[Acteal] Pressemitteilung der Abejas vom 06.03.2019

Abstract: 
Am 06.03.2019 lud die zivilgesellschaftliche Organisation der Abejas von Acteal im südmexikanischen Chiapas zu einer Pressekonferenz ein. Sie forderten Wahrheit und Gerechtigkeit für die Überlebenden und Opfer des Massakers vom 22.12.1997, bei dem 45 Mitglieder der indigenen Gemeinde brutal von Paramilitärs ermordert wurden. Die Abejas von Acteal wurden 1997 zur Zielscheibe eines staatlich veranlassten paramilitärischen Angriffs, da sie sich für die Autonomie und Rechte indigener Gemeinden einsetzen. Erneut verurteilten die Betroffenen, vor Verteter*innen nationaler und internationaler Presse, die staatliche Verantwortung für die Verbrechen an ihren Eltern, Geschwistern, Kindern und Lebenspartner*innen sowie die anhaltende Straflosigkeit und den konstanten psychologischen Terror seit der Tat.

Das Blut unserer Väter und Mütter hat keinen Preis

Am 06.03.2019 lud die zivilgesellschaftliche Organisation der Abejas von Acteal im südmexikanischen Chiapas zu einer Pressekonferenz ein. Sie forderten Wahrheit und Gerechtigkeit für die Überlebenden und Opfer des Massakers vom 22.12.1997, bei dem 45 Mitglieder der indigenen Gemeinde brutal von Paramilitärs ermordert wurden. Die Abejas von Acteal wurden 1997 zur Zielscheibe eines staatlich veranlassten paramilitärischen Angriffs, da sie sich für die Autonomie und Rechte indigener Gemeinden einsetzen. Erneut verurteilten die Betroffenen, vor Verteter*innen nationaler und internationaler Presse, die staatliche Verantwortung für die Verbrechen an ihren Eltern, Geschwistern, Kindern und Lebenspartner*innen sowie die anhaltende Straflosigkeit und den konstanten psychologischen Terror seit der Tat.

Quelle: http://acteal.blogspot.com/2019/03/una-solucion-amistosa-no-revive.html (zuletzt abgerufen am 06.03.2019)

An die Interamerikanische Menschenrechtskommission
An den Nationalen Indigenen Kongress
An den Indigenen Regierungsrat
An alle Menschenrechtsverteidiger*innen
An alle freien und alternativen Medien
An alle nationalen und internationalen Medien
An die nationale und internationale Zivilgesellschaft

Schwestern und Brüder:

Wir als Überlebende des Massakers von Acteal und Mitglieder der zivilgesellschaftlichen Organisation der „Abejas de Acteal“ haben beschlossen, heute eine Pressekonferenz abzuhalten. Wir möchten unsere Position bezüglich der Straflosigkeit, die im Fall des an uns begangenen Massakers vorherrscht, bekannt machen. Unser Anliegen haben wir bereits gegenüber der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) deutlich gemacht.

Die Absicht der heutigen Konferenz besteht darin, die Interamerikanische Komission für Menschenrechte daran zu erinnern, das Verfahren zum Massaker von Acteal fortzusetzen, da wir das vom mexikanischen Staat vorgeschlagene Angebot einer „freundschaftlichen Einigung“ bereits am 20. Oktober 2015 abgelehnt haben.

Angesichts der Tatsache, dass der mexikanische Staat seine Verantwortung am Massaker in Acteal, einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nicht anerkennt, bekräftigen wir am heutigen Tag erneut unseren Standpunkt: Eine „freundschaftliche Lösung“ lässt unsere Toten nicht wieder auferstehen. Weder stillt sie unseren Schmerz, trocknet sie unsere Tränen, noch kann sie das in Acteal vergossene Blut vertuschen. Geschweige denn bietet diese „Lösung“ eine Garantie dafür, dass ein solches Verbrechen sich nicht wiederholen wird. Der mexikanische Staat muss für dieses schreckliche Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden.

