[HH] 76 Jahre „Operation Gomorrha“ – Deutsche Täter_innen sind keine Opfer!

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Zum 76. Jahrestag der "Operation Gomorrha" haben wir den Hamburger Stadtteil Hamm mit Plakaten verziert, um an die gelungene Bombadierung der Stadt zu erinnern.

Vom 25. Juli bis 3. August 1943 bombardierten die englische und US-amerikanische Luftwaffe in vier Nacht- und zwei Tagesangriffen Hamburg. Der von den Alliierten als „Operation Gomorrha“ bezeichnete Luftangriff auf die nationalsozialistische Hansestadt konnte 580 Industrie- und Rüstungsbetriebe, sowie 257 Staats- und Parteidienststellen komplett zerstören oder schwer beschädigen. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juli wurden die Stadtteile Rothenburgsort, Hammerbrook, Borgfelde, St. Georg, Hohenfelde, Hamm und Eilbek nahezu vollständig zerstört. Dort befanden sich vorwiegend Wohnsiedlungen von Arbeiter_innen der deutschen „Volksgemeinschaft“.(1) Die industrielle Produktion sank in den kommenden Monaten erheblich ab: Ende August 1943 waren weniger als 50%, der zuvor in den Industriebetrieben Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz. Bis zum Ende des Krieges wurde das Produktionsvolumen des Frühsommers 1943 nicht wieder erreicht.(2) Damit konnte die Hamburger Rüstungsindustrie in ihrem Beitrag zur Fortführung des deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges in Europa dauerhaft beeinträchtigt werden.

KZ-Häftlinge als Leidtragende
Unmittelbar nach dem ersten Angriff am 25. Juli 1943 mussten Häftlinge des KZ Neuengamme in der Stadt Trümmer beseitigen, Leichen bergen und Blindgänger suchen. Die SS stellte für diese Arbeiten ab dem 7. August die II. SS-Baubrigade, ein mobiles Zwangsarbeitskommando bestehend aus 930 KZ-Häftlingen, zur Verfügung. Diese wurden zunächst in einem Bunker in der Süderstraße 301 und einem Hallenbad in der Süderstraße/ Ecke Heidenkampsweg untergebracht. Im November 1943 richtete die SS schließlich ein Außenlager im Gebäude der Volksschule am Brackdamm 14-16 in Hammerbrook ein.(3) Unter Lebensgefahr und immenser physischer und psychischer Belastung waren die Häftlinge gezwungen in den Ruinen Tote zu bergen, nicht detonierte Bomben freizulegen und diese zu entschärfen. Über 10.000 KZ-Häftlinge wurden in der Hamburger Innenstadt zu Bergungs- und Aufräumarbeiten eingesetzt, von denen bis zu 3.400 starben. Sie waren in städtischen Außenlagern des KZ Neuengamme untergebracht und für die deutsche Bevölkerung, die ihnen mit Verachtung und Gleichgültigkeit begegnete, täglich sichtbar. Die Häftlinge waren auf doppelter Ebene Leidtragende der Luftangriffe: als Opfer der Bomben und als Arbeitssklaven der SS in den Trümmern. Ihre Befreiung aber verdankten sie letztlich dem, auch durch die Bombardierung deutscher Städte, erkämpften Sieg der Alliierten über Nazideutschland.(4)

„Hamburg wurde mehrmals die Woche bombardiert. […] Das waren meine glücklichsten Augenblicke. Die SS-Wachen rannten in den Luftschutzkeller, einige der Mädchen versteckten sich unter dem Tisch und zogen Decken über ihre Köpfe. Ich aber stand am Fenster, schaute in den Himmel und jubelte bei jeder neuen Explosion.(5)

