MUC: Zu den Protesten gegen Bagida am 12.1.15
Mehr als 20.000 Menschen demonstrierten am 12.1.2015 gegen die rassistische Veranstaltung Bagida in München. Antifas und zivilgesellschaftliche Gruppen gingen sehr entschlossen gegen den komplett abgegitterten Marsch und das gewalttätige Polizeiaufgebot vor. Mit 1500 Teilnehmenden war Bagida de facto der größte hiesige Naziaufmarsch seit 1997. Unter ihnen war auch Andre Eminger, einer der Hauptangeklagten im NSU-Prozess. Neben der Zusammenfassung der Ereignisse wollen wir eine kurze Analyse anreißen.
Zu den Gegenprotesten
An den Gegenprotesten beteiligten sich mehr als 20.000 Menschen aus unterschiedlichen politischen Spektren. Um 17:00 fand bereits eine Gegenkundgebung aus einem breiten bürgerlichen Bündnis am Sendlinger Tor statt, von der viele Menschen nach der Kundgebung an den Rand der Route kamen.
Die Polizei hatte die Route der Nazis komplett abgegittert, trotzdem gab es an mindestens drei Stellen Blockadeversuche, die nur aufgrund des massiven Polizeiaufgebots und dem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray verhindert wurden. Mehrere Personen schafften es zwischenzeitlich, die Gitter aufzureißen und auf die Route zu gelangen, woraufhin sofort Hundertschaften angerannt kamen und die Leute über die Gitter zurück prügelten.
Trotz der vielen USK-Truppen ließen sich die Gegendemonstrant_innen nicht einschüchtern und zeigten sich bei den Aktionen gegen Bagida entschlossen. Es flogen mehrmals Rauchtöpfe und Böller, auch bei ihrem Abgang wurden die Nazis mit verschiedensten Gegenständen beworfen.
Acht Gegendemonstrant_innen wurden während den Protesten brutal von den Bullen festgenommen und dabei verletzt. Dies zeigt uns mal wieder, wie stark Proteste gegen Nazis kriminalisiert werden und dass es deshalb umso notwendiger ist, sich solidarisch und entschlossen gegen Nazis zu stellen.
Am 12. Januar waren viele Menschen auf den Straßen, um gegen Bagida, Neonazis und Rassismus zu demonstrieren, und es wurde spektrenübergreifend und vielfältig protestiert, was im Angesicht von Bagida, Pegida und Co. eine absolute Notwendigkeit darstellt. Die bei den Protesten festgenommenen Personen sollen sich bei den Rechtshilfestrukturen der Roten Hilfe in München melden. Dort bekommt ihr die nötige Unterstützung!
Nach der erfolgreichen Blockade des weitaus kleineren Mügida-Marsches Montag letzter Woche, hatten sich die Veranstalter des Bagida-Marsches ihre für den 12. Januar geplante Route deutlich verkürzt: Aus einer etwa zweieinhalb Kilometer langen Route durch die Münchner Innenstadt wurde eine etwa 700 Meter lange Route vom Sendlinger-Tor-Platz über die Sonnenstraße zum Stachus. Dies dürfte auch aus taktischen Erwägungen von Polizei und Veranstalter_innen geschehen sein. Die Sonnenstraße ist eine der breitesten Straßen in der Münchner Innenstadt, durch mehrreihige Gitter und ein massives Polizeiaufgebot konnte die Polizei so den Marsch durchsetzen, was auf der ursprünglich geplanten Route nicht möglich gewesen wäre.
