Aufruf zur Nachttanzdemo | Reutlingen 19.04.2019

Reutlingen präsentiert sich gemeinhin gerne als Großstadt. Wirft man einen Blick auf die
Einwohnerzahlen ist sie das auch, jedoch scheint in vielerlei Hinsicht der Reiz, den eine große Stadt
ausmacht, zu fehlen. Vor allem die immer weiter schwindende Nachtkultur, nur wenig was Reutlingen
für junge und junggebliebene Menschen zu bieten hat und rein gar nichts, was es von anderen Städten
abgrenzt.

Aufruf zur Nachttanzdemo:

Reutlingen präsentiert sich gemeinhin gerne als Großstadt. Wirft man einen Blick auf die
Einwohnerzahlen ist sie das auch, jedoch scheint in vielerlei Hinsicht der Reiz, den eine große Stadt
ausmacht, zu fehlen. Vor allem die immer weiter schwindende Nachtkultur, nur wenig was Reutlingen
für junge und junggebliebene Menschen zu bieten hat und rein gar nichts, was es von anderen Städten
abgrenzt. Das erkannte auch die Stadt und wollte von den Bürger*Innen vor einiger Zeit in einer
Umfrage zur „Markenbildung“ wissen: „Was macht Reutlingen aus?“
-Zumindest auf die Mutschel hat man sich einigen können.-
Das Einzige, mit dem Reutlingen tatsächlich seinem Großstadtstatus gerecht wird, sind die seit Jahren
ansteigenden Mietpreise. Wie kann es sein, dass manche Menschen für eine kleine Wohnung in Vollzeit
arbeiten müssen, während andere allein mit Mieteinnahmen ein Vermögen einstreichen? Warum steht
Wohnraum leer, anstatt ihn bedürftigen Menschen zur Verfügung zu stellen? Das Spekulieren mit
Mieten und Grundstückspreisen ist in Reutlingen gängige Praxis, die im Extremfall sogar zur Folge hat,
dass Menschen auf der Straße landen. Im Stadtzentrum können kleinere, alternative Geschäfte, Cafés
und Kneipen die horrenden Mieten nicht mehr erwirtschaften; Übrig bleibt die kommerzialisierte
Massenabfertigung durch große Unternehmensketten.
Wir wollen kein Reutlingen voll grauer Bauten und denselben Logos, wie in jeder anderen Stadt! Wir
wollen eine bunte, lebendige, selbst gestaltete Stadt, die bewohnt und belebt ist!
Stattdessen gibt es nachts eine Sperrstunde und vom Amt für öffentliche Ordnung immer
schwerwiegendere Auflagen für Kneipen und Clubs. Darunter leiden vor allem junge Menschen, für die
es sowieso nicht leicht ist hier auf ihre Kosten zu kommen, geschweige denn selbst Angebote zu
schaffen (erschwert doch gerade ein sehr striktes Ordnungsamt jegliche Initiativen von Jugendkultur).
Sei es das jährliche KuRT-Festival, dass mit immer neuen Auflagen zu kämpfen hat oder der
regelmäßig aufflammende Streit um die Selbstverwaltung des autonomen Jugendzentrums
„Kulturschock Zelle e.V.“. Es fehlen Möglichkeiten ohne Konsumzwang in der Innenstadt
zusammenzukommen, Kneipen und Anwohner*innen dürfen nachts keine Stühle mehr raus stellen und
die öffentlichen Plätze und Parkanlagen locken ebenfalls nicht. Die Pomologie und der Volkspark sind
ab 23 Uhr Sperrgebiet und Orte wie der Bürgerpark (ist ein Park nicht eigentlich grün?), die vor
übermäßigem Polizeiaufgebot geradezu strotzen, laden auch nicht gerade zum abendlichen Verweilen
ein. Das Auftreten der Reutlinger Polizei steht dem des Ordnungsamtes dabei in keinster Weise nach.
Die Polizei definiert beispielsweise selbst sogenannte „milieuspezifische Orte“ und führt in diesen
jederzeit ohne klaren Grund Kontrollen durch. Nahezu die gesamte Innenstadt, sowie die Gegend um
