Antifa 1 – „das Volk“ 0? - Blockadeaktion gegen „Rhein-Main steht auf“ und Bürgerinitiative Franken [AB]
Seit Jahren hat sich Aschaffenburg zu einer Pilgerstädte für reaktionäre Verschwörungstheoretiker, Hippies und andere verwirrte Boomer entwickelt, auch alte Neonazi-Kader (z.B. NPD) treibt es hier wieder auf die Straße. Das liegt wohl zum einen daran, dass es kaum antifaschistischen Gegenwind gab und den Demos im Vergleich auch ziemlich viel durchgehen gelassen wird. Sie fühlten sich bislang ziemlich wohl hier. Ob das so bleibt, liegt in unserer Hand.
Am 29.5. machte ich mich deshalb nicht mit besonders viel Hoffnung auf den Weg, um mich – trotz Bedenken – einer Gegenkundgebung (bei bestem, prallen Sonnenschein) anzuschließen. Diese sollte einen Gegenpol zur geplanten Demonstration von „Rhein-Main steht auf“/Bürgerinitiative Franken unter dem Motto „Grüner Wahnsinn – ohne mich“ darstellen. Dort das übliche rumstehen, weshalb ich mich zu einer kleinen Runde durch die Stadt entschloss. Der Schlossplatz war ziemlich voll, als ich dort ankam krakelte Gerade Ramona Storm von der AfD herum, was heftig beklatscht wurde. Schon allein beim Umrunden des Platzes fielen mir mehrere Grüppchen auf, die dem klassischen Bild der „Freien Nationalisten“ und Nazi-Hooligans entsprachen und sich demnach herausgeputzt und eingekleidet hatten.
Zurück bei der Gegenkundgebung war der Anblick ernüchternd. Ich schätze 50 Antifas (später höre ich Schätzungen die von 140 ausgehen, das Main-Echo schreibt von 100). Die Stimmung eher wenig kämpferisch, gerade auch wegen der bedenklichen Unterzahl (auf dem Schlossplatz hatten sich zu dem Zeitpunkt bereits über 1000 Teilnehmer versammelt). Kurze Absprachen, wenig Schwung in der Sache. Kurz darauf konnten wir dann Spitze der riesigen Demo sehen. Eine Hand voll Polizisten bauten sich vor unserer Kundgebung auf, um „die beiden Lager zu trennen“, wie es so schön heißt. Das gefiel wohl ein paar Antifaschisten nicht, die einfach auf der Straße stehen blieben. Erst nach Aufforderung setzte sich auch der Großteil der Kundgebung in Bewegung (Richtung DM), durchfloss die Polizeisperre und setzte sich auf die Straße. Zu diesem Zeitpunkt filmten schon alle möglichen Passanten und peinliche Rechts-Boomer, was zu den ersten körperlichen Auseinandersetzungen führte.
Nun, vermutlich auch durch den direkten Kontakt mit dem Gegner angespornt, legten viele der Antifaschisten eine Entschlossenheit an den Tag, die man sonst nicht gewohnt ist. Hier und da kam es zu Rangeleien und Schubsen, die Polizei hoffnungslos überfordert und mit viel zu wenig Kräften vor Ort daraufhin versuchte die Demo auf der anderen Seite der Herstallturms entlangzulaufen. Die Blockade wurde daraufhin auf die andere Straßenseite verlegt. Leider waren wir zu wenige und auch zu unkoordiniert, um beide Seiten zu blockieren. Es kam wie es kommen musste: Wir mussten zurück auf die andere Seite. Hier kam es auch zu einigen gefährlichen Situationen, als allein-stehende Antifas plötzlich von wütenden Hippies und anderen Schwachköpfen bedrängt wurden. Durch solidarischen Einsatz Anderer konnten die Situationen aber oft entschärft werden. Polizei sah ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine, die Situation war chaotisch. Trotz allem schafften wir es wieder den Demozug zu blockieren und diesmal so mit Nachdruck, dass sich daran nicht mehr ändern sollte. Das ging eine Zeit lang, es wurde (von beiden Seite) „Nazis raus“ gerufen, was auch zeigt wie sinnlos und entkernt diese Parole ist.
Irgendwann (ich vermute während der letzten Blockade) kam es noch zu einer Festnahme einer Antifaschistin, die angeblich ein Handy entwendet und auf dem Boden zerstört haben sollte. Chapeao, auch mit so etwas habe ich nicht gerechnet. Die Demonstration musste dann nach einiger Zeit auch kehrt machen und lief auf der anderen Straßenseite zurück, vermutlich in die Frohsinnstraße Richtung Bahnhof. Gesehen habe ich es nicht. Mir wurde gesagt, das die Demonstration entsprechend kürzer ausgefallen ist.