Wir trauen den Beteuerungen nicht, dass die neue mexikanische Regierung eine „Regierung der Armen“ sein wird. Wir werden uns diesbezüglich keinen Illusionen hingeben. Wir wissen, dass wahre Gerechtigkeit nicht von dort oben kommen wird. Aus diesem Grund stellen wir heute klar, dass die Überlebenden des Acteal-Massakers niemals den Dialog mit der aktuellen Regierung suchen werden. Aus unserer Erinnerung ziehen wir die Kraft, um uns zu organisieren und weiterhin gegen die Vernichtung indigener Gemeinden Widerstand zu leisten. Die Erinnerung und die Würde unserer Märtyrer*innen geben uns eine klare Position vor: Solange unsere Stimme nicht gehört wird und die mexikanische Regierung ihre Beteiligung am Massaker nicht anerkennt, werden wir nicht mit ihr verhandeln. Denn wir kennen die Wahrheit und wir haben sie in diesen langen Jahren der Straflosigkeit verteidigt. Wir sehen keinen Wandel, sondern wir sehen die Kontinuität der Zerstörung und der Enteignung durch die Realisierung wirtschaftlicher Projekte.

Wir bekräftigen, dass das Blut unserer Mütter, Väter, Söhne und Schwestern keinen Preis hat.

Auf die Empfehlung, die Überlebenden zu entschädigen, welche aus dem Hintergrundbericht des CIDH hervorgegangen ist, gab es bis heute keine Reaktion seitens der mexikanischen Regierung.
ES REICHT! Wir möchten, dass die Straffreiheit im Falle des Acteal-Massakers endet. Die Überlebenden und unsere Organisation erleben eine konstante psychische Folter und die Zermürbung des sozialen Gefüges unserer Gemeinschaften, was zu Spaltungen innerhalb unserer Organisation geführt hat. Der mexikanische Staat hat die Täter und Drahtzieher des Massakers nicht bestraft, sondern sie freigelassen und belohnt, sowie auch der sogenannte Oberste Gerichtshof der Nation die geständigen Paramilitärs unbestraft ließ. Begründet wurde die Straflosigkeit der Täter mit Verfahrensfehlern zu Beginn der Ermittlungen. Hieran lässt sich erkennen, dass der Prozess niemals darauf abzielte, die Täter zu bestrafen.

Acht Jahre, vier Monate und fünf Tage, nachdem die CIDH den Fall angenommen hat (siehe Bericht Nr. 146/10 vom 1. November 2010), gehen wir davon aus, dass wir anhand jedes einzelnen und der Summe der von uns angeführten Beweise, zweifellos belegen können, dass der mexikanische Staat Verantwortung für das Acteal-Massaker trägt und dieser Verantwortung durch ein Schuldbekenntnis und die Entschädigung der Opfer nachkommen muss.  
Deshalb fordern wir von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission:

1) Die sofortige Veröffentlichung des Hintergrundberichts (Fall 12.790, Manuel Sántiz Culebra und Andere - Acteal Massaker), um die Straflosigkeit aufzuheben und die Zermürbung der Überlebenden und ihrer Familien einzudämmen.

2) Die Anerkennung der von uns vorgelegten Beweise,  die die Existenz der in Chiapas implementierten Strategie zur Aufstandsbekämpfung ( Kampagne Chiapas 94) belegen, in deren Zuge zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen werden.

3) Wir bitten die nationale und internationale Zivilgesellschaft, die uns bei der Suche nach Lekil Chapanel (wahre Gerechtigkeit) und Solidarität begleitet hat, unseren Kampf um die historische Wahrheit nicht zu vergessen und mit uns weiterzumachen. Solange bis wir die wahre Gerechtigkeit gefunden haben, die unsere Herzen heilt und unseren Kampf und Widerstand stärkt.

4) Schwestern und Brüder, wir fühlen uns dem Lekil Chapanel verpflichtet. Dies gilt nicht nur im Fall des Acteal-Massakers, sondern auch für alle anderen, die Opfer des korrupten und kriminellen Regierungssystems in Mexiko sind.

Von der Gedenkstätte und dem Haus der Erinnerung und Hoffnung Acteals aus, rufen wir heute erneut zum Kampf gegen die Straflosigkeit und für Gerechtigkeit und Wahrheit auf, so dass alle Verantwortlichen des Massakers von Acteal ermittelt und bestraft werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Die Stimme der zivilgesellschaftlichen Organisation der „Abejas de Acteal“.

 

Caracol en resistencia
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen