Mobilität für alle statt Klimakatastrophe! | Statement von Ende Geländewagen
Mobilität für alle statt Klimakatastrophe!
Statement von Ende Geländewagen zur der erfolgreichen Aktion zivilen
Ungehorsams in Wien und zur massiven Polizeigewalt gegenüber unserem
friedlichen und legitimen Protest.
Am Freitag, den 31.5.2019 nahmen wir symbolisch die Mobilitätswende
selbst in die Hand und zeigten, dass Wien #autofrei möglich ist. Von
14:00 bis 18:00 Uhr blockierten wir mit unserem friedlichen und bunten
Protest den gesamten Bereich des Franz-Josef-Kais und der Aspernbrücke.
250 Aktivist*innen sowie Kletter*innen an der Brücke und an zwei Tripods
setzten ein starkes Zeichen für eine Mobilität für alle statt ein weiter
so in die Klimakatastrophe.
Wir werden uns auch weiterhin in vielfältigster Weise für ein gutes
Leben für alle einsetzen: Im Alltag, in Diskussionen, in politischen
Debatten, bei Aktionen sowie Protesten und immer mit radikalen Zielen.
Mit Theorie und in der Praxis, mit vielfältigen Ideen und in Solidarität
schreiten wir fragend voran. Unsere Kämpfe haben das Gesamte im Blick
und finden im Alltag genauso statt wie bei speziellen Aktionen gegen
Braunkohleabbau und gegen den Rechtsruck, für offene Grenzen und für
Mobilität für alle.
Unsere Kernbotschaft ist so deutlich wie unverhandelbar:
<strong>#Klimagerechtigkeit:</strong>
Unter dem Klimawandel leiden vor allem die Regionen und
Bevölkerungsgruppen, die am wenigsten dafür verantwortlich sind und
deren Stimmen kaum Gehör finden. Genau diese Ungerechtigkeit führt nur
noch zu größerer finanzieller Armut, zu einem schlechterem Zugang zu
lebensnotwenigen Ressourcen und Bildung, zur noch stärkeren
Marginalisierung von Menschen und zu mehr Flucht. Der menschengemachte
Klimawandel und seine katastrophalen Folgen sind durch enorme
Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten geprägt.
Die Zerstörung von Natur und der Klimawandel ist jedoch nicht nur ein
Umweltproblem, sondern eine komplexe Frage der globalen sozialen
Gerechtigkeit und damit eine ethisch-politische Herausforderung. Daher
reicht es nicht aus, lediglich die Industrien stärker zu regulieren oder
Reformpakete zu schnüren. Vielmehr ist die Klimakrise ein Produkt
sozialer Ungleichheit und eines ausbeuterischen kapitalistischen
Wirtschaftssystems, das auf Wachstum ausgelegt ist. Rassismus und
Klassendiskriminierung sind untrennbar mit dem Klimawandel verbunden.
Demnach bedarf es einer ganzheitlichen und feministischen Perspektive
auf die Fragestellung wie wir eine klimagerechte Zukunft gestalten
können.
<strong>#Gutes Leben für alle:</strong>
Unter dem guten Leben für alle verstehen wir eine solidarische
Lebensweise und diese Vorstellung steht im extremen Kontrast dazu, wie
die Welt heute aufgebaut ist. Das Wirtschaftssystem und die alltägliche
Lebensweise insbesondere der Menschen im globalen Norden geht auf Kosten
anderer: der Natur, zukünftiger Generationen und benachteiligter
Menschen im globalen Süden und globalen Norden. Diese Ausbeutung
benennen wir als imperiale Produktions- und Lebensweise. Dabei geht es
nicht nur um Konsum und privaten Lifestyle sondern Lebensweise
verstanden als Element in der Reproduktion kapitalistischer
Gesellschaften. Die imperiale Lebensweise ist in unser aller Leben
eingeschrieben, daher verstehen wir diese zum einen als eine
Selbstkritik um unsere Privilegien zu reflektieren. Zum anderen möchten
wir genau auf dieser Basis das Gesamte in Frage stellen, denn es geht um
nichts weniger als ums Ganze.
