Erfahrungsbericht: Proteste gegen Naziaufmarsch am 10.01.2015 in Berlin, Neu-Hohenschönhausen
Am Samstag, 10. Januar 2015, versammelten sich ca. 150 Nazis und rassistische Anwohner_innen in Neu-Hohenschönhausen zu einer angemeldeten Demo gegen ein kürzlich eingerichtetes Turnhallen-Lager für Geflüchtete im Bezirk. Sie knüpfen damit an die regelmäßigen und vermehrt stattfindenden Naziaufmärsche in verschiedenen Berliner Bezirken und an die rassistische Hetze gegen Geflüchtete an.
10.01.2015 / Berlin, Neu-Hohenschönhausen / Erfahrungsbericht
Wir schreiben diesen Bericht, um unsere Erfahrungen beim Protest gegen den Naziaufmarsch in Hohenschönhausen zu teilen. Damit wollen wir dazu beitragen, die rassistischen Zustände aus unserer Perspektive zu dokumentieren und die dringende Notwendigkeit, dazu Stellung zu beziehen und aktiv zu werden, deutlich machen.
Am Samstag, 10. Januar 2015, versammelten sich ca. 150 Nazis und rassistische Anwohner_innen in Neu-Hohenschönhausen zu einer angemeldeten Demo gegen ein kürzlich eingerichtetes Turnhallen-Lager für Geflüchtete im Bezirk. Sie knüpfen damit an die regelmäßigen und vermehrt stattfindenden Naziaufmärsche in verschiedenen Berliner Bezirken und an die rassistische Hetze gegen Geflüchtete an.
Zu Beginn des Naziaufmarsches sind wir in den Bezirk gekommen und als weiße Personen, die nicht offensichtlich als Gegendemo-Angehörige gekleidet waren, ungehindert von Polizei oder Nazis in den abgesperrten Bereich gelaufen. Innerhalb kürzester Zeit befanden wir uns auf der Nazi-Demoroute und liefen dem rassistischen Mob entgegen. In der Nazidemo liefen sowohl junge Familien mit Kleinkindern als auch Jugendliche und Erwachsene mit. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörte unsere Anwesenheit als weiße Spaziergänger_innen unmittelbar neben mehr als hundert Nazis zum rassistischen Normalzustand, in dem wir nicht weiter beachtet wurden.
Erst als wir Position bezogen und die Zwischenkundgebung, bei der Parolen wie 'Wir sind das Volk' und 'Nein zum Heim' gebrüllt wurden, mit Gegenrufen aus umittelbarer Nähe störten, lenkten wir die Aufmerksamkeit von Nazis und Polizei auf uns. Sofort kamen zwei Polizisten zu uns und versuchten uns dazu zu bringen, den abgesperrten Bereich zu verlassen, u.a. auch mit sexistischer Einschüchterung. Nachdem wir uns weigerten, wurde uns von einem Polizisten gesagt: „Verlassen Sie jetzt bitte zu Ihrer eigenen Sicherheit den Bereich, denn wir wissen auch nicht, was die da hinten [die Nazis] als nächstes machen.“ Kurz darauf wurden wir hinter die Absperrung geschoben.
Diese Aussage offenbart einmal mehr, dass Polizist_innen genau wissen, wie gefährlich der rassistische Nazimob ist, und dass sie sich nicht in der Lage sehen oder nicht gewollt sind, die Gewalt der Nazis zu verhindern. Der Staat hat seit Jahrzehnten versagt, die Bedrohung durch Nazis ernst zu nehmen und versagt auch jetzt, der rassistischen Gewalt etwas entgegenzusetzen.
Leider haben wir auch bei den antifaschistischen Gegenprotesten kaum mehr als 50 Leute getroffen. Die Nazis konnten aufgrund der wenigen Proteste und mit Unterstützung der Polizei ungehindert durch den Kiez marschieren, Hassparolen brüllen und Stimmung gegen Geflüchtete machen.
Diese Situation in Hohenschönhausen ist keine Ausnahme. Die aufgeheizte Stimmung ist bedrohlich und wir fragen uns was passiert, wenn die rechte Gewalt wieder eskaliert. Es kann nicht sein, dass die Nazis so ungehindert für ihre Sache Stimmung machen können! Antifa, kommt in die Randbezirke und stellt euch dem entgegen! Schließt euch den Protesten an und bezieht Stellung!
Am Dienstag, den 13.01.2015, soll wieder eine Nazidemo in Hohenschönhausen stattfinden. Bitte postet in Kommentaren und anderswo bestätigte Infos dazu!