Anarchist Black Cross Dresden ist jetzt eine linksextremistische Organisation in Sachsen

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Im Jahr 2023 stießen wir zufällig auf eine Einstufung unseres Kollektivs als linksextremistisch in einem der Berichte des sächsischen Verfassungsschutzes. Später brachte ein Fragebogen einer lokalen Landtagsabgeordneten etwas Licht ins Dunkel, warum die Gruppe als solche angesehen wird. In diesem Text werden wir uns die „Argumentation“ des Verfassungsschutz genauer ansehen und was diesesr nach der Einstufung nun tun kann.

Für diejenigen unter Euch, die sich dafür interessieren, was in der 3-seitigen Antwort des Innenministeriums steht, fügen wir diese an diesen Text an. Der Text selbst sieht aus wie ein Stück Propaganda, das geschrieben wurde, um aus der Solidaritätsgruppe einen furchterregenden Feind zu machen. Das Hauptinteresse des Verfassungsschutzes galt der Solidaritätsarbeit von ABC-Dresden mit Anarchist:innen und Antiautoritären in der Ukraine. Dem Bericht zufolge sind wir in erster Linie daran interessiert, Anarchist:innen zu unterstützen, die mit Waffen gegen die russischen Invasoren in der Ukraine kämpfen. Offensichtlich ist beim sächsischen Verfassungsschutz nicht bekannt, dass diese Anarchist:innen und Antiautoritären höchstwahrscheinlich nicht nur mit den berühmten 5000 deutschen Helmen aus dem Jahr 2022 kämpfen, sondern mit echten Waffen, die seither dem ukrainischen Staat zur Verfügung gestellt und auf die reguläre Armee, Freiwillige der territorialen Selbstverteidigung und Kämpfer der Internationalen Legion verteilt wurden (in all diesen Formationen gibt es Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten, einschließlich Anarchist:innen). Die Argumentation in einem solchen Bericht, dass man jemanden in der Ukraine unterstützt, der gegen die russische Armee kämpft, zeigt eher die politischen Vorlieben der Mitarbeiter:innen des sächsischen Geheimdienstes als irgendeinen Anhaltspunkt für Extremismus.

 

 

Der Text setzt die gleiche Panikmache mit so plakativen Aussagen fort wie:

 

„Anarchistische Gruppen wie ABC Dresden wenden sich gegen die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte“ – gegen welche Menschenrechte sich Anarchist:innen wenden, wollen die Autor:innen des Textes nicht sagen, wohl wissend, dass Anarchist:innen zu den lautesten Verfechtern jener Rechte für die Menschen gehören, die von verschiedenen staatlichen Institutionen systematisch verletzt werden und in erster Linie durch die politische Macht der gesamten Gesellschaft gegen alle Versuche des Staates geschützt werden, diese Menschenrechte zu beschneiden.

 

„Sie leugnen im Allgemeinen, dass die Legislative an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist und dass die Exekutive und die Judikative an Recht und Gesetz gebunden sind“ – man muss kein:e Anarchist:in sein, um zu wissen, dass das moderne Rechtssystem eine Menge blinder Flecken hat, um tatsächlich an Recht und Gesetz gebunden zu sein. Um diese blinden Flecken zu beseitigen, ist es in liberalen Gesellschaften durchaus üblich, gegen politische Entscheidungen des Staates zu protestieren und Unterstützung oder Ärger zu zeigen.

 

Und gerade in Sachsen ist bekannt, dass der Verfassungsschutz und andere Teile der exekutiven Strafverfolgungsbehörden selbst Verbindungen zu undemokratischen, rechtsradikalen Bewegungen haben, was sich z.B. im Fall des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) gezeigt hat. Das macht ihre ihre eigene Rolle sehr fragwürdig.

 

Die allgemeine Argumentation lässt sich sehr lange fortsetzen. Um die Gruppe als extremistisch einzustufen, muss man nur ein paar Schlüsselwörter in seine Argumentation einbauen, und schon ist man rechtlich auf der sicheren Seite. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Recht und Gerechtigkeit von Menschen mit einer politischen Agenda missbraucht werden. Die Unabhängigkeit dieser Mechanismen kann innerhalb der stark zentralisierten Machtinstitutionen wie dem Staat nicht bestehen.