Ebenso wie die Klimakrise denken wir auch soziale Fragestellungen in
einem globalen Kontext und zusammen mit ökologischen Fragestellungen.
Statt dem ewig gestrigen Gerede der Rechten auf das Konstrukt was sie
Nationalstaaten nennen, setzten wir auf eine weltweite
Solidargemeinschaft. Dabei geht es darum ein gutes Leben an den
Bedürfnissen aller zu gestalten statt der momentanen Ausrichtung an
Profitinteressen weniger. Eine Kritik der Verhältnisse muss für uns mit
einer grundlegenden Herrschaftskritik einhergehen.
Mit dem Guten Leben für alle meinen wir auch wirklich alle. Und um diese
Version Wirklichkeit werden zu lassen brauchen wir das Mitwirken aller.
<strong>#Mobilitätswende:</strong>
Das Auto steht sinnbildlich dem "Guten Leben für Alle" im Weg: Hier
macht es die Städte weniger lebenswert und global heizt der motorisierte
Individualverkehr die Klimakrise an. Autokonzerne und ihre Zulieferer
machen ihre Gewinne auf Kosten von Umwelt, Gesundheit und Menschenleben
- in Europa und weltweit.
Rund 30% der Treibhausgas-Emissionen sind in Österreich dem
Straßenverkehr zuzuschreiben und sie nehmen weiter zu. Das
Verkehrssystem ist beinahe komplett abhängig von klimaschädlichen
fossilen Kraftstoffen. Für ihre Beschaffung werden ökologische Desaster
sehenden Auges in Kauf genommen und Kriege um den Zugang zu Öl geführt.
Die immer größer werdenden Fahrzeuge verstopfen unsere Straßen.
Flächenversiegelung, Lärmprobleme, Unfälle und Luftverschmutzung sind
die Folgen einer Politik, die den öffentlichen Raum als Transitzone
versteht, angepasst an die Bedürfnisse von Autofahrer*innen. Wir bewegen
uns immer mehr, immer schneller, legen immer weitere Wege zurück und
auch unsere Warenströme vergrößern sich. Die Automobil- und
Zulieferindustrie ist eingebettet im aktuellen Wirtschaftssystem, das
auf der Idee des grenzenlosen Wachstums basiert. Doch unbegrenztes
Wachstum ist nicht möglich auf einer Welt, deren Ressourcen begrenzt
sind.
Daher ist es an der Zeit, unser Verkehrssystem radikal zu verändern: Nur
Dieselfahrverbote oder der bloße Umstieg vom Verbrennungs- auf den
Elektroantrieb lösen die städtischen Missstände und die globale
Klimakrise nicht. Auch Elektroautos beanspruchen wertvollen Platz in den
Städten, benötigen Straßen und Energie. Außerdem werden die metallischen
Rohstoffe, die in großen Mengen in jedem Auto stecken, unter oftmals
katastrophalen Bedingungen für Mensch und Umwelt in Ländern des globalen
Südens abgebaut. Deshalb müssen wir den Gütertransport auf das
Notwendigste beschränken und vor allem den motorisierten
Individualverkehr drastisch reduzieren!
Dabei geht es nicht um Verzicht sondern darum Verkehrsmittel
ressourcenschonend und emissionsarm zu nutzen und sich von dem
motorisierten Individualverkehr und klimaschädigenden Flugreisen zu
befreien.
Die Verkehrswende darf gerne in unserem Alltag starten doch bedarf es
dafür geeigneter Rahmenbedingungen für uns alle. Damit die Verkehrswende
ein Gewinn für uns alle bedeutet wollen wir mit drei Kernpunkten
anfangen:
1. Das Gute liegt so nah: Kurze Wege und autofreie Städte
Die Vision von Autofreien Städten ist gerade deshalb so interessant, da
dies ein Mehr an Lebensqualität für uns alle bedeuten wird. Statt Lärm,
Gestank und sinnlosem Flächenverbrauch ist wird so in den Städten wieder
Platz zum Wohnen und Leben. Gleichzeitig soll das entspannte Leben
dadurch in die Städte zurückgebracht werden, dass die notwendigen Wege
sich drastisch reduzieren. Statt wie jetzt mit dem Auto lange Strecken
durch die Stadt zurück zu legen bedarf es eine stadtplanerische Politik
der kurzen Wege: Kooperativen im nahen Umfeld sparen Wegstrecke und
können zu einer Entschleunigung beitragen.
