Ein Grußwort der Autonomen Stadtverwaltung

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Ein Grußwort der Autonomen Stadtverwaltung

 

Seit der Besetzung der alten JVA in Göttingen ist ein wenig Zeit verstrichen in der viel passiert ist: in Göttingen, aber auch an widerständigen Orten! Wir wollen einen Blick zurück zur Besetzung im Oktober werfen; reflektieren, was seit dem passiert ist; und einen kämpferischen Ausblick auf das Kommende wagen!

 

Am Straßenfest bei der Alten JVA in der Oberen-Masch Straße wurden die Türen geöffnet und blieben es auch. Es war für all die Menschen, denen jahrelang verborgen blieb, was sich hinter den hohen Mauern befand; den Menschen, die sich schon viele Ideen zu einem Sozialen Zentrum gemacht hatten und den Menschen, die bisher nur vorbeigelaufen waren. In der kurzen Woche, in der die ehemalige JVA uns allen gehörte, wurde plötzlich spürbar, wie einfach es ist, Dinge anzugehen, wenn wir sie zusammen anpacken. Aber auch, wie wir gemeinsam die Herausforderungen und Hürden angehen konnten. Wir können gar nicht beschreiben, wie ermächtigend und schlicht hin schön es war, zusammen das Straßenfest zu feiern, tagsüber und abends den Platz vor der JVA mit gemütlichen Lagerfeuern zu unserem Ort zu machen; sich schließlich am Ende der Räumung irgendwie für eine kurze Zeit unregierbar zu fühlen. Und wie dankbar wir sind, dass während der Räumung den ganzen Tag lang so viele Menschen da waren – das war mehr als Support: Das war ein gemeinsamer Kampf. Wir wollen uns hier auch gar nicht dazu herablassen, auf die absurde Darstellung der Geschehnisse Broistedts und der Bullen, vom "deeskalierenden Einsatzkonzept" bis hin zu "Professionalität" und "Besonnenheit", zu antworten. Wir können und werden unseren eigenen Weg gehen, unabhängig von den herumdrucksenden, schwafelnden Schönredlereien der Stadt.

 

Bei all der kapitalistischen Zerstörung, die uns umgibt, fällt es uns manchmal schwer, Siege zu feiern und diese überhaupt zu sehen. Die Besetzung mit dem überwältigenden Support, den vielen motivierten Menschen und sogar ihre Räumung, wo wir den Cops mehr als einmal auf der Nase herumgetanzt sind, war ein Sieg unserer gesamten linken Bewegung!

 

Dabei wollen wir ein paar der vielen schönen und ermutigende Momente mit euch teilen:

 

An einem Morgen wurde uns von einer Person ein sehr leckerer Kuchen vorbeigebracht, wo wir alle schmunzeln mussten, weil dort eine Nagelfeile mit eingebacken war. Am Tag der Räumung gab es viel Widerstand vor der JVA, sowohl als die Cops versucht haben, ins Gebäude zu kommen, als auch bei der Eskalation bei dem Versuch die Mauer zu räumen. Die Menschen auf der Mauer haben dort den ganzen Tag ausgeharrt und konnten am Ende nicht geräumt werden, auch weil die Feuerwehr nicht mithelfen wollte und es viel Support von den Menschen vor der JVA gab. Und hier ein kleiner Ohrwurm, der von diesem Tag hängen geblieben ist ;)

 

„Auf der Mauer, auf der Lauer sitzen kleine Zecken.

 

Auf der Mauer, auf der Lauer sitzen kleine Zecken.

 

Schaut euch nur die Zecke an, wie gut sie nur besetzen kann.

 

Auf der Mauer, auf der Lauer sitzen kleine Zecken.“

 

Nachdem die Menschen mit Leitern von der Mauer gekommen sind, war ein kurzer Moment von Ernüchterung in der Luft - durch den Abfall der Anspannung der letzten ereignisreichen Tage, die bis in den Abend anhaltende Räumung und die Trauer diesen Ort verloren zu haben. Dann gab es einen erneuten Bannerdrop aus den oberen Fenstern der JVA mit den Aufschriften „Wir sind immer noch da“ und „Wir kämpfen weiter“. Zwei der Aktivist*innen hatten sich im Dachboden versteckt und wurden während der Räumung nicht gefunden. Es war wundervoll zu sehen, wie resigniert und die genervt die Cops waren, die ganze JVA nochmal durchsuchen und räumen zu müssen und auch die Skepsis und Unsicherheit zu bemerken, was dies bei ihnen ausgelöst hat. Am schönsten war es aber die riesige Freude der Menschen vor der JVA zu sehen!