 

Die Gefahr einer solchen Situation besteht darin, dass sehr vage und abstrakte Rechtsbegriffe Gründe schaffen, um jede antiautoritäre Gruppe als linksextremistisch einzustufen. Dies führt zu einem breiten Spektrum möglicher „Überwachungsmaßnahmen“ von Personen, die mit der Gruppe und ihrem Umfeld in Verbindung gebracht werden könnten. Dazu gehören unter anderem

 

  • Physische Beobachtung von Personen
  • Mithören/Lesen von Telefongesprächen
  • Überwachung des Internetverkehrs
  • Einsatz von Video-/Audioüberwachung an bestimmten Orten

 

All diese Maßnahmen werden durch diese Einstufung möglich und können nicht nur gegen mutmaßliche Mitglieder der Gruppe, sondern auch gegen deren Kontakte und Bekannte deren Kontakte usw. eingesetzt werden. Und das geschieht genau jetzt in einer der Regionen mit den höchsten Umfragewerten für die AfD für die nächsten Landtagswahlen im September 2024. Wenn die sächsische extreme Rechte an die Macht kommt, wird dieses wunderbare Spiel des Verfassungsschutzes sehr schnell in die Zerstörung jedes Gegners des Faschismus durch die gesammelten Informationen umschlagen.

 

Wir haben uns keine Illusionen über die Rolle des liberalen Staates gemacht, wenn es darum geht, den Weg für rechtsextreme Diktaturen zu ebnen (die Geschichte kann viele Beispiele dafür liefern), aber mit den modernen Überwachungstechnologien, die von den sogenannten Demokrat:innen eingeführt wurden, blicken wir in eine sehr dunkle Zukunft…

 

Die Kriminalisierung der Solidarität mit Antifaschist:innen und Anarchist:innen ist eine anhaltende Strategie des Staatsapparates bei seinen Versuchen, nicht nur die anarchistische Bewegung, sondern die Zivilgesellschaft im Allgemeinen zu zerstören. Die Angriffe auf diejenigen, die Menschen im Gefängnis nicht allein lassen, gehen in verschiedenen Teilen der Welt weiter, sowohl in autoritären Staaten als auch in liberalen Demokratien. Es genügt, eine:n Verwandte:n eine:r Gefangenen zu fragen, welche Demütigungen diese:r regelmäßig durch das so genannte Justizministerium erleiden. Die Unterdrückung von Solidaritätsinitiativen ist auch eine Fortsetzung der Repressionen der deutschen Regierung gegen Antifaschist:innen, die gegen den G20-Gipfel protestierten – als viele europäische Politiker:innen Putin die Hand schüttelten, während die deutsche Polizei das berühmte „staatliche Gewaltmonopol“ nutzte, um die Proteste zu unterdrücken, einschließlich derjenigen von Aktivist:innen aus Russland.

 

Der Krieg in der Ukraine und das Russlandproblem in Sachsen

 

Die Tatsache, dass wir nach mehreren Jahren unserer Tätigkeit wegen unserer Solidarität mit der Ukraine auf dem Radar des Freistaates Sachsen aufgetaucht sind, zeigt für uns einmal mehr, wie schlecht es um das Thema „Russische Welt“ in Sachsen bestellt ist. Nehmen wir als Beispiel den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, der bereits im Jahr 2021 von rnd.de[1] als „Russland-Versteher aus Dresden“ bezeichnet wurde. Kretschmer ist in den letzten Jahren vermehrt durch sehr fragwürdige Äußerungen zum Krieg in der Ukraine aufgefallen und versucht immer wieder, Druck auf „Friedensgespräche“ auszuüben und Russland zurück in die Weltpolitik zu bringen. Noch im Dezember erklärte Kretschmer:

 

„Im Falle eines Waffenstillstands muss die Ukraine zunächst akzeptieren, dass bestimmte Gebiete für die Ukraine vorübergehend unzugänglich sind“ (sic!).

 

Wie „vorübergehend unzugängliche“ Gebiete als Teil Russlands enden, könnt Ihr die politischen Gefangenen auf der Krim fragen, die seit 2014 gegen die russische Besatzung kämpfen. Kretschmers Versuche, den Kampf gegen Russland in Deutschland zu sabotieren, kamen bei solchen „Partnern“ wie der russischen Botschaft, Sarah Wagenknecht und u.a. der AfD [2] (die in Sachsen derzeit in den Umfragen höher liegt als Kretschmers CDU) gut an.