2. Kostenlos und für alle: Leistungsfähiger und kostenfreier ÖPNV
Der Nahverkehr in den Städten soll eine uneingeschränkte und
barrierefreie Mobilität für alle darstellen. Dazu zählt für uns auch,
den Nahverkehr kostenfrei anzubieten um so eine wirklich sozial
verträgliches Mobilitätangebot zu eröffnen.
3. Großes Netz aus sicheren Fahrradstraßen und –wegen
Für viele stellen die schlechten oder unsicheren Radwege eine großes
Hindernis dar, ihre Alltagsmobilität mit dem Rad zu bewältigen. Viel zu
oft mangelt es sogar generell an Radwegen. Das Angebot an sicheren
Fahrradstraßen und –wegen muss daher ausgebaut werden um die
Fahrradmobilität zu einer sicheren Alternative zu machen.
Unsere Analyse, dass es für die Mobilität einer radikale Wende bedarf,
ist so klar wie unsere Bedingung, dass die Mobilitätswende unter dem
Zeichen der Klimagerechtigkeit gedacht werden muss. Zur konkreten aus
Ausgestaltung und der Verwirklichung der Mobilitätswende sind wir alle
eingeladen, uns mit unseren Ideen und Kreativität einzubringen.
<strong>#Befreite Gesellschaft:</strong>
Wir wollen vor allem in einer Gesellschaft leben, in der Menschen keine
Angst haben müssen. Keine Angst vor ökologischen Krisen, vor
Ausgrenzung, vor Diskriminierung und vor physischer, psychischer oder
struktureller Gewalt. Die befreite Gesellschaft ist vielmehr durch ein
solidarisches miteinander geprägt.
Statt wie in der aktuellen Debatte Freiheit und Sicherheit gegeneinander
auszuspielen bedarf es für die befreite Gesellschaft die Verknüpfung von
bedingungsloser Sicherheit mit bedingungsloser Freiheit. Über die
materielle Sicherheit hinaus wird jede*r auch in ihrer*seiner
Persönlichkeit und Identität akzeptiert. So können wir uns auf
gleichberechtigter Weise zu begegnen und gesellschaftliche Prozesse und
Konflikte miteinander aushandeln. Denn die Vision von einer befreiten
Gesellschaft ist insbesondere kein fertiges Produkt, vielmehr etwas,
woran wir alle zusammen mitgestallten wollen.
In diesem Sinne brauchen wir nicht nur eine umfassende Mobilitätswende
und den Kohleausstieg, sondern ein radikalen gesellschaftlichen Wandel.
Der Kapitalismus mit seinen Ausbeutungsmechanismen und seinem
Wachstumszwang muss genauso überwunden werden wie nationalistische,
rassistische oder sexistische Ausgrenzungen. Anders ist weder eine ernst
zu nehmende Bekämpfung der Klimakrise noch soziale Gerechtigkeit
weltweit möglich.
Unseren Willen, für eine klimagerechte Zukunft zu kämpfen, wird niemand
brechen!
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<strong>Wer über Polizeigewalt redet, darf zu struktureller Gewalt nicht
schweigen!</strong>
Die aktuell angestoßene Debatte um Polizeigewalt ist mehr als notwendig
und eine grundlegende Kritik an Polizei mehr als überfällig. Es ist uns
wichtig, diesen Vorfall zu thematisieren, aber nicht nur bei der
Betrachtung dieses einzelnen Vorfalls stehen zu bleiben.