Es gab dann noch eine Art schlecht koordinierte Spontandemo durch das Schöntal, hin zum Stern, wo die Aktiven mit Getränken versorgt wurden. Es wurde ein Empfangskomitee für die verhaftete Person organisiert und entsprechend die Autos mit Essen, Getränken und Personen beladen.
Das ist auf jeden Fall mal ein vielversprechender Anfang. Wir können hoffen, dass es vorbei ist mit der Ruhe in Aschaffenburg.
Ein paar tiefergehende und weiterführende Gedanken:
- Solche Gegenkundgebungen haben immer wieder das Problem, als pure Verteidiger der herrschenden Politik wahrgenommen zu werden. Und das nicht zu Unrecht! Daran müssen wir arbeiten und uns in Opposition zu setzen. Wir hatten den Vorteil, dass das übliche Polit-Geklüngel nicht anwesend war und vor allem Schwarz-Rote Fahnen dominierten. Für verstrahlte Rechts-Boomer waren wir natürlich „die Grünen“, doch jeder, der mal kurz nachdenkt, hat verstanden, dass hier etwas anderes los war.
- Wäre die Parteien-Elite anwesend gewesen, wer weiß ob das alles so geklappt hätte? Gerade die Aschaffenburger Parteien (egal welcher Farbe) sind bekannt dafür gerade Antifaschistische Proteste zu entschärfen und zu Wahlkampf-Veranstaltungen umzubauen. Schön das es nur bei einem handzahmen Statement blieb.
- Auch die Links(radikale) Elite hat keine große Rolle gespielt. So war keine koordinierte Gruppe auszumachen, die mit einem Plan am Werk hätte sein können. Das würde ich in anderen Städten als Kritikpunkt festmachen, denn organisierte Gruppen hätte notwendige Koordination (oder ähnliches) übernehmen können. In Aschaffenburg ist es aber gut so, denn die Gruppen setzten sich zum größten Teil aus Schwätzern zusammen. Nach meiner Einschätzung stehen wir in Aschaffenburg auch so schlecht da, weil die „organisierten Gruppen“ es nie wirklich schafften etwas zu organisieren, was über das normale Beine-in-den-Bauch-stehen hinausgeht.
- Das kaum Polizei da war, war gut und schlecht. Zum einen wären wohl deutlich mehr Leute von uns eingefahren, wenn die Cops genügend Kräfte gehabt hätten, auf der anderen Seite gab es einige brenzlige Situationen in denen einen Polizei-Linie nicht schlecht gewesen wäre. Vielleicht wäre aber auch die Blockade geräumt worden? Es ist immer schwierig so etwas zu beurteilen. Ich würde sagen: War gut so, das nächste mal bitte etwas vorsichtiger!
- Das unsägliche „Nazis raus“ war eine angemessene Parole in Zeiten der „Ausländer raus“-NPD. Heute ist die Parole so inhaltsentleert, dass sie von allen Seiten genutzt wird. Tatsächlich haben wir es auch bei den diffusen Bewegungen, die seit Corona die Straßen unsicher machen, auch nicht Nazi- oder Faschisten-Bewegungen zu tun. Sie sind diffus, unterschiedlichste Leute treffen sich dort, natürlich auch echte Faschisten. Aber es ist verständlich, wenn eine verstrahlte Hippie-Tante sich nicht für einen Nazi hält; Sie ist nun mal keiner. Hier hilft nur eines: Verstärkte Auseinandersetzung mit Faschismus-Begriff und bitte, bitte keine leichtsinnige Verharmlosung. Es gibt genug Unsympathen da draußen, gegen die man vorgehen sollte, auch wenn es keine Nazis sind.
- Das führt zum nächsten Punkt: Wir müssen es selbst schaffen wieder eine Opposition entwickeln, um (zumindest zum Teil) diesen Aufmärschen das Wasser abzugraben und eine handfeste Alternative darstellen. Das ist eine langwierige Aufgabe, für die es auch keinen Masterplan gibt, doch – so wie ich das sehe – ist sie das einzige, was uns langfristig gegen reaktionäre Bewegungen hilft. Wie man vermuten kann, halte ich in diesem Zusammenhang aber weder Parteien noch die üblichen pseudoradikalen Schwätzer für sinnvolle Verbündete.
Hintergrund Infos:
Antifa-Infos zu „Aschaffenburg steht auf“ (nicht zu verwechseln mit „Rhein-Main steht auf“, aber doch auch immer wieder in ähnlicher Besetzung anzutreffen):
https://antifa63x.noblogs.org/post/2023/01/22/derzeitige-proteste-von-aschaffenburg-steht-auf-co/
Presse:
Main-Echo Artikel zu den Rangeleien am Herstallturm:
Parteien-Bla-Bla gegen Gewalt und für Demokratie im Main-Echo:
Pfingstdemo bei Primavera:
https://www.primavera24.de/aktuelles/news/widerstand-gegen-gruenen-wahnsinn-pfingstdemo-in-aburg