 

Die Motivation des sächsischen Staatsoberhauptes ist unklar (zumindest gibt es keinen eindeutigen Hinweis, der in den Medien auftauchte), aber offenbar sieht sich Michael Kretschmer als guter Freund Putins und hat vielleicht sogar einige Positionen um die Finanztöpfe herum im Auge (wie viele andere Freunde Putins, einschließlich des berüchtigten deutschen Bundeskanzlers).

 

In dieser ganzen Atmosphäre passt der Versuch, den Repressionsapparat gegen antiautoritäre Aktivist:innen zu aktivieren, die sich mit der Bevölkerung der Ukraine solidarisieren, in das Profil der hiesigen CDU-Regierung. Schließlich lernt Kretschmer gerade erst, wie man Anarchist:innen und Antifaschist:innen unterdrückt, während Putin dies bereits so weit perfektioniert hat, dass er einige Gegner des russischen Imperiums foltert oder sogar ermordet.

 


 

Nach all dem möchten wir Euch daran erinnern, dass Ihr Euch nicht zurücklehnen solltet, auch wenn ihr nicht in Ostdeutschland lebt. Die allgemeinen autoritären Tendenzen gewinnen in ganz Europa an Dynamik, und in den kommenden Jahren werden Anarchist:innen und Antifaschist:innen von der staatlichen Repressionsmaschinerie im Kampf um die Konsolidierung der Macht und die Vernichtung jeglicher radikaler Opposition gegen die wachsende faschistische Stimmung noch härter getroffen werden. Behaltet dies heute im Hinterkopf und achtet auf die Sicherheitskultur.

 

Wenn Ihr mit uns Kontakt aufnehmt, seid Euch darüber im Klaren, dass Eure Kommunikation überwacht werden kann, und nutzt systematisch Verschlüsselung.

 

Aber vor allem: Habt keine Angst vor Repressionen. Sie sind Teil des politischen Kampfes und der Solidarität. Der Staat mag damit drohen, viel Macht und Ressourcen gegen Aktivist:innen einzusetzen, aber die Realität ist: Wir schreiben das Jahr 2024 und der Kampf für die Freiheit der gewöhnlichen Menschen geht weiter, trotz aller Mechanismen, die den Diktatoren und ihren vermeintlichen Freund:innen aus dem Westen zur Verfügung stehen.

 

Wir werden den Kampf fortsetzen und uns nicht vom Verfassgungsschutz oder irgendeiner anderen staatlichen Institution einschüchtern lassen, die versucht, grundlegende Menschenrechte zugunsten ihrer neuen autoritären Regime abzuschaffen.

 

1: https://www.rnd.de/politik/michael-kretschmer-der-russland-versteher-aus...
2: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_92365472/putins-kumpe...

https://abcdd.org/2024/02/20/anarchist-black-cross-dresden-ist-jetzt-ein...

 

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Ergänzungen

 

Natürlich unterstützt „abc-Dresden“ Soldaten an der ukrainischen Front. Das bestreitet Ihr ja auch gar nicht. Und diese Soldaten können sich nicht aussuchen, ob sie mit Faschos kämpfen oder nicht. Bestreitet Ihr auch nicht.

 

Die Entsolidarisierung setzt nicht an der Frage ein, ob "abc-Dresden" gegen den VS verteidigt werden muss. Das ist eine gesonderte Diskussion.

 

Sondern die Entsolidarisierung setzte schon mit den Übergriffen in San Imier ein. Für eine kritische Diskussion, darüber wie ein Widerstand jenseits von Militär gegen die russische Invasion aussehen könnte - ohne eine Uniform des ukrainischen Staates anzuziehen und auf das Kanonenfutter der ersten Reihe auf der anderen Seite zu schießen - kam nie zustande. Weil „abc-Dresden“ in bekannter Rhetorik alles abschmetterte (1.böse Westlinke obwohl es dezidierte Kritik aus dem Osten gibt, 2.Opferstatus obwohl andere "Opfer" von Krieg eine ganz andere Position vertraten und Euch damit konfrontierten, 3. verwechseln linker Gruppen mit anarchistischen Gruppen und entscheidend auch 4. die militarisierte, weil patriarchale Denke, die Wort und Handeln vorgibt). Kann man machen – hat Konsequenzen. Ist wie ein anarchistischer Bumerang. Kommt auf Euch zurück.

