Über 40 Jahre Solidarität mit Mumia Abu Jamal
Am 24.4. wird im Syndikat in Berin in der Emserstraße 131 ab 19.30 Uhr das kürzlich im Verlag Westend erschienene Buch "Texte aus dem Todestrakt" vorgestellt, das viele Texte des seit über vier Jahrzehnten inhaftierten US-Journalisten enthält, die erstmals in deutscher Sprache erschienen sind.
"Texte aus dem Todestrakt" wird herausgegeben von Michael Schiffmann, der schon in den 1990er-Jahren in der Solidaritätsbewegung aktiv war.
Schiffmann informiert auch am Beginn und in einem Nachwort über die Hintergründe der Verurteilung und den langen Kampf zunächst gegen eine Hinrichtung und nun für die Freilassung Abu-Jamals. Zentral aber sind in dem Buch die Essays, die der Journalist seit seiner Verhaftung hinter Gefängnismauern verfasst hat. Im ersten Beitrag von 1982 berichtet er, wie er schwerverletzt durch den Schuss eines Polizisten im Haftkrankenhaus aufwacht und ein Polizist, der ihn bewacht, auf den Urinbeutel tritt, was große Schmerzen verursacht.
Es sind Zeugnisse eines engagierten Journalisten, der gegen die Mächtigen der Welt ankämpft, der denen eine Stimme gibt, die von der Gesellschaft vergessen werden. Wer die Essays liest, spürt seine Leidenschaft – für eine Welt, in der Menschen nicht mehr hinter Gefängnismauern gesperrt werden, weil sie arm sind und die falsche Hautfarbe haben.
Es sind bedrückende Fallbeispiele aus der Welt des gefängnisindustriellen Komplexes in den USA. Diese Charakterisierung hat er von der Wissenschaftlerin und Kommunistin Angela Davis übernommen, die in den 1970er-Jahren unschuldig im Gefängnis saß und der damals ebenfalls die Todesstrafe drohte. Auch sie konnte durch eine internationale Solidaritätsbewegung vor dem elektrischen Stuhl gerettet werden.
Kritische Solidarität
Über manche von Abu-Jamals Positionen soll und muss jedoch gestritten werden. Dazu gehören Texte, in denen er sich zu Israel durch die Brille der Kolonialismuskritik äußert und vergisst, dass das Land ein Schutzraum für von Antisemitismus bedrohte Juden aus aller Welt ist. Wer ihn wegen dieser regressiven Israelkritik aber gleich einen Antisemiten nennt , sollte im Buch seinen berührenden Nachruf auf die jüdische Linke Frances Goldin, Wohnrechtsaktivstin, Radikale und Literaturagentin lesen.
Kritikwürdig ist sicher auch seine lange Zeit unkritische Begeisterung für die Move-Bewegung, die eine esoterische Kommune aufgebaut hatte und massiv von Polizei und Justiz verfolgt worden war. In einem späteren Text setzt er sich allerdings damit auseinander, dass er schmerzhaft erfahren musste, dass es innerhalb der Bewegung Machtmissbrauch und auch sexuelle Übergriffe gegeben hat, was durch ausgestiegene Mitglieder bekannt wurde.
Diese kritische Auseinandersetzung ist notwendig, auch wenn Abu-Jamals Gegner solche Fälle nutzen, um gegen ihn und seine Unterstützer*innen Front zu machen. In einem anderen Essay räumt er ein, dass die Black Panther Bewegung, in der er als Jugendlicher politisiert wurde, den Angriffen der Staatsapparate vielleicht besser standgehalten hätte, wenn es mehr Freundlichkeit in der Partei gegeben hätte.
Über solche und viele andere Fragen sollten wir mit ihm diskutieren, wenn er endlich das Gefängnis verlassen hat. Es wird wohl noch langer Kampf und dafür braucht es weiterhin viele Unterstützer*innen in aller Welt. Das Buch kommt daher genau zur richtigen Zeit. Allerdings bleibt die kritische Frage, warum der Titel "Texte aus dem Todestrakt" heißt, obwohl ein großer Teil im Hochsicherheitstrakt verfasst wurde, nachdem die Todesstrafe aufgehoben war.
Und warum wurde auf dem Buchcover ein Foto aus den Jahren nach seiner Verhaftung, also vor 40 Jahren verwendet? Sicher ist das Foto des Mannes mit den langen Rasta-Haaren in Teilen der Solidaritätsbewegung schon fast ikonisch. Danke an Annette Schiffmann, die dem Autor das Foto von Mumia Abu Jamal aus dem Jahr 2017 also vor 6 Jahren zur Verfügung stellte, das zu dem Beitrag zu sehen ist.
Peter Nowak