Neue, alte Herren in Griechenland Teil 1 – Der repressive Angriff

Viereinhalb Jahre, nachdem SYRIZA die landesweite Revolte gegen das IWF Spardiktat beerbt und sich eine Agonie über das Land gelegt hatte, hält die Rechte unter der Führung der Nea Dimokratia wieder die Schalthebel der politischen Macht in den Händen. In dem Regierungssofortprogramm der “sechs Säulen“ nimmt die „Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung“ eine zentrale Rolle ein. Schon seit Tagen sieht man schwerbewaffnete Polizeieinheiten demonstrativ in der Innenstadt von Athen patrouillieren.

Noch bis Jahresende sollen 1500 neue Stellen bei den Bullen geschaffen werden, diese sollen vorrangig den Aufstandsbekämpfungseinheiten zugute kommen. Auch die für ihre Brutalität berüchtigten DELTA Einheiten werden neu aufgestellt. Ihre Auflösung war eines der wenigen Wahlversprechen, das von SYRIZIA eingehalten wurde. Zusätzliche Mittel für polizeiliche Logistik werden ad hoc bereitgestellt,für das neue Jahr steht eine umfangreiche Modernisierung des Fuhrparks auf der Agenda.

 

Einher gehen diese Maßnahmen mit einer „Kriegserklärung“ an das antagonistische Milieu der griechischen Hauptstadt, die sich in der Wortwahl genau dieser militarisierten Ausdrucksweise bedient. Der neue Minister für die öffentliche Ordnung, Michaelis Chrisoxoidis, prahlt öffentlich damit, die Besetzungen im Stadtviertel Exarchia allesamt beseitigen zu wollen. Außerdem will die neue Regierung die griechische Besonderheit des Universitätsasyls, ein Erbe aus dem Widerstand gegen die faschistische Militärdiktatur in den 70igern, beseitigen. Seit dem Sturz der Faschisten ist es den Repressionskräften untersagt, Universitätsgelände zu betreten. Alle bisherigen Regierungen hatten es letztendlich nicht gewagt, dieses geschichtliche Erbe des Aufstandes am Polytechnio von Athen im Jahre 1973 anzutasten. Die wichtigen Unis in Athen, aber auch in Saloniki sind seit Jahrzehnten erster Anlaufpunkt für spontane linke Mobilisierungen, nicht nur an den Jahrestagen wie dem 17. November bieten sich hier nicht nur Räume für Debatten und Organisierung, sondern auch ganz handfeste taktische Vorteile bei den Auseinandersetzungen mit den Bullen.

 

Weitere Punkte im Sofortprogramm der Regierung sollen die weitgehende Streichung der Hafturlaube für Inhaftierte sein, zu Lebenslang Verurteile sollen keine Möglichkeit mehr erhalten, „vorzeitig“ entlassen zu werden, es werden neue Hochsicherheitsknäste vom Typ Gamma gebaut. All diese Maßnahmen zielen insbesondere auf die inhaftierten politischen Gefangenen ab, in den letzten Jahren gab es zahlreiche Kämpfe von inhaftierten politischen Kadern, die die in sich zerstrittenen und geschwächten antagonistische Splitter in Unterstützungsaktionen zusammen führten.

 

Ohne Zweifel gehört das antagonistische Milieu in Griechenland, trotz aller Tendenzen zum Sektierertum (nirgends werden die politische Streitigkeiten untereinander so erbittert und auch so handfest ausgetragen) wohl in Europa immer noch zu den „schlagkräftigsten“ Fraktionen. Nicht nur all jährig am 6. Dezember, dem Jahrestag der Ermordung von Alexis, illuminieren hunderte von Molotow Cocktails den Nachthimmel von Athen, Saloniki, Patros,…

 

Ob und wie die griechischen Gefährten allerdings in der Lage sein werden, diesem Angriff materiell, und vor allem auch politisch zu begegnen, steht in den Sternen geschrieben, um im Bild zu bleiben. Was dabei nicht wirklich sinnstiftend unterstützend sein dürfte, ist die weitere Ausweitung des Riot Tourismus, der insbesondere zum 6. Dezember Ausmaße angenommen hat, dass in Exarchia schon Graffito in Anspielung auf diesen unerwünschten Tourismus zu finden sind. Man hat schließlich schon so genug mit all Jenen zu tun, die auf der Suche nach dem letzten Überrest von Authentizität, die das sich zersetzende Empire noch zu bieten hat, in das Viertel einfallen.

Nun wird es sich erst einmal rächen, dass sich unsere Komplizenschaft in all den Jahren immer und immer wieder auf Events beschränkte wie zuletzt G20 Hamburg, wir niemals darüber hinaus miteinander taktische und strategische Allianzen zu schmieden in der Lage waren. Aber vielleicht werden die kommenden Monate auch eine Möglichkeit bieten, diese Fehler wieder gut zu machen.  Der Kampf um Exarchia wird ein langer und harter sein, an dieser Stelle bleibt kein Raum für Illusionen. Für unsere griechischen Gefährten geht es unmittelbar um nicht weniger als alles. Und wir werden uns vielleicht an jene Tage und Nächte im Dezember 2008 erinnern, als unsere Herzen in Griechenland weilten, wir aber hier nicht wirklich etwas Relevantes auf die Beine gestellt bekommen haben. Winter Is Coming. Wir sollten uns endlich darauf vorbereiten.

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Ergänzungen

Hier ein älterer Artikel aus der Jungle World zu dem Thema C-Typ Knäste:

https://www.jungle.world/artikel/2014/29/hungern-gegen-stammheimer-zustaende

Die damalige Regierung unter Antonis Samaras (Nea Demokratia) hatte das schon mal in der mache. Die Regierung Tsipras (Syriza) stoppte die Pläne dann später.

Es kann also davon ausgegangen werden, dass es schnell gehen dürfte mit diesem griechischen Stammheim. Die Pläne liegen ja schon in der Schublade...