offener Brief an linke Gruppen und Projekte (Berlins)
Gestern, in der Nacht auf den 28.04.2023, haben wir den Zugang zu verschiedenen linken Räumen erschwert, die durch fehlende Barrierefreiheit behinderte Menschen systematisch ausschließen.
In erster Linie wollen wir damit eins: Es linken nicht-Behinderten erschweren uns länger zu ignorieren. Da unsere bisherigen Beschwerden, immer ignoriert wurden, sehen wir uns gezwungen neue Wege zu finden, damit ihr uns zuhört.
Seit Jahren machen behinderte und/oder chronisch kranke Aktivisti auf die fehlende Barrierefreiheit und den daraus entstehenden ableistischen Ausschluss, aufmerksam. Zugehört wird uns allerdings nicht.
Dass dieser ableistische Ausschluss tödlich enden kann, hat sich leider schon zu oft gezeigt. Hier der offene Brief, den wir auch dieses Jahr an verschiedene linke Gruppen und Strukturen schicken werden:
Gestern, am 28.04.2023, jährte sich zum 2. Mal der Todestag der vier behinderten Menschen, die in Potsdam von ihrer ableistischen Pflegerin ermordet wurden. Gestern jährte sich auch der Tag, an dem wir euch das letzte Mal geschrieben haben.
Unser letzter Brief brachte vorallem unseren Schmerz und unsere Wut über den überall präsenten ableistischen Ausschluss und Ableismus in der Szene zum Ausdruck. An ca. 50 linke Gruppen und Projekte die wir alle diesbezüglich kritisierten wurde dieser Brief geschickt. Genau 3 haben geantwortet. Für uns ist das ein Sinnbild der zutiefst ableistischen und behindertenfeindlichen Ignoranz der linken Szene in Berlin.
etzt bleibt die Frage, was müssen wir sagen, was müssen wir tun, dass ihr uns endlich zuhört und etwas ändert? Gesagt haben wir eigentlich schon alles. Geändert hat sich in diesem Jahr nichts. Wir bleiben weiter durch eure Barrieren und euren Ableismus ausgeschlossen. Ihr lasst uns weiterhin alleine. Ihr lasst weiterhin zu, dass wir ermordet, ausgebeutet und missbraucht werden. Ihr ignoriert uns weiterhin.
Euer Antfiaschismus ist für uns nichts wert, weil ihr uns zurück lasst. Barrierefreiheit ist natürlich nicht leicht und nicht einfach. Aber es ist das mindeste was ihr tun müsst um eurem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Wir sind wütend und enttäuscht über eure fehlende Bereitschaft euch zu Reflektieren und Barrieren abzubauen. Immer wieder erleben wir, dass Ausreden gefunden und ein Barrierenabbau aufgeschoben wird. Würde euch wirklich etwas daran liegen, dass wir an linken Veranstaltung, Orten und Vernetzungen teilnehmen könnten, würdet ihr Wege finden Barrieren azubauen. In Angesicht dessen, dass linke Aktivisti immer wieder Baumhäuser und Tunnel im Boden bauen und in besetzten Häusern Strukturen errichten können, klingen eure Ausreden umso lächerlicher.
Wir erleben in diesem System systematische, tödliche Gewalt, vor der wir uns nicht schützen können, weil wir weder Solidarität von nicht-Betroffenen bekommen, noch Orte zur Vernetzung und gegenseitigen Stärkung haben. Das mindeste was ihr tun könnt und müsst, ist linke Orte barrierearm zu gestalten, damit wir uns wenigstens unter behinderten und/oder chronisch kranken Menschen organisieren können. Ihr müsst nicht gut finden, was wir machen. Ihr müsst es auch nicht verstehen. Ihr könnt es unseretwegen kacke finden, dass ihr heute nicht reibungslos Zugang zu euren Räumen habt. Dass wir euch euren Zugang zu euren Räumen erschwert haben, haben wir in erster Linie gemacht, damit ihr uns endlich zuhört.
Wir behinderten Aktivisti sind laut. Wir kämpfen schon lange und müssen Tag für Tag Rückschläge durch Ignoranz und Ausschluss einstecken. Alles was wir heute von euch verlangen ist, dass ihr aufhört uns zu ignorieren. Dass ihr anfangt über uns nachzudenken. Dass ihr endlich erkennt, dass wir existieren. Es sollte keine linken Projekte und Orte ohne uns geben. Kein Antifaschismus ohne uns.
In der Nacht auf den 28.04.2023, haben wir den Zugang zu verschiedenen linken Räumen erschwert, die durch fehlende Barrierefreiheit behinderte Menschen systematisch ausschließen. In erster Linie wollen wir damit eins: Es linken nicht-Behinderten erschweren uns länger zu ignorieren. In den Schlössern und Rolläden befindet sich Dichtungsmasse, diese lässt sich rückstandslos entfernen.
Wir wollen euch an Martina W., Lucille H., Christian S. und Andreas K. erinnern, die nicht hätten sterben dürfen.
Und wir wollen euch an all die anderen behinderten Menschen erinnern, die durch Cops, Pfleger*innen oder Verwandschaft systematisch ermordet wurden und werden. Wir wollen euch auch daran erinnern, dass wir euch brauchen, um in dieser Welt zu überleben. Und dass es in eurer Verantwortung liegt, uns nicht länger auszuschließen. Ableistischer Ausschluss ist eine aktive Entscheidung. Eure Barrieren sind eine aktive Entscheidung. Eure Barrieren töten.
Wenn ihr uns nicht helft und uns nicht zuhört, obwohl wir seit Jahren darum beten, macht ihr euch mitschuldig.
Damit ihr wisst, wo ihr anfangen könnt, hier ein paar unserer Forderungen. Diese Liste ist absolut nicht vollständig und wenn ihr euch mehr mit dem Thema Barrieren beschäftigt, wird euch noch viel mehr in euren eigenen Projekten auffallen.
Wir fordern:
- dass ihr euch mit den verschiedenen Formen von Barrieren auseinandersetzt und anfangt sie abzubauen
- Rollstuhlgerechten Zugang zu euren Veranstaltungen, Plena, Räumen, Aktionen und Projekten ( und damit meinen wir keine wackligen, steilen Rampen) und rollstuhlgerechte Raumeinrichtung
- Verantwortungsvolle Coronakonzepte
- Alternativtexte, Untertitel und Bildbeschreibungen auf Social-Media
- Rauchfreie Räume