Aus einer Zelle im 41bis lässt ein Anarchist den Staat erzittern

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Übersetzung eines Textes, der auf einem Flyer in Bologna verteilt wird. Er ist anlässlich einer Kundgebung und Demonstration für Alfredo Cospito und gegen 41bis erschienen.

Er gibt auch einen Eindruck der Entwicklungen wieder.

english version below

 

Aus einer Zelle des 41 bis lässt ein Anarchist den Staat erzittern!

 

Alfredo Cospito ist zusammen mit 749 weiteren Gefangenen tief in den Verliesen des 41 bis Regime begraben. Und genau aus diesem verborgensten Platz, wo sich die staatliche Rache gegen dessen erbittertsten Feinde ereignet, hat er seinen Kampf begonnen: seit dem 20. Oktober 2022 ist er im ununterbrochenen Hungerstreik gegen das 41 bis Regime und gegen lebenslange Haft ohne Bewährung, das heißt gegen das harte Gefängnisregime und Lebenslang ohne die Möglichkeit einer anderen Bestrafung.

 

Diese zwei Institutionen des Gefängnisses sind die eindeutigsten und direktesten Ausdrücke dessen, was der Staat darstellt: Macht, die durch institutionalisierte Gewalt und Rache regiert.

 

Das 41bis Regime wurde offiziell dazu geschaffen, alle Formen der Kommunikation zwischen Mafiabossen und ihrer Anhängerschaft Draußen zu unterbinden. Es wurde nach den Massakern von Capaci und Vida d’Amelio durch den Staat als Speerspitze im Kampf gegen die Mafia eingeführt. Über die Jahre jedoch wurde die Anwendung dieses Regimes auf 750 Gefangene ausgedehnt, von denen zwei Drittel nicht einmal abschließend verurteilt sind. Das bedeutet, dass ihre Schuld oder Unschuld bis zum gegenteiligen Beleg nicht vor Gericht festgestellt worden ist. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass 41bis zwar als Anti-Mafia-Aushängeschild zur Schau gestellt wird, seine Ursprünge jedoch auf den Artikel 90 zurückgehen, der anlässlich der Zeit der Gefängnisausbrüche, des Protests und der Gefängnisrevolten während der Wende 1970-1980 die Macht des Justizministeriums etablierte, das normale Gefängnisregime auszusetzen und Sonderregime mit Isolationshaft, Verunmöglichung des Empfangs von Paketen von Draußen, Zensur und strikten Besuchsbeschränkungen durchzusetzen. Kurz gesagt all die Provisorien, die später durch den Art. 41 bis normalisiert und angewendet wurden.

 

Alfredo ist der erste Anarchist im 41 bis und wir wissen, dass er nicht wegen den Anklagen gegen ihn dort ist, sondern wegen der Gefährlichkeit seiner Ideen und seiner Verbindungen mit Anarchist*innen, die Draußen weiterkämpfen. Was bestraft wird, ist seine anarchistische Identität und nicht ein bestimmter Sachverhalt, der gegen ihn vorliegt.

 

Daher hat Alfredos Kampf sogar unter den „aufrichtigsten Demokrat*innen“ ein Bewusstsein dieser Realität ausgelöst und die Geister bestimmter Politiker*innen in Wallung gebracht, die zum Schluss gekommen sind, dass es im Jahre 2023 für den Staat nicht möglich ist, als rächender Henker in die Geschichte einzugehen. Diese schreien daher von einem gewissen linken Flügel her: „Alfredo Cospito’s Leben muss gerettet werden! Der 41 bis muss in seiner Anwendung einer Prüfung unterzogen werden!“ Lasst uns diese Gentlemen in komfortablen Sesseln und mit großzügigen Gehältern mit ihrem Gewissen übereinkommen.

 

Lasst uns weitergehen: in diesen Monaten hat sich Solidarität mit dem Kampf Alfredo’s unerschrocken und kompromisslos ausgedrückt. In den Straßen und Plätzen, Tags wie Nachts, in jeder Ecke der Halbinsel und des Globus’. Der von Alfredo aus dem Inneren von 41 bis erzeugte Riss hat sich durch unvereinnahmbare Akte der Solidarität ausgedehnt, weil sie aktiv und greifbar sind.

 

Über die letzten paar Tage haben die Medien sich selbst in den schlimmsten Analysen aufgegeben. Indem sie jene anklagen, die sich mit der harten Linie der Regierung von Meloni bezüglich des 41 bis Regimes für Alfredo Cospito aktiv solidarisch gezeigt haben und zweitens indem sie auf eine Synergie zwischen Anarchist*innen und Miafiosis gegen das harte Gefängnisregime anspielen (jenes Skript wurde bereits nach den Gefängnisaufständen im März 2020 ausprobiert und ist kläglich gescheitert). Und die Premierministerin Meloni, deren Regierung durch einen Anarchisten im 41bis in Unruhe versetzt wird, beeilt sich zu sagen, dass die Regierung nicht mit denen verhandelt, die gewalttätige Aktionen ausführen. Nun verhandeln Anarchist*innen seit Anbeginn der Zeit nicht mit dem Staat. Sie weisen die Logik von Macht, Ausbeutung, Ungerechtigkeit und Gewalt zurück und bekämpfen sie. Ebenso verhandeln sie nicht mit der Mafia, die die andere Seite der Medallie der Macht ist. Allenfalls – und dessen Zeuge ist die Geschichte dieses Landes – ist es der Staat, der mit der Mafia verhandelt hat und immernoch verhandelt.

