Paul-Warnecke-Platz in Quickborn: Unbekannte benennen Wäldchen nach NS-Opfer

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Paul-Warnecke-Platz in Quickborn

Quickborn, 05.03.2024
„Paul-Warnecke-Platz - In Gedenken an das erste NS-Opfer Quickborns * 13.02.1914 – † 05.03.1933 “ steht am Eingang des kleinen Parks geschrieben. Unbekannte hängten dieses Gedenkschild zum 91. Todestag Paul Warneckes auf, nachdem sich die Stadt mehrfach gegen eine Widmung stellte.
Damit wurde der Beschluss von 1946 hierzu endlich zumindest symbolisch umgesetzt.

Pressemitteliung:

Bereits 1946 wurde der Beschluss getroffen, das Birkenwäldchen am Quickborner Bahnhof nach dem dort ermordeten ersten NS-Opfer Quickborns, Paul Warnecke, zu benennen.
Da sich die Gemeindevertretung erst kürzlich erneut gegen diesen wichtigen Beschluss stellte, sah sich eine Gruppe junger Antifaschist*innen gezwungen, diesen Beschluss eigenständig umzusetzen und brachten ein entsprechendes Schild an.
Das Skurrile:
Die Nazis benannten den Platz damals nach dem Berliner NS-Sturmführer, Horst Wessel. Durch die ausbleibende Umbenennung dürfte dieser Name wohl bis heute noch offiziell gültig sein. So titelte auch das Hamburger Abendblatt 2014 „NS-Vergangenheit: Quickborn hat ein Platz-Problem“ und schrieb weiter: „Ein Quickborner Ratsbeschluss wirft die Frage auf, ob es jetzt etwa wieder einen Horst-Wessel-Platz in der Eulenstadt gibt.“
Nach dieser schlechten Presse ruderte die Stadt Quickborn schnell zurück.
Angeblich finde man in den Dokumenten keine Hinweise darauf, dass der Platz noch immer so hieße.
Erklärt wird das so: Der Beschluss von 1946 habe aus zwei Teilen bestanden, wobei lediglich die Benennung der Nazis zurückgenommen wurde, die neue Benennung nach Paul Warnecke allerdings nicht stattfand.
Diese Benennung habe inzwischen „durch Zeitablauf seine Regelungskraft verloren“ so Bürgermeister Köppl (Quickborner Tageblatt, 30.05.2014, Birkenwäldchen noch immer ohne Namen.).

„Verjährt“ oder nicht, für uns ist dieser Beschluss ein Eklat.
Denn:
CDU und FDP leisteten sich während der Aufarbeitung des Beschlusses von 1946 zahlreiche Tabubrüche, welche einem ehrlichen Gedenken nicht würdig sind.
So stimmten sie nicht nur gegen die Umsetzung des Beschlusses, sondern zweifelten auch noch dessen Rechtskräftigkeit an und postulierten, dass der Tod des 1. NS-Opfers Quickborns keine „ausreichende Leistung“ für eine Würdigung sei. Frei nach dem Motto: Erschossen werden kann ja jeder...
Solche Aussagen sind nicht nur unwürdig gegenüber dem Engagement der geschichtspolitischen Initiative ISQ, welche um eine Umsetzung der Benennung bat, sondern stellt zugleich die gesamte Erinnerungskultur Deutschlands in Bezug zu den NS-Verbrechen in Frage.

Dabei ist Paul Warnecke ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie brutal die Nationalsozialisten politisch Andersdenkende und Kritiker verfolgten und mundtot machten.

Doch was geschah 1946 eigentlich genau?
Paul Warnecke war Teil der kommunistischen Häuserschutzstaffel, welche zum Ziel hatte, Übergriffe der Nazis abzuwehren. Am Abend des 04. März patrouillierten deshalb verschiedene Kleingruppen zwischen den Häusern zweier KPD-Mitglieder. Dabei waren sie unbewaffnet, um Verhaftungen durch die Nazis zu entgehen.
Während einer Patrouille trafen sie schließlich auf eine SS-Streife. Als die Kommunisten auf den Zuruf „Parole!“ von Gustav Jeske in Richtung eines nahestehenden Hauses flohen, eröffneten diese das Feuer. Paul Warnecke wurde im Rücken getroffen und erst Stunden später tot aufgefunden.
Mutmaßlicher Schütze war der zuvor genannte Gustav Jeske.
In einem Bericht schrieb der Landrat später lediglich: „Die Ruhe und Sicherheit in Quickborn ist wiederhergestellt.“

Nur einen Tag später feierten die Nationalsozialisten schließlich ihren Sieg bei der Reichstagswahl und hissten die Hakenkreuzfahne am Quickborner Rathaus.
(Quelle: Spurensuche Kreis Pinneberg, Der Tod von Paul Warnecke).

Wir bedauern es daher zutiefst, dass erst eine externe Gedenk-Initiative die Stadt auf die Problematik um den Horst-Wessel-Platz hinweisen musste, bis diese überhaupt beachtet wurde und jene dann auf solche Art und Weise abgewiesen wird.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Stadt Quickborn in dieser Hinsicht ernsthaft bessert und solche Prozesse in Zukunft von alleine schafft.
Die Heinrich-Lohse-Straße wäre hier eure Chance.
Denn wer sich als Amtsvorsteher unter den Nazis maßgeblich an der „Jagd auf Kommunisten“, wie auch Paul Warnecke einer war, beteiligt, der sollte niemals durch einen Straßennahmen geehrt werden!
Auf dass die Täter-Opfer-Umkehr endlich ein Ende hat.
Wir sind gespannt und halten unsere Schilder bereit.

In einer Zeit, in der faschistische und rassistische Übergriffe wieder an der Tagesordnung sind und menschenfeindliche Rethorik die politische Diskussion bestimmt.
Wo auch im Kreis Pinneberg faschistische Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ skandiert werden.
Wo rechtsextreme Parteien wie der 3. Weg wieder unbehelligt Aufkleber verkleben.
Wo ein KZ-Gedenkbaum in Uetersen noch in der ersten Nacht wieder rausgerissen wird und Neonazis unbehelligt Rechtsrock Konzerte veranstalten...

In dieser Zeit muss Antifaschismus ernst gemeint und ehrlich sein!
Und eben kein Lippenbekenntnis, welches man bei dem ersten Anzeichen von Protest, „Verjährung“ oder Aufwand zurücknimmt.

Für uns steht fest:

Antifaschistischer Widerstand ist vielfältig.

Und er beginnt mit konsequentem und ehrlichen Gedenken für ein
„Nie wieder“.
Erinnern heißt verändern.

Im Alltag, auf der Straße. Überall !!

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