungsteilnehmerInnen des G7-Gipfels von Biarritz sind nicht VorkämpferInnen für eine demokratische Welt in der die Menschheit frei wird. Sie sind stattdessen die Charaktermasken des Kapitals. Sie stehen für den Versuch die Ausbeutung und Unterdrückung im Sinne des Kapitals möglichst effizient und stabil zu organisieren. Sie stehen mit ihren austauschbaren Gesichtern für die kontinuierliche Verwaltung der kapitalistischen Dauerkrise, unter der alle leiden, die zur Lohnarbeit gezwungen sind, um ihre Existenz zu erhalten. Sie stehen symbolisch an der Spitze von Staaten mit Behörden und Apparaten, deren Hauptzweck die Absicherung von Herrschaft ist. Sie stehen für das verdrehte Gegenteil von Freiheit und Demokratie für alle Menschen. Sie stehen für die Freiheit des Kapitals gegen die Interessen der Mehrheit unter dem falschen Etikett „Demokratie“. Die sozialen Bewegungen, die diese Staaten bekämpfen, stehen für Veränderung und gesellschaftlichen Fortschritt. Die Gipfelproteste sind der symbolische Ausdruck dieser sozialen Kämpfe. Der konkrete Ausdruck sind die alltäglichen Kämpfe im Alltag, für höhere Löhne, bezahlbare Mieten, Bewegungsfreiheit für alle, ökologisches Wirtschaften und gegen rassistische und sexistische Diskriminierung. Diese Alltagskämpfe werden zunehmend polizeilich niedergeschlagen, kriminalisiert und mit Repression überzogen. Selbst Aktivitäten, die nicht den staatlich erlaubten Rahmen verlassen, der sie harmlos und wirkungslos machen soll, geraten zunehmend in die Mühlen der Repression. Was den drei Nürnbergern passiert ist, ist Alltag in der „Demokratie“ wie wir sie kennen. Lasst uns gegen diesen Alltag ankämpfen, entschlossen und solidarisch!

 Solidarität mit den drei jungen Leuten aus Nürnberg und mit allen anderen fortschrittlichen Menschen, die für eine grenzenlose Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen!

 Seid solidarisch, werdet aktiv, macht Aktionen, schreibt den Gefangenen, schreibt in Euren Publikationen, veröffentlicht auf de.indymedia.org.

 Kommt am 12.10.2019 nach Nürnberg zur Demonstration „Rechte Netzwerke bekämpfen – im Staat und auf der Straße! Für eine linke Offensive!“.

 

 

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