Eindrücke aus Athen/Griechenland
Wir waren vor kurzem in Athen und haben dort mit einigen Genoss_innen zum Thema Repression gesprochen. Die Gespräche beeindruckten uns, hinsichtlich der in Deutschland eher marginalisierten Konfrontation mit dem Staat und unserem eher zurückhaltenden Umgang, wenn es um Prozesse und Solidarität geht. Wir würden gerne einige unsere Eindrücke schildern und somit zur Diskussion in unseren Strukturen anregen. Natürlich sehen wir diesen Text - oder auch die Gespräche vor Ort - nicht als abgeschlossen an, da wir vielmehr in Austausch kommen müssen um Unterschiede/Gemeinsamkeiten zu verstehen und Handlungsoptionen für uns daraus zu entwickeln. Drei Punkte würden wir also zunächst rausarbeiten:
Ein bekannter Treffpunkt
In Athen konnten wir feststellen, dass sich „alle“ - also Menschen aus verschiedensten Spektren - bei tagesaktuellen Ereignissen, wie z.B. dass gerade ein Gefangener in Hungerstreik ist, am Abend im Polytechnio versammeln um über Möglichkeiten der Reaktion zu sprechen. Dies bietet vielen die Möglichkeiten aus der Vereinzelung auszutreten, ihre Wut und Ideen zu teilen und sich mit mehreren Menschen für weitere Sachen zu organisieren.
Wir würden es begrüßen, wenn auch wir in unseren Städten einen offenen Konsens darüber herstellen, wo wir zusammen kommen, wenn der Staat mal wieder zuschlägt. Wenn es beispielsweise eine Klarheit darüber gäbe, dass im Falle der nächsten Hausdurchsuchung noch am selben Abend eine Versammlung dazu im AJZ stattfinden wird. Menschen müssten keine Zeit verstreichen lassen um erst für in ner Woche irgendwo hin zu mobilisieren. Eine schnellere Organisierung wäre so möglich. Der Moment der Wut könnte sich entladen und würde nicht wie so oft verpuffen. Jaaa, natürlich können auch einschlägige Schnüffelorgane an solchen Treffen partizipieren, daher sollten wir auch gut abschätzen, welche Aktionsformen wir dort planen. Dennoch empfinden wir es besser aus der Vereinzelung einzelner wenn überhaupt bestehender Bezugsgruppen rauszukommen und sich für solche Fälle zusammenzurotten. Vielleicht schaffen auch solche Treffen ein Zusammenkommen verschiedenster Menschen und eine Anschlussfähigkeit für „weniger“ organisierte. Klandestin mobilisierte Verabredungen halten wir auch weiterhin für sinnvoll, aber eher als ergänzender Handlungsspielraum.
Prozesserklärung
Von unterschiedlichsten Genoss_innen konnten wir erfahren, dass es ziemlich normal ist, als angeklagte Person eine politische Erklärung abzugeben. Diese politische Erklärung kann unterschiedlich aussehen. Manche Aktivist_innen geben nur ihre persönliche politische Gesinnung preis und manche erklären sich außerdem zusätzlich zur Sache. Auch wir würden es sehr begrüßen, wenn wir uns daran orientieren. Denn hierzulande ist das Schweigen zwar Standard (obwohl wir auch hier einen bedeutenden und gleichzeitig gefährlichen Wandel sehen, wenn wir die Einlassungen vor Gericht in der letzten Zeit betrachten...) aber ein politisches Statement würde sowohl direkt Betroffene als auch unsere Bewegung stärken. Viele setzten Aussageverweigerung mit Schweigen gleich, wir sehen dies anders. Na logo sollen Leute zum Sachverhalt möglichst schweigen, aber ich kann auch sagen, dass ich z.B. Antifaschist_in bin und es deswegen gut finde wenn Menschen es nicht tolerieren, wenn Nazis ihre Hasspropaganda auf unsere Straßen tragen. Zum Sachverhalt des Landfriedensbruchs etc. habe ich mich somit nicht geäußert und wenn die Aktenlage eh schon gegen eine_n steht, na dann „hab ich mich wohl auf die Straße gesetzt um die Nazis zu blockieren und das ist gut und richtig!“ Jaaa ein Einwand wird sein, dass die Schweine nix über mich wissen und ich denen Dinge preisgebe und auch hier würden wir fragen, denkst du das wirklich? Vielleicht kann hier immer nochmal abgewogen werden. Denn wenn man eh schon nen paar Mal, mal am Beispiel von eben anknüpfend, bei mehren Antifademos gesehen und kontrolliert wurde, wird wohl auch der dümmste Bullen wissen auf welcher Seite du stehst. Auch kann deine politische Gesinnung auf all deinen Social Media-Kanäle nachvollzogen werden. Wir denken, dass politische Stellungnahmen uns einen Moment von Selbststärke in diesem abscheulichen Gerichtssaal geben und uns alle stärken wird! Auch wird es Verbündete nochmal mehr ermutigen, wenn die Angeklagten sich positionieren und das Gefühl von Füße stillhalten durchbrochen wird.
Anwält_innen als Hilfsmittel aber nicht als Anleiter_in
Außerdem scheint es nach Aussagen der Genoss_innen in Athen so zu sein, dass die Anwält_innen zuerst die betroffene Person nach ihrer Prozessstrategie fragen, bevor sie als Expert_innen sich überlegen wie die Verteidigung aussehen kann. Den Aktivist_innen wird also seitens der Anwält_innen eine eigene Beurteilung der Lage zugetraut und das politische Moment fällt nicht hinter Verteidigungsstrategien runter. Wir bewundern es sehr, dass hier die Genoss_innen und deren Umfeld die Verantwortung dafür übernehmen und sich vor allem selbst vertrauen. In Deutschland scheint das genau anders herum zu sein, das meiste Vertrauen genießen die Anwält_innen, wenn es um Prozesse geht, sogar dann, wenn das Umfeld andere Strategien plausibel bevorzugen würde. Wir würden dafür plädieren, sich bewusster zu werden, was man aus einem Prozess rausholen kann und möchte und nicht immer nur darauf vertraut, was rechtliche Expert_innen einem raten. Denn auch linke Anwälte streben leider seltenst einen offensiv politisch geführten Prozess an. Wir sollten uns bewusster werden, dass auch wir vor Gericht unsere Ideen verteidigen sollten.
Okay, na dann hoffen wir mal auf eine Diskussion.
Offensive Anti-Repression organisieren.
Treffen wird es wenige - gemeint sind wir ALLE!