Die Polizeigewalt, mit der versucht wurde, unseren legitimen Protest zu
bekämpfen, ist leider etwas immer Wiederkehrendes, aber schockiert uns
immer wieder aufs Neue. Wir sind betroffen und unterstützen die
betroffenen Menschen und sprechen ihnen viel Kraft zu.
Gleichzeitig wollen wir zwei Punkte betonen:
<strong>Kein Einzelfall…</strong>
Videos wie das von unserem Protest schockieren. Exemplarisch sehen wir
an solch einem Vorfall, wie die Polizei ihre Macht ausnutzt und Menschen
misshandelt. Statt der Gewalt Einhalt zu gebieten, lassen die
Polizist*innen sich gegenseitig gewähren. Ihr Fokus liegt nicht darin,
die Gewalt zu verhindern, sondern zu verhindern, dass Presse und
Zeug*innen die Gewalt sehen können.
Die Gewalt, die dokuentiert wurde ist aber kein Einzelfall, sondern die
schockierende Realität: Gerade marginalisierte Gruppen werden immer
wieder zum Objekt von Polizeigewalt. Sie leiden unter der strukturellen
Gewalt der Gesellschaft und im Speziellen unter der Machtausübung der
Polizei. Und mit Polizeigewalt ist nicht nur die physische Gewalt
gemeint, sondern jegliche von der Polizei ausgeübte Gewalt, die die
Würde und Integrität der Menschen berührt. Polizeigewalt ist sowohl
einseitig als auch zielgerichtet. Ihr Charakter ist gerade der, dass sie
immer in einem massiven strukturellen Ungleichgewicht stattfindet.
<strong>… sondern strukturelle Gewalt</strong>
Dass Polizeigewalt ein Teilaspekt von struktureller Gewalt ist, liegt in
der Aufgabe der Polizei verankert: Polizei ist das Herrschaftsinstrument
der Elite und zumeist weißen Mittelschicht, die sich gewaltvoll gegen
marginalisierte Bevölkerungsteile richtet. Da ihre Aufgabe nicht darin
besteht, die Verhältnisse zu hinterfragen, sondern das herrschende
System zu stützen und dafür mit enormer Macht ausgestattet wird, ist sie
Teil des Problems. Die Polizei setzt "Recht und Ordnung" durch. Doch
dieses zerstörerische kapitalistische System ist ganz und gar nicht in
Ordnung.
Die Debatte um Polizeigewalt ist ein Teil der Debatte, die wir führen
müssen. Über die Betrachtung solcher Fälle wollen wir unsern Blick auf
die Problematik von struktureller Gewalt richten. Das Problem ist die
strukturelle Gewalt, die dem System eingeschrieben ist. Die Polizei ist
ein Teil von vielen, an denen sich diese Gewalt manifestiert.
Die kapitalistische Ausbeutungslogik ist untrennbar verknüpft mit
struktureller Gewalt. Dieses gewaltvolle System, das auf der Ausbeutung
von Menschen und Natur beruht, steht einem guten Leben für alle im Wege.
Und das ist es, was wir ändern wollen und müssen: Um die
Klimakatastrophe zu verhindern und ein gutes Leben für alle zu gewinnen
fordern wir einen radikalen Systemwandel.
<strong>STRONG IN SOLIDARITY WE STAND!</strong>
Wir sind uns bewusst, dass wir es nicht mit singulären Problemstellungen
zu tun haben. Die Mobilitätswende ist nur ein Schritt von vielen hin zu
einer klimagerechten Zukunft, einer befreiten Gesellschaft und einem
guten Leben für alle.
Unsere Kämpfe sind alltäglich und so vielfältig wie unser Protest. Wir
kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen und mit den
verschiedensten Hintergründen. Uns eint nicht, wer wir sind oder wo wir
herkommen, sondern das, wofür wir stehen: Der Wunsch und der Wille, dass
es ein gutes Leben für alle Menschen geben kann. Dafür stehen wir
solidarisch Seite an Seite mit allen, die das zerstörerische
kapitalistische System und die strukturelle Gewalt nicht weiter
hinnehmen wollen.
<strong>Together for climate justice!</strong>
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