Deutsche Opfermythen
Unmittelbar nach der Bombardierung, begann auch ihre Instrumentalisierung durch die Bevölkerung Hamburgs, um sich selbst zu bemitleiden und von jeglicher Verantwortung für die deutschen Verbrechen entlasten zu können. Im Oktober 1943 wurde das, vom NS-Architekten Konstanty Gutschow entworfene und noch heute existierende, „Ehrenmal für die Hamburger Bombenopfer“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof eingeweiht und der Grundstein für die verklärende Erinnerung nach Kriegsende gelegt. Auf der Einweihungsfeier des neugestalteten Denkmals im August 1952 erklärte Bürgermeister Max Brauer (SPD) die Deutschen zum ersten Opfer, das „von einer unmenschlichen Diktatur auf die Schlachtbank“ geführt worden sei. Die Verantwortlichen für die Bombardierung bezeichnete er lediglich als „Dämonen“ und „Gewalttäter“ und ließ offen, ob er damit das NS-Regime oder die Alliierten meinte. Die ganz gewöhnlichen Deutschen wurden dadurch von Schuld und Verantwortung freigesprochen.(6)
Zum Jahrestag 1983 wärmte auch Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) den deutschen Opfermythos auf und verurteilte die Bombardierung Deutschlands in einer Rede als ungerechtfertigtes Mittel der Kriegsführung. Die Luftangriffe bezeichnete er als Vorboten eines „atomaren Holocaust“ und relativierte damit die von den Deutschen geplante und durchgeführte Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden. 20 Jahre später brandmarkte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in einer Ansprache die „Operation Gomorrha“ als „Zivilisationsbruch“. Er nutzte damit einen Begriff, der zuvor exklusiv die Singularität der Shoah beschrieben hatte, für eine kollektive Entlastung der Deutschen. So wurden aus Täter_innen einmal mehr Opfer gemacht. Durch diesen öffentlich vorgetragenen Opferkult beflügelt, fanden zwischen 2003 und 2009 Demos und Gedenkfeiern von NPD, DVU und Freien Kameradschaften rund um den Ohlsdorfer Friedhof und am „Ehrenmal für die Hamburger Bombenopfer“ statt. Dieses Treiben konnte schließlich durch antifaschistische Gegenaktivitäten beendet werden. Zum 50. Jahrestag der Bombardierung, im Juli 1993, konnte eine antifaschistische Gruppe die offizielle Gedenkfeier im Michel erfolgreich stören und wies mit einem Plakat („Operation Gomorrha – Es gibt nichts zu trauern“) auf die Selbstviktimisierung der Deutschen und die fortdauernde Verklärung der NS-Geschichte hin.(7)

Kein Friede mit Deutschland!
Die Bombardierung deutscher Städte durch die Alliierten war ein wichtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg zur Beendigung des deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges in Europa und zur Befreiung aller vom Nationalsozialismus verfolgten Menschen. Die offiziellen Gedenkfeiern in Hamburg blenden diesen Aspekt bis heute aus und heben das „Leid“ der deutschen „Voksgenoss_innen“ hervor. Trotz der Erwähnung deutscher Schuld und Verantwortung, um das Bild eines geläuterten Deutschlands zu vermitteln, bleiben die Deutschen in den jährlichen Reden „Opfer“ eines großen und scheinbar unvermittelt eingetretenen Unglücks. Die deutsche „Volksgemeinschaft“ war aber keine unschuldige, sondern eine rassistische, antisemitische und faschistische Gesellschaft von Täter_innen, deren mörderisches Treiben nur gewaltsam beendet werden konnte.

„Es wäre ein unverzeihliches Verbrechen gewesen, auch nur eine einzige Bombe zurückzuhalten, deren Abwurf über Deutschland die Nazi-Tyrannei über Europa auch nur um eine Stunde hätte verkürzen können.“(8)

 

Wir danken den Alliierten für die Bombardierung Hamburgs und ihren entschlossenen Kampf gegen Nazi-Deutschland!

Antifa H³ [HH-Hamm]

 


 

1 Vgl. Ursula Büttner: „Gomorrha“. Hamburg im Bombenkrieg. Die Wirkung der Luftangriffe auf Bevölkerung und Wirtschaft, Hamburg 1993, S. 20-26.
2 Vgl. ebd., S. 38f.
3 Vgl. Detlef Garbe: Doppelt betroffene Opfer der NS-Verfolgung und der „Operation Gomorrha“: Das Leiden der ausländischen Zwangsarbeiter und der Einsatz von KZ-Häftlingen bei den Bergungs- und Aufräumungsarbeiten, in: Förderkreis Mahnmal St. Nikolai e.V. (Hrsg.): Gomorrha 1943. Die Zerstörung Hamburgs im Luftkrieg, S. 53-72, hier S. 59f.
4 Vgl. ebd., S. 67-69.
5 Hédi Fried, 1944/45 Häftling in den Außenlagern des KZ Neuengamme am Dessauer Ufer, in Wedel und Hamburg-Eidelstedt, im Februar 2004, zit. nach: KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hrsg.): Eine Stadt und ihr KZ. Häftlinge des KZ Neuengamme im Hamburger Kriegsalltag 1943-1945, Katalog zur Ausstellung, S. 31.
6 Vgl. Malte Thießen: Gomorrha im Gedächtnis der Stadt. Hamburgs Erinnerungen an den Luftkrieg 1943 bis 2013, in: Förderkreis Mahnmal St. Nikolai e.V. (Hrsg.): Gomorrha 1943. Die Zerstörung Hamburgs im Luftkrieg, S. 91-105, hier S. 94-96.
7 Vgl. ebd., S. 98-103.
8 John Strachey, Labour-Politiker und ehemaliger Offizier der Royal Air Force (RAF), im Mai 1945 nach einem Besuch in Hamburg, zit. nach: Richard Overy: Hamburg 1943. Die Sicht der Alliierten, in: Förderkreis Mahnmal St. Nikolai e.V. (Hrsg.): Gomorrha 1943. Die Zerstörung Hamburgs im Luftkrieg, S. 39-50, hier S. 49.

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Ergänzungen

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