 

Und das ist keine logische Schlussfolgerung, sondern eine Realität.

 

Wir werden im Kampf gegen 41 bis und lebenslange Haft ohne Berufung und gegen das ganze Gefängnissystem keinen einzigen Schritt zurückweichen.

 

Wir werden uns nicht einschüchtern lassen von den Drohungen eines Staates, der am Erzittern ist angesichts der Klarheit und Entschlossenheit eines Anarchisten, der von der aufrichtigen und aktiven Solidarität seiner Gefährt*innen und einem immer größeren Kreis der Solidarität unterstützt wird.

 

Der Staat ist nur eins. Wir sind viele und unberechenbar.

 

Mit Alfredo, mit denen, die Kämpfen.

 

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From a cell of 41 bis an anarchist is making a State tremble!

Alfredo Cospito, along with 749 other prisoners, is buried deep in the dungeons of the 41bis regime. And it is precisely from the most hidden place in which the State’s vengeance against its most bitter enemies is carried out that he began his struggle: since 20 October 2022, he has been on an unremitting hunger strike against the 41bis regime and life imprisonment without appeal, i.e. the hard prison regime and life imprisonment without access to alternative sentences.

These two prison institutions are the clearest and most straightforward expression of what the State is: power ruled by institutionalised violence and vengeance.

 

The 41bis regime was formally created to prevent all forms of communication between mafia bosses and their external entourage. Following the massacres of Capaci and Via d’Amelio it was taken up by the State as a leading force in the fight against the mafia. But over the years, the application of this regime has been extended to include 750 prisoners, 2/3 of whom are not even definitively sentenced. It means that, until proven otherwise, their guilt or innocence has not been established in court. Moreover, it should be remembered that the 41bis, although flaunted as an anti-mafia banner, has its origins in Article 90 which, in the light of the season of prison breakouts, protests and prison revolts at the turn of the 1970s and 1980s (which had led to a welding between political prisoners and rebels) had established the power on the part of the Ministry of Justice to suspend normal prison regime and apply special regimes characterised by solitary confinement, the impossibility of receiving packages from outside, censorship, and severe restrictions on visits. In short, all the provisions later normalised and implemented with Art. 41 bis.

Alfredo is the first anarchist to be put under 41 bis, and we know he is not there for the charges against him, but because of the dangerousness of his ideas and his links with anarchists who continue to struggle outside. What is being punished is his anarchist identity, not a specific fact contested against him.
Therefore, even among the most ‘sincere democrats’, Alfredo’s struggle has triggered an awareness of this reality, stirring the spirits of certain politicians who have judged that it was not possible for the State to go down in history, in 2023, as an avenging executioner. They are therefore crying out from a certain left-wing “Alfredo Cospito’s life must be saved! The 41 bis revised in its application!” Let these gentlemen, sitting in comfortable armchairs and on lavish salaries, come to terms with their consciences.

Let’s go further: in these months solidarity with Alfredo’s struggle has expressed itself unabashedly and uncompromisingly, in the streets and the squares, day and night, in every corner of the peninsula and the globe. The rift opened up by Alfredo from within the 41 bis regime has been widened and reinforced through irrecuperable acts of solidarity, because they are active and concrete.

Over the past few days the media have been abandoning themselves to the worst analyses, blaming those who have carried out active solidarity for the Meloni government’s hard line concerning the 41 bis regime for Alfredo Cospito and, in the second place, by alluding to a synergy between anarchists and mafiosi against the harsh prison regime (script already tried and failed miserably following the prison riots in March 2020). And the prime minister Meloni, whose government has been cornered by an anarchist in 41bis, hastens to say that the government will not deal with those who carry out violent actions. Now, since the beginning of time, anarchists do not negotiate with the State. They reject the logic of power, exploitation, injustice, violence and fight it. Nor do they deal with the mafia, which is the other side of the coin of power. If anything, and the history of this country bears direct witness to this, it is the State that has dealt and deals with the mafia.

And this is not an inference, it is reality.
We will not take a single step backwards in the struggle against 41 bis and life imprisonment without appeal and against the whole prison.
We will not be scared off by the threats of a State that trembles in the face of the lucidity and determination of an anarchist supported by the sincere and active solidarity of his comrades, and an ever-widening circle of solidarity.

THE STATE IS ONLY ONE. WE ARE MANY AND UNPREDICTABLE.

ALONGSIDE ALFREDO, ALONGSIDE THOSE WHO STRUGGLE.

 

 

 

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