OLG spricht Insassen Taschengeld bei Pfändung zu
Arbeitende Sicherungsverwahrte die Pfändungen unterliegen, erhalten in der JVA Freiburg seit Jahren zu wenig Taschengeld. OLG beendet diese illegale Praxis.
Vergangenes Jahr erhielten in Baden-Württemberg bedürftige Sicherungsverwahrte monatlich 131,46 € Taschengeld (TG). Das war und ist unpfändbar, steht also für die monatlichen Einkäufe und persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung. Wer aber arbeitet und Pfändungen unterliegt, hatte seit Jahren oftmals unter 100 € zur Verfügung- also weniger als jene Untergebrachten, die nicht arbeiten und Taschengeld beziehen.
Da die Verwahrten, wie auch die anderen Gefangenen, gezwungen sind, ihren Bedarf weitestgehend bei der Firma Massak Logistik GmbH zu decken, einer Firma aus Bayern, die bundesweit Gefängnisse mit Waren des täglichen Bedarfs beliefert, und deren Preispolitik, diplomatisch formuliert, permanenter Kritik ausgesetzt ist, bedeutet jeder Euro weniger ein Minus an Lebensqualität- in einer sowieso schon bedrückenden Umgebung.
Oberlandesgericht kritisierte Taschengeld-Praxis der JVA schon 2007
Schon vor 15 Jahren musste sich das zuständige Oberlandesgericht Karlsruhe mit der eigenwilligen Praxis der JVA Freiburg, Sicherungsverwahrten Taschengeld zu verweigern, beschäftigen. Einem langjährigen Sicherungsverwahrten sprach das Gericht einen Anspruch auf Taschengeld auch bei Arbeitsverweigerung zu. Zudem dürfe die Haftanstalt dem Verwahrten keine Haftkosten in Rechnung stellen. Offenbar schien der Hinweis des Oberlandesgerichts, dass es sich bei der Ablehnung des Anspruchs auf Taschengeld um einen einschneidenden Eingriff in die Lebensführung des Sicherungsverwahrten handele, weil der davon Betroffene noch weniger als ein in Freiheit befindlicher Bedürftiger in der Lage sei, sich die dringend benötigten Gegenstände des Alltags zu besorgen, nicht weiter beachtenswert.
Was sind Überbrückungs- Haus- und Eigengeld?
Die Justiz regelt die Gelder-Verwaltung der Insass*innen mit viel Freude zum Detail. Einige Sicherungsverwahrte in der JVA Freiburg gehen arbeiten. Wenn sie dann im Folgemonat ihren Lohn erhalten, werden hiervon 3/7 auf das sogenannte Hausgeld (HG) gebucht und stehen für Einkäufe zur Verfügung. Die restlichen 4/7 bucht die Haftanstalt auf das Überbrückungsgeldkonto (Ü-Geld). Dieses Geld steht erst nach einer Entlassung zur Verfügung um die ersten Wochen in Freiheit zu überbrücken. Allerdings ist der Ansparbetrag auf ca. 2.000 € begrenzt. Ist der entsprechende Betrag angespart, werden die erwähnten 4/7 des Arbeitsentgelts auf dem sogenannte Eigengeld-Konto (EG) gutgeschrieben. Während aber HG und Ü-Geld im Regelfall unpfändbar sind, unterliegt das EG in diesen Fällen der vollen Pfändung.
Praxis der JVA Freiburg bei Pfändungen
In dem nun entschiedenen Fall, verdiente der Untergebrachte rund 211 €. Davon gingen 3/7, also rund 90 Euro auf das HG. Und die übrigen 4/7 auf das EG: da der Betroffene einer Pfändung unterliegt, war dieses Geld sofort weg. Damit hatte er für den laufenden Monat lediglich 90 € für seinen Einkauf und sonstige Ausgaben. Hätte er nicht gearbeitet, so wären ihm 131,46 € seinem TG-Konto gutgeschrieben worden. So aber blieb es bei bei rund 90 €.
Die Justizvollzugsanstalt Freiburg verweigert seit über 10 Jahren den arbeitenden Sicherungsverwahrten sogenanntes ergänzendes oder aufstockendes Taschengeld. Vielmehr wurde eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung vorgenommen: da in dem entsprechenden Monat dem Untergebrachten rund 211 € zuflossen, also mehr als der TG-Satz von 131 €, verlöre er jeden Anspruch auf Taschengeld. Dass er defacto nur rund 90 € für seine Grundbedürfnisse verausgaben konnte, sei irrelevant. Es gab in den Jahren, in welchen ich selbst dort in Sicherungsverwahrung einsaß, einige Insassen, die aus Protest gegen diese Praxis aufhörten zu arbeiten!
OLG Karlsruhe greift ein und beendet Praxis der JVA Freiburg
Mit Beschluss vom 17.10.2023 verpflichtete das Oberlandesgericht die Haftanstalt, dem Beschwerdeführer 40,90 € ergänzendes Taschengeld zu zahlen, denn Gelder die einem Verwahrten zuvor gepfändet wurden, stünden nicht für die Ausgaben des täglichen Bedarfs zur Verfügung, könnten also den Anspruch auf Taschengeld auch nicht mindern. Das sahen JVA und auch das zuständige Landgericht noch anders. Künftig muss also die JVA Freiburg den arbeitenden Sicherungsverwahrten, die wegen Pfändungen weniger Geld für den täglichen Bedarf haben, alsarbeitslose Sicherungsverwahrte aufstockendes Taschengeld zahlen.
Ausblick
Landgericht und JVA Freiburg arbeiten oft Hand in Hand. So auch vorliegend. Obwohl der Anspruch des Insassen evident erschien, lehnte nicht nur die Haftanstalt, sondern auch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts, seine entsprechenden Anträge ab. Es war erst wieder das OLG, wie schon 2017, das eine illegale Vollzugspraxis beendete. Ob die JVA Freiburg nun all jenen Sicherungsverwahrten, denen sie seit zehn Jahren rechtswidrig ergänzendes Taschengeld vorenthalten hat, dieses nachzahlen wird, das bleibt noch offen.