die Zelle sind davon betroffen. In Hamburg wurden vergleichbare, sog. „Gefahrengebiete“, vom
Verwaltungsgericht als verfassungswidrig eingestuft, in Reutlingen sind sie gang und gäbe.
Mitverantwortlich für die Geisterstadt der Reutlingen nachts gleicht, ist u.A. die 2012 gegründete
„Bürgerinitiative Nachtruhe“, bestehend aus Anwohnern der Innenstadt. Sie macht vor allem gegen
lärmende Menschen aus Kneipen und Gaststätten, und den starken Auto- und Parkverkehr mobil. Vor
drei Jahren wandten sich die Bewohner*Innen sogar mit einer Fachaufsichtsbeschwerde an dasTübinger Regierungspräsidium. Dass auf Reutlingens Straßen zu viel Verkehr unterwegs ist stimmt, doch das Durchsetzen der
Nachtruhe durch Verbote (vor allem auf Kosten der jungen Leute), mehr Polizei und Kontrollen ist der
falsche Weg. In einer Stadt wie Reutlingen leben verschiedenste Menschen zusammen und dazu
gehören selbstverständlich Kompromisse, Absprachen und Rücksichtnahme. Hierbei geht es jedoch um
die Wahrung aller Interessen. Wir setzen uns daher ein für Alternativen, für einen ehrlichen Austausch
untereinander und eine Selbstgestaltung der Stadt! Zum Beispiel die Schaffung von Stadtteilzentren als
Orte des Zusammenkommens und Aufhaltens ohne Konsumzwang und als Orte des Austausches und
der Kommunikation. Statt Verdrängung, Konkurrenz und Sperrstunde wünschen wir uns eine
solidarische, lebendige und bunte Stadt für alle Menschen. Wir fordern die Möglichkeit zur
gemeinsamen Gestaltung unserer Stadt unabhängig der Interessen von Investoren und Spekulanten.
Ein gemeinsamer Austausch aller Bürger*Innen über die Stadt. Ein solidarisches Gegenkonzept zu
Verdrängung und Kommerzialisierung, zu Ordnungswahn und Verboten. Für eine selbst gestaltete und
dadurch lebendige und bunte Stadt.
Am Karfreitag, den 19.4.2019 wollen wir uns deshalb am Hauptbahnhof treffen und gemeinsam die
Stadt zur Tanzfläche machen. Die Landesregierung hat nicht das Recht uns durch veraltete Gesetze
das Tanzen zu verbieten, denn Religion ist und bleibt Privatsache!
Wir fragen: „Wem gehört die Stadt?“ Den Investoren, Spekulanten, Wohlhabenden, Ruheliebhabern
und Law&Order-Fans? Oder uns? Dem lebendigen, bunten, jungen und junggebliebenen Teil der Stadt!
Wir fordern eine Stadt für ALLE. Eine Stadt, die wir gestalten. Die Stadt denen die drin wohnen! In
Feierlaune wollen wir ein Zeichen setzen gegen Verdrängung, Verbote und Kommerzialisierung, gegen
ein einfaches „weiter so“ und für Jugend, Kultur und ein solidarisches und selbstbestimmtes Miteinander
in Reutlingen und anderswo! Für eine Stadt in der jede*r ideal leben kann unabhängig seiner
finanziellen Situation, Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung. Damit werden
wir auch klarmachen, dass Reutlingen kein Ort ist für rechte Hetzer*innen, Rassist*innen und
Sexist*innen. Wir schaffen eine Stadt in der jede*r sein Leben führen kann ohne Angst vor Gewalt,
Beleidigungen oder Diskriminierung haben zu müssen. Kommt zahlreich, kommt gut gelaunt. Wir holen
uns die Stadt zurück! Reclaim your city! Für ein Recht auf Lärm! Die Stadt gehört uns!

Nachttanzdemo
Hauptbahnhof Reutlingen Freitag der 19.04.2019 19:00Uhr

Veranstalter*innen: Kulturschock Zelle und ROSA (Reutlingen for Organisation, Solidarity and Actions)

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