 

 

Für den sozialen Wandel, von dem wir träumen und für die Stadt, die wir uns wünschen, braucht es radikale Aktionen und intersektionale, radikale Politik. Daher braucht es Leute mit Ausdauer. Wir hatten keinen Bock einen Tag lang auf einer Gefängnismauer zu sitzen, um uns räumen zu lassen. Doch die Ausdauer haben wir uns abgeschaut von der Initiative Soziales Zentrum: Ihre Bereitschaft in den Konflikt mit der Stadt zu gehen, können wir nur bewundern. Es braucht diese Menschen, ihre ganz konkreten kreativen Ideen von einer sozialen Umgestaltung der Stadt, und ihre Vernetzung ganz verschiedener Gruppen und Einzelpersonen, mit dem Herz an der richtigen Stelle. Mit der Besetzung ist ein neuer Wind im Kampf gegen die Gentrifizierung im Waageplatz-Viertel aufgekommen. Außerdem hoffen wir, dass die Besetzung nicht den ein oder andere Stein in den Weg dorthin gelegt hat, sondern die Deutlichkeit spürbar geworden ist, dass die Ziele der SZ–Initiative keine utopischen, fern von den Wünschen der Menschen im Viertel sind. Stattdessen wurde gezeigt, dass wir alle als Teil unserer Stadt hinter der Initiative Soziales Zentrum stehen. Wenn wir so wie bereits geschehen, anfangen gemeinsam die Dinge selbst in die Hand zu nehmen – wenn die Funken der Kreativität und der Gemeinschaft überschlagen und wir radikale Kämpfe mit den Wünschen und Bedürfnissen, sowie der politischen Arbeit, die fest in Kiezen und Nachbarschaften verwurzelt sind, verbinden – wenn unsere Solidaritätsbekundungen zu solidarischen Aktionen werden, dann wird es endlich das Soziale Zentrum in der JVA geben!

 

 

In den nächsten Jahren kommt da einiges an Großprojekten auf uns zu. Der Neubau am Weender Tor von den neoliberalen Schweinen der Hanseatic Group, mit Beteiligung der in städtischer Hand liegenden Göttinger Sparkasse ist eins davon. So sollen dort 12 000 Quadratmeter unnötige Bürofläche erschlossen werden, obwohl fast nebenan im Carré riesige Geschossflächen leerstehen. Genauso will die Hanseatic Group in der Weender Straße die Gentrifizierung weiter vorantreiben, dort wird durch weitere Büroflächen noch mehr Platz für teure Geschäfte geschaffen, die eh keins braucht. Und das sind nur einige der öffentlich bekannten Projekte. Wir haben ja jetzt gesehen, wie viel auch im Hinterzimmer und unter der Hand verhandelt und gemacht wird und der Öffentlichkeit daher nicht bekannt ist.

 

Es müssen mehr bezahlbare, zentrale Wohnräume und selbstverwaltete Orte entstehen! Denn es ist leicht zu vergessen, dass ein erheblicher Teil der Wohnungen in Göttingen schon lange einer kleinen Handvoll reicher Säcke gehört und dass die Stadtpolitik schon seit Jahrzehnten von absurden Großprojekten und durchtriebenem Lobbyismus geprägt ist.

 

Dem werden wir uns in den Weg stellen. Dass wir das können, haben wir gezeigt!

 

 

Und wie ist eigentlich der aktuelle Stand bei der JVA?

Im Winter nach der Besetzung wurde der Rückzug von TrafoHub bekannt, mit der Begründung, dass „äußere Faktoren es unkalkulierbar gemacht haben [...] auch der Gegenwind, wie etwa die Besetzung des Gebäudes“ und es wurden Gespräche zwischen dem Sozialen Zentrum und der Stadt geführt. Dass wir dem nicht trauen können und wir weiter wachsam sein müssen, hat uns die unerfreuliche Nachricht vor kurzem gezeigt: Ein neuer Investor wurde vorgestellt. Ein Arzt mit einem ähnlichen Konzept zum Sozialen Zentrum nur mit einer großen Portion Privatisierung und Kapitalismus; allerdings ist auch der wieder abgesprungen. Wir vermuten, dass die Stadt und allem voran die Broistedt weiterhin versuchen wird, das Soziale Zentrum zu verhindern und Investoren aus dem Hut zaubern wird, anstatt einfach der Initiativen diesen Raum zu geben. Eine neue Entscheidung im Bauausschuss lässt leider genau das vermuten. Geld und Bekanntschaften scheinen da wichtiger, als die Bedürfnisse der Menschen aus dem Viertel. Wer hat da das fragwürdige Demokratieverständnis?

 

 

Seit einiger Zeit sind auch die ersten gelben Briefe eingetrudelt und natürlich scheut auch hier die Stadt Göttingen nicht die beteiligten Menschen mit Repressionen zu überschütten. Wir sind dabei über die lieben, solidarischen und hilfsbereiten Menschen sehr dankbar! Euch laden wir herzlich ein zu den tollen Solipartys zu kommen und die Prozesse lautstark zu begleiten. Unsere eigene Rolle, als autonome Stadtverwaltung, sehen wir weiterhin in dieser Solidarität. Das heißt für uns: in der Unterstützung der Initiative Soziales Zentrum und insgesamt in dem intersektionalen Kampf gegen die ekelhafte kapitalistische Politik Broistedts, gegen den Ausverkauf der Stadt, gegen die Gentrifizierung. Der Kampf geht weiter!

 

 

Eure utonome Stadtverwaltung

 

 

 

P.s: Lasst uns gemeinsam weiterkämpfen, sodass an vielen Orten „autonome Stadtverwaltungen“ entstehen. In vielen Orten wird gegen die Gentrifizierung und den Leerstand gekämpft, ein Blick auf die German Property Group ist da vielversprechend ;) Wir freuen uns, wenn unter dem Namen der Autonomen Stadtverwaltung noch ganz viel passieren wird!

 

 

 

 

 

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