Die Münchner Polizei hat wieder einmal alles daran gesetzt, Nazis und Rassist_innen ihre Aufmärsche zu ermöglichen, neben dem massiven Polizeiaufgebot und Gittern auch durch Sperrung des innenstädtischen Trambahn und Autoverkehrs zur Rush Hour. Nächsten Montag plant Bagida vorraussichtlich eine Route vom Odeonsplatz aus über den Platz der Opfer des Nationalsozialismus, Briennerstraße, Maximiliansplatz, Sonnenstraße, Sendlinger Tor Platz, Oberanger, Rindermarkt zum Marienplatz. Ob sie diese Route genehmigt bekommen ist nach den Aktionen gestern allerdings fraglich. Sollte es dabei bleiben werden sich auch für die antifaschistischen und antirassistischen Gegenproteste größere Handlungsspielräume für Gegenaktionen und Blockaden bieten. Diese Chancen gilt es zu nutzen.
Zu Bagida
Im Gegensatz zu anderen Städten, in denen die Pegida-Bewegung Aktionen veranstaltet, hat Bagida in München nicht mal versucht sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben. An allen zentralen Positionen des Marschs waren Nazis, die als solche klar zu erkennen waren und die somit den Charakter der Veranstaltung klar und für alle erkenntlich prägten. Mit ungefähr 1500 Teilnehmenden war Bagida somit faktisch der größte Naziaufmarsch in München seit 1997.
Bereits im Vorfeld gelang es einer Gruppe von 70-80 Nazis, größtenteils Anhänger_innen des mittlerweile verbotenen Freien Netz Süd (FNS) einen kleinen Spontanaufmarsch durchzuführen. Angereist aus mehreren bayerischen Städten zogen sie durchs Bahnhofsviertel zu ihrem Auftaktkundgebungsort Dieses Viertel ist eines der am stärksten von Migrant_innen geprägten Teile der Stadt, das Skandieren von Parolen wie „Hier marschiert der nationale Widerstand!“ an diesem Ort war eine bewusst kalkulierter Provokation. Angeführt per Megaphon wurden die Nazis dabei von Karl-Heinz Statzberger, einem im Zuge der vereitelten Anschlagsplanungen auf das jüdische Gemeindezentrum 2003 verurteiltem Rechtsterroristen.
Der wohl pikanteste Teilnehmer dieser Melange aus Rechten aller Couleur auf dieser Versammlung war Andre Emminger. Er ist neben Beate Zschäpe oder Ralf Wohlleben einer der Hauptangeklagten im Münchner NSU-Prozess und kann getrost als unmittelbarer Unterstützer dieser größten terroristischen Naziorganisation seit Jahrzehnten bezeichnet werden. Bei Bagida wächst zusammen was zusammen gehört: Rechtspopulist_innen, AFDler_innen, Nazis, Hools und anderes Gschwerl demonstrieren gemeinsam mit NSUlern – die inhaltliche Klammer die alle verbindet ist ihr Rassismus!
Auf dem Aufmarsch versuchten die Organisator_innen erst gar nicht, ihren Schulterschluss mit bekannten Nazis zu verstecken. Das Frontransparent des Aufmarschs wurde von Renate Werlberger, einer langjährigen NPD-Funktionärin getragen. Oberbayerische Neonazis der Partei "Dritter Weg" und der "Hammerskins", unter anderem Philipp Hasselbach und Robin Siener liefen bei Bagida mit. Insgesamt dürften wohl mindestens 200 eindeutig als Nazis zu erkennende Personen bei Bagida mitgelaufen sein. Unter sie mischte sich auch noch eine größere Gruppe von Hools von 1860 München.
Aber auch Funktionäre der rechtspopulistischen Szene ging in dieser Gesellschaft das Herz auf. Inmitten der Nazis gesellte sich so zeitweise Thomas Fügner, Funktionär der AfD Oberbayern. Auch die lokale Szene rund um das rassistische Blog „Politically Incorrect“ und die Kleinstpartei die Freiheit waren wie zu erwarten war in zentraler Rolle beteilgt. Hatte der notorische Fußgängerzonen-Hetzer Michael Stürzenberger im Vorfeld noch öffentlich bekundet, keiner der Hauptorganisatoren von Bagida zu sein und nicht reden zu wollen, hielt er dann eine Rede auf dem Marsch mit teils eindeutigem Nazivokabular. Dass Stürzenberger und Konsorten alles versuchen würden, diesen Marsch für sich und ihre Anliegen zu benutzen war von Anfang an klar. Birgit Weissmann, Anmelderin von Bagida , hatte im Vorfeld versucht sich medial als einfache Bürgerin zu inszenieren. Antifaschist_innen hatten bereits an dieser Stelle auf ihre jahrelange Einbindung in die rechtspopulistische Szene und ihrer Kontakte bspw. zu Stürzenberger hingewiesen. Somit war es nicht verwunderlich, dass eben jene Szene auch zahlreich marschierte. Waren jene in der Vergangenheit noch bemüht, sich in ihrem Auftreten von der nationalsozialistischen Rechten zu distanzieren, wurde hier in aller Offenheit mit expliziten Nazis zusammengearbeitet.
Dass diese Mischung an Rechten und extrem Rechten ein großes Gefahrenpotential birgt und das auf ihrer selbstproklamierte „Friedfertigkeit“ ein Scheiß zu geben ist war ebenfalls klar. Rassistische und nationalistische Ressentiment haben immer und grundsätzlich die Tendenz in eine offen gewaltförmige Richtung zu kippen. So tragisch es ist, so wenig verwunderlich ist es, dass Nazis nach dem Marsch einen Angriff im Untergeschoss des Hauptbahnhofs begehen konnten: Trotz des sie begleitenden Polizeispaliers gelang es ca. 50 Faschos auszubrechen und auf Gegendemonstrant_innen einzuschlagen. In ihrem Wahn gingen sie auch auf mehrere Passant_innen los, die sich einfach nur zur Zeit im Gebäude aufhielten.
Die weiteren Aussichten
Die bundesweiten Pegida-Märsche sind nicht vom Himmel gefallen ist, sie gründen in rassistischen Ausschlüssen und Einstellungen, die die deutsche Gesellschaft prägen. Es ist gut, dass sich in München und an vielen anderen Orten große und breite gesellschaftlichen Bündnisse gegen Pegida und ihre Ableger stellen. Nichtsdestotrotz müssen sich mittelfristig die Proteste gegen Pegida auch gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse und den sie durchziehenden Rassismus richten. Es sind zum Teil dieselben Akteure die sich gegen Pegida äußern, gleichzeitig aber auch Verschärfungen des Asylrechts mittragen, wie weite Teile der SPD, aber auch Teile der Grünen. Solange es rassistische Ausschlüsse gibt, Refugees in Deutschland und Europa fundamentaler Rechte beraubt sind und die Festung Europa Tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, solange werden rassistische Mobilisierungen Erfolge feiern können. Es wird sich zeigen in wie fern es gelingen kann die Proteste gegen Pegida in Proteste für eine solidarische Gesellschaft, offene Grenzen und gegen den rassistischen status quo umzuwandeln.
Uns erschrecken die Ausmasse, die die Pegida-Märsche bundesweit angenommen haben, insbesondere aber die mehr als 25000 Pegidas letzten Montag in Dresden. Längst sollte klar sein, dass die Pegida-Bewegung kein Problem ist, dass Dresdner Antifa-Strukturen alleine betrifft. Die vielen Pegida-Ableger die sich bundesweit gebildet haben machen dies mehr als deutlich. Auch die Verhältnisse und Einstellungen, die die Pegida-Mobilisierungen tragen, sind keine exklusiv-Dresdner oder ostdeutsche Probleme. Den Dresdner Genoss_innen, die seit Monaten allmontäglich gegen Pegida auf die Straße gehen, gebührt unser tiefster Respekt und unsere Solidarität. Alle Antifa-Strukturen, die nicht durch eigene lokale Pegida-Aktionen gebunden sind, sollten sich überlegen, wie sie die antifaschistischen Gegenproteste, insbesondere in Dresden, unterstützen können.
Weitere Infos findet ihr auf der Mobilisierungsseite nobagida.blogsport.eu.
Alerta Antifascista!