 

 

 

„Abc-dresden“ ist einfach nur ein (unbedeutender) verlängerter Arm deutscher Interessen und NATO-Politik, egal was sonst immer behauptet wird. „Abc-Dresden“ behaupten nicht für den Staat zu sprechen/zu sein und unterstützt aber militärische Strukturen, die dem staatlichen Befehl und Gehorsam unterliegen. Ein Militär hat mit der behaupteten antiautoritären Praxis von „abc-Dresden“ soviel zu tun wie Vergewaltigung mit Sex. Das redet man(n) (und auch frau*) sich eben schön, weil man aus der antiautoritären Ecke kam und noch mal mehr oder weniger so organisiert ist, sieht man mal von den informellen Hierarchien ab. Die Bedeutung von „abc-Dresden“ liegt vor allem darin Kriegslogik für kritische Menschen anschlussfähig in zu machen. Mehr nicht. Sie stehen da in einer Front mit Antideutschen und Antiimperalisten und kommunistischen Linken, wenn auch auf unterschiedlichen Seiten. Aber das ist ja das schöne an der Kriegslogik – für alle ist ausreichend Auswahl und Platz auf allen Seiten vorhanden.

 

 

 

Und die Aufforderung in der Erwiderung oben auf den anderen Beitrag; sich ständig von Russland zu distanzieren, ist albern. Wer Anarchist*in ist lehnt Russlands Angriffskrieg ebenso ab wie die Kriegspolitik Deutschlands. Das russische Regime muss fallen, keine Frage. Aber einen Distanzierungszwang, bevor wer was sagen darf, kann sich „abc-Dresden“ sonstwo hin stecken. Das ist Teil der militarisierten Identitätspolitik, in der „abc-Dresden“ feststeckt. Wir fragen ja auch nicht einen arabischen Menschen, ob er_sie die Hamas gut oder schlecht findet, bevor er die Bomben auf den Gazastreifen beklagen darf.

 

 

 

„Abc-Dresden“ reproduziert Kriegslogik. Auf barrikade weht in den Nationalfarben einer ukrainischen Landschaft eine schwarze Fahne. Offener kann ein Nationalismus nicht zur Schau getragen werden. Hü sagen und Hot. Sie verdrehen Anarchismus - als Recht auf Militarismus, Staatsgewalt und Mord aus nationalistischen Gründen. Sie bekennen sich als Anarchisten und wedeln mit der Ukrainefahne. Sie unterstützen wahrscheinlich keine Faschos-Einheiten mehr direkt mit ihren Spenden, aber Soldaten, die mit Faschos in einer Frontlinie kämpfen. Aber auch da wären wir uns nicht sicher – denn sie haben in der Vergangenheit nicht gewußt wo imme rgenau das Geld hingeht, wenn es ihnen nicht von „guten Kameraden“ geklaut wurde. „Abc-Dresden“ ist nur ein Zeitgeist, der gerade in vielen Gestalten umher wandelt, und alle Begriffe verdreht. Eigentlich nichts besonderes. Schafft natürlich Verwirrung und spielt den Herrschenden in die Hände. Die AfD beherrscht die Verdrehung, die Wagenknechtleute haben es drauf, die Regierung sowieso, die Frieden mit noch mehr Waffen posaunt. „Abc-Dresden“ ist in diesem Trauerspiel wie der bewaffnete Arm der Grünen.

 

 

 

Und wenn Ihr nichts von antimilitaristischen Aktivitäten mitbekommt, liegt es vielleicht daran, sie gar nicht wahrnehmen zu wollen. Vielleicht auch besser so. Weil „credit“ habt ihr gerade nicht. Egal was der VS trötet.

 

 

 

Die Bewertung des VS und seiner Einschätzung zu Euch steht auf einem andern Blatt als die Kritik an Eurer Praxis und militarisierten Ausrichtung. Man kann nicht einerseits Solidarität wollen und andererseits taktisch, strategisch Kritik abwehren.

 

 

 

Wir sind gespannt wie es weiter geht in dem militarisierten Manege.